Zur Professionalität der Professionalisierenden. David Gerlach
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СКАЧАТЬ vornehmlich aus pädagogischen Motiven und [für] das Fach Englisch auf Grund ihres Interesses für die englischsprachigen Länder und Kulturen“ (ebd.: 229) sowie zur Förderung der eigenen Sprachkompetenz entscheiden, nicht jedoch aus englischdidaktischen oder primär kulturvermittelnden Motiven. Die EVENING-Studie (Evaluation Englisch in der Grundschule; vgl. Engel et al. 2009, Börner et al. 2013), die Englischlehrkräfte im Primarbereich untersucht, kann ähnliche Berufswahlmotive wie Özkul herausarbeiten, wobei hier aufgrund der Spezifität der Fremdsprache in der Grundschule auch bereits schon die frühe Bedeutung des Englischen in der Schullaufbahn gesehen wird, jedoch auch ein gewisser Wettbewerbsvorteil durch das Beherrschen des Faches als Grundschullehrkraft gesehen wird. Die Besonderheit, dass zahlreiche Lehramtsstudierende gleich zwei Fremdsprachen studieren, geht ebenfalls häufig damit einher, dass neben dem Berufswunsch Lehrer/Lehrerin ferner eine andere, außerschulische Perspektive im Anschluss gesehen oder zumindest offengehalten wird (vgl. Weiß/Kiel 2011), außerdem zeigen diese Studierenden erwartungsgemäß ein erhöhtes Interesse an den fachlichen Inhalten der Fremdsprache(n) (ebd.).

      Basierend auf narrativen Interviews und mittels berufsbiographisch, struktur-, kompetenz-, sowie hier als „entwicklungstheoretisch“ gewendet, geprägter Konstrukte untersucht Dirks (2000), mit welchen Herausforderungen sich Englischlehrkräfte in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung konfrontiert sehen, ob und wie sie einen Rollenwechsel vollziehen und wie sie diesen reflexiv bearbeiten. Die von Dirks rekonstruierten Entwicklungsprozesse scheinen sich zunächst überwiegend nicht mittelbar auf die Spezifik einer Englischlehrkraft beziehen, sondern dürften Prozesse sein, die auch Lehrkräfte anderer Fächer aufgrund des sich im Bildungssystem vollziehenden Ideologiewechsels durchlaufen. Interessanterweise erleben sie jedoch bezogen auf das Fach Englisch gegenüber dem vorherigen Primat des Russischen eine Aufwertung, die sich ebenfalls positiv auf ihre subjektiv wahrgenommene Wichtigkeit als Lehrkraft auswirkt. Neue Lehr- und Unterrichtsmaterialien sowie strukturell neu gewonnener Freiraum erlauben den Englischlehrkräften innovatives Ausprobieren, was strukturtheoretisch gedeutet werden kann und sozial abgefedert wird: „Diese Experimentierphase stellt sich auf der individuellen Handlungsebene als eine produktive Verunsicherung dar, die durch den Verbleib in gewachsenen kollegialen Strukturen bzw. durch einen sozialen und psychischen Rückhalt im Kollegium und/oder durch private Stützsysteme aufgefangen wird.“ (ebd.: 211) Denjenigen Lehrerinnen und Lehrern, denen das reflexive Einholen dieser Innovationsräume nicht gelingt, misslingt auch eine Neuorientierung. Hieraus folgert Dirks entsprechend eine stärkere Implementation von (berufsbiographischer) Reflexion in den lehrerbildenden Phasen, was beispielsweise ebenfalls Reinartz (2003) im Kontext didaktischen Wissens hinsichtlich des Prinzips der Handlungsorientierung im Englischunterricht herausstellt. Hier zeigt sich eine Vertiefung bzw. Verschränkung theoretischen Wissens und seinem Anschluss an Praxis vornehmlich dann, wenn es situativ berufsbiographisch anwendbar wird.1

      Reflexion als besondere Wissensform und Reflexivität als entwickelbare bzw. entwicklungsbedürftige Kompetenz bildet dabei ein verhältnismäßig breites Feld innerhalb der Fremdsprachenforschung, zumal wenn man noch die Forschung zu Subjektiven Theorien und Beliefs hinzunimmt (vgl. Caspari 2014), denen man unterstellen kann, dass sie über Reflexivität einer gewissen Bewusstmachung unterliegen können. Wenn über Reflexionsprozesse oder -kompetenzen im fremdsprachendidaktischen Diskurs gesprochen wird, erfolgt dies in der Regel im Anschluss an Deweys frühe Konzeptualisierung reflexiven Denkens (vgl. Dewey 1933) und Schöns prägende Unterscheidung von Reflection on und in action (vgl. Schön 1983, 1990). Im Anschluss an Dewey, Schön sowie Expertiseansätze arbeitet Roters (2012) im Vergleich von US-amerikanischen und deutschen Lehramtsstudierenden unterschiedliche Reflexionsniveaus heraus und leistet dabei einen Beitrag, Reflexivität innerhalb von (Fremdsprachen-)Lehrerbildung empirisch greifbar zu machen.2 Denn obwohl Reflexion und Reflexivität als essentielle Bestandteile erfolgreicher (Fremdsprachen-)Lehrerprofessionalität angesehen wird (vgl. z.B. Bach 2013, Gerlach 2015, Schädlich 2015, Abendroth-Timmer 2017), zeigt sich in zahlreichen Publikationen weiterhin ein erhebliches Forschungsdefizit bzgl. Reflexivität und Uneinigkeit darüber, wie wirksam und nachhaltig das Schaffen von Reflexionsanlässen tatsächlich ist, welche Auswirkungen eine reflektierte und reflektierende Lehrperson auf Lernendenleistungen im Fremdsprachenunterricht hat und wie sich die Wirkung von Reflexion auch je nach reflektiertem Gegenstand unterscheidet (vgl. Akbari 2007, Borg 2009, Mann/Walsh 2013).

      Das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA; Newby et al. 2007, Mehlmauer-Larcher 2012), konsensuell von einem Konsortium theoretisch hergeleitet, kann sowohl als normative Anforderungsfolie von Fremdsprachenlehrerkompetenzen wie auch als Reflexionsinstrument angesehen werden, bietet es doch angehenden Fremdsprachenlehrkräften die Möglichkeit, innerhalb verschiedener Domänen theoretischen Wissens und praktischen Handelns in Form einer Selbstdiagnose festzustellen, wo sie gewissermaßen bereits stehen und in welchen Feldern noch Entwicklungsbedarf vorhanden ist.3 Während ich selbst u.a. im Anschluss an EPOSA-Deskriptoren noch auf einer konzeptionellen Ebene der möglichen Integration von sogenannten Reflexionsaufgaben in fremdsprachenlehrerbildenden Seminaren verbleibe (vgl. Gerlach 2015), unternimmt Schädlich (2015) (auch mittels des EPOSA) den Versuch, Reflexionskompetenz durch die Überbrückung des Theorie-Praxis-Verhältnisses von Französischlehramtsstudierenden in deren Fachpraktikum auszuschärfen. In Anschluss u.a. an Farrell (2016), der selbst ein vielschichtiges, in seinen verschiedenen Bereichen auch empirisch belastbares Reflexionsmodell auf verschiedenen Ebenen von Lehrerpersönlichkeit bis Lehrer*innenhandeln und Berufsethos vorgelegt hat (vgl. Farrell 2015), stellt Abendroth-Timmer (2017) ein „Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion“ (ebd.: 111) mit verschiedenen Ebenen vor, die in Interaktion miteinander treten bzw. einander beeinflussen (s. Abbildung 6). Insbesondere bezogen auf Fremdsprachenlehrpersonen sieht Abendroth-Timmer „die identitätsstiftende Bedeutung der Sprache als Mittel zur Materialisierung der Reflexion und als Teil sozialer Praxis“ (ebd.: 121), welche sich wiederum im Handeln, der Abarbeitung theoretischer Konzepte sowie in unterrichtlicher Interaktion widerspiegeln kann und damit ein Konstrukt darstellt, das auch phasenübergreifend oder -spezifisch zur Rekonstruktion handlungsleitender Elemente in der Ausbildungs- und Lehrpraxis dienen könnte.

      Abb. 6:

      Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion (Abendroth-Timmer 2017: 111).

      Forschung zu Reflexion geht schnell über in Interventionsforschung (s. nächstes Kapitel) bzw. Projekte, die explizit Lehrkräfte zum Reflektieren anleiten, was Wipperfürth (2015) mittels des Konstrukts der Professional vision unternimmt. Durch den interaktiven Austausch und die Diskussion mit anderen Professionellen der gleichen Berufsgruppe, in diesem Fall mit Englischlehrkräften, können für die Interagierenden relevante thematische Schwerpunkte oder Herausforderungen der Praxis gemeinsam als Professional vision (vgl. auch Goodwin 1994) erarbeitet, reflektiert und lösungsorientiert verhandelt werden. In ihrer Studie analysiert Wipperfürth (2015) die in einem solchen Kontext genutzte Berufssprache, wenn erfahrene Fremdsprachenlehrkräfte gemeinsam mit Novizinnen und Novizen über videographierte Unterrichtsbeispiele diskutieren und ihr (Erfahrungs-)Wissen explizieren. Einen methodisch-methodologisch ähnlichen Weg geht Knorr (2015), wenn sie im Zusammenhang von Planungsgesprächen erster Unterrichtsvorbereitungen angehender Englischlehrkräfte die Ko-Konstruktion fachspezifischen Wissens und dessen Aushandlung beforscht. Sie zeigt hier u.a., dass der tatsächliche Planungsprozess der Studierenden anders verläuft, als die von ihr theoretisch zusammengetragenen Planungskonzepte – mögen sie allgemeindidaktisch oder fremdsprachendidaktisch orientiert sein – dieses anvisieren. Sie sieht eine stärkere Anleitung des Planen-Lernens als zielführend für professionelles Wissen und Handeln, da ein solches, instruiert und begleitet durch das Praktikumspersonal, eine größere Transparenz hinsichtlich der Ziele in dieser Ausbildungsphase bewirken könnte (vgl. auch Knorr 2016).

      Einen weiteren, hier anschlussfähigen Forschungsschwerpunkt bildet die Frage danach, „[was] in den Köpfen von Fremdsprachenlehrer(inne)n vorgeht“ (Caspari 2014: 20) und meint damit den Forschungsbereich von Lehrerkognitionen, Beliefs und der Subjektiven Theorien, von denen letztere insbesondere aufgrund СКАЧАТЬ