Zur Professionalität der Professionalisierenden. David Gerlach
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СКАЧАТЬ zum Professionswissen von Fremdsprachenlehrpersonen vor, welche international häufig mit Konstrukten der Expertiseforschung z.B. im Anschluss an Berliner (1988) und Dreyfus et al. (1986) arbeiten, im deutschsprachigen Kontext häufig vom Forschungsprogramm Subjektive Theorien (s.u.) und wissenssoziologischer Forschung beeinflusst wurden. Tsui (2003), beispielhaft für den internationalen Kontext, untersucht in ausführlichen Falldarstellungen von vier Englischlehrkräften in Hong Kong deren Unterrichtserleben und vergleicht Unterschiede zwischen Novizen und Experten, welche sie am kritisch-reflexiven Umgang und progressivem Problemlösen von pädagogischen und fachdidaktischen Herausforderungen herausarbeitet. Während Novizen – wie auch in anderen Kontexten beschrieben – in gewissem Maße ein „Überleben“ beschreiben, gelingt es Fremdsprachenlehrkräften, die als Experten bezeichnet werden können, schneller, Unterricht von den Lernenden aus zu planen, verschiedene theoretische, allgemeinpädagogische wie fachdidaktische Konzepte im Unterricht zu verschränken und situativ reflektiert zu agieren (vgl. Tsui 2003, Borg 2006): „Kurz gesagt verfügen erfahrene Lehrende über ein größeres Instrumentarium, um die Komplexität des Unterrichts zu handhaben.“ (Schart 2014: 45)8 Trotz dass davon ausgegangen werden kann, dass explizit vorliegendes Expertenwissen Lehrerhandeln z.B. für Unterrichtsplanung beeinflussen kann, ist unter wissenssoziologischer Perspektive, wie auch im vorigen Kapitel angemerkt, die konkrete Offenbarung als Performanz von Wissen und Kompetenzen, die sich z.B. in der Planungs- oder Unterrichtspraxis zeigt, forschungsmethodologisch und -pragmatisch häufig nicht ohne größeren Aufwand erhebbar. Diesem Desiderat kam die DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) insofern basal nach, als dass sie neben Testungen von Lernendenleistungen sowie der Videographie von Unterrichtsstunden und deren Analyse auch mittels (quantitativer) Fragebögen Aspekte von Lehrerwissen erhob, zu Aussagen über Prozessqualität und Unterrichtspraxis in unterschiedlicher Hinsicht kommt und damit einen Zusammenhang zwischen Expertenwissen der Lehrkräfte und guten Leistungen der Lernenden herausgearbeitet hat (vgl. DESI-Konsortium 2008).

Wissensdomänen Englischunterricht Sub-Dimensionen
Fachwissen Wissen über das Sprachsystem Phonologie Lexis Grammatik Diskursfähigkeit
Wissen über Literatur und Kultur Kulturelle Diskursfähigkeit Literarische Analysefähigkeit
Fachdidaktisches Wissen Sprachverarbeitung und -produktion Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben + Integration der vier Fertigkeiten
Wissen um Lernstrategien Risk-taking Ambiguitätstoleranz Self-monitoring Kommunikationsstrategien
Wissen um Lehrstrategien Unterschiedliche Typen von Aktivitäten Unterschied zwischen fluency- und accuracy-basierenden Aktivitäten Adaptation von Materialien für unterschiedliche Anforderungsbereiche
Wissen über Lernende Lernerkognitionen und falsche Auffassungen über Lernen/Lehren Vorwissen Entwicklung von Lernen Motivation
Wissen um interkulturelle Interaktion Lernerwissen, Fähigkeiten und Strategien, um interkulturell kommunizieren zu können
Kontext- und Curriculumwissen Wissen über den Bildungskontext, Absichten, Ziele und Zweck Materialien und Programme als Handwerkszeug der Lehrkraft Verstehen des Lernpotentials von Heranwachsenden, Bildungsstandards, Curricula, (interne) Schulentwicklungsabsichten/-programme
Allgemein-pädagogisches Wissen Lernmanagement Motivation der Lernenden Empowerment von Lernenden Classroom management
Ressourcenmanagement Authentizität Verfügbarkeit Angemessenheit der verwendeten Materialien

      Tab. 1:

      Wissensdomänen von Englischlehrpersonen (Roters 2017: 171; eigene Übersetzung).

      In einer Zusammenschau überwiegend internationaler Studien zum Wissen von Englischlehrkräften9 stellt Roters (2017), unterteilt nach den Oberkategorien Shulmans (1986), Domänen und Subdomänen zusammen, die in Tabelle 1 dargestellt werden. Sie erklärt, dass die einzelnen Dimensionen als interdependent zu verstehen sind, was auch PKE und FALKO-E zeigen können, gleichzeitig diese Einteilung keineswegs einen Vollständigkeitsanspruch erheben kann und weiterer Ausschärfung bedarf. Insbesondere Aspekte des über die Zeit formaler (Aus-)Bildung und Lehrtätigkeit generierten Erfahrungswissens, der „apprenticeship of observation“ (Lortie 1975) anderer professionell Agierender (auch der eigenen Schulzeit), des Reflektierens theoretischer Wissensbestände sowie die eigenen Beliefs spielen eine besondere Rolle, die mit quantitativen Erhebungen nur schwer ermittelbar erscheinen. Mit diesen, in der Tendenz anderen Formen von Wissen, „the hidden side of work“ wie Freeman (2002) es in einem vielzitierten Aufsatz bezeichnet, beschäftigt sich Joachim Appel (2000), der als einer der ersten im deutschsprachigen Raum dezidiert das Erfahrungswissen von Fremdsprachenlehrer*innen untersucht. Er fokussiert hier im Besonderen auf inkorporierte Alltagserfahrungen innerhalb einer Kultur des Fremdsprachenunterrichts danach fragend, wie kollektive Werte und Lehrer*innenwissen aus der Praxis durch Lerngelegenheiten geformt, berufsbiographisch bestimmt und zu theoretischem Wissen reflexiv in Beziehung gesetzt werden. Dazu interviewt er teilstrukturiert-narrativ 20 Lehrerinnen und Lehrer auf Grundlage kognitiver theoretischer Konstrukte wie Subjektive Theorien und Beliefs (s.u.), personenbezogenen Aspekten von Erfahrungswissen im Sinne eines Personal Practical Knowledge (Elbaz 1983) und des Pedagogical Content Knowledge in Anschluss an Shulman (1986). Zum einen werden verschiedene Kontexte herausgearbeitet, die eher personaler oder interaktionaler Natur mit Lernenden und Kolleg*innen sind wie beispielsweise der Umgang mit administrativen Vorgaben, Unabwägbarkeiten bei der Unterrichtsplanung oder die Beziehungsebene. Zum anderen extrahiert Appel Dimensionen fremdsprachendidaktischen Erfahrungswissens, das u.a. den Wert von Auslandserfahrungen sowie die Bedeutung des Lehrwerks als zentral darstellt und methodisch-didaktische Grundannahmen von Grammatik sowie Unterrichtskommunikation der untersuchten Lehrerinnen und Lehrer zusammenzustellen vermag.10

      3.1.2 Beliefs, Subjektive Theorien und Reflexivität

      Einen weitaus bedeutenderen Schwerpunkt bilden im Zusammenhang mit fremdsprachendidaktisch orientierter Professionsforschung seit 2000 Vorhaben und deren einschlägige Publikationen, welche sichtbar werden lassen, wie sich die subjektive Sicht der Lehrkräfte bzgl. ihrer Tätigkeit, z.B. auch bezogen auf konkrete fremdsprachendidaktische Konstrukte oder Methoden, konstituiert und wie sie reflexiv damit umgehen. In diesem Kontext fällt jedoch ebenfalls auf, dass Forschung zu dem Lehrer*innenberuf vorgeschaltete Motive bzw. zu Berufsbiographien überraschend kurz kommen. Valadez Vazquez (2014), Özkul (2011) und Dirks (2000) stechen für diesen Bereich insofern heraus, dass sie zumindest auf diese Berufswahlmotive sowie berufsbiographische (bei Valadez Vazquez (2014) identitäre) Entwicklungsprozesse fokussieren. Özkul (2011) kann beispielsweise in ihrem quantitativ orientierten Vorhaben aufzeigen, dass die Lehramtsstudierenden des Faches Englisch nicht primär aus Interesse am Fach Lehrerin oder Lehrer werden möchten, sondern aus einer Motivik heraus, die dem angestrebten Berufsfeld immanent zu schein scheint wie z.B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Auch positive Erfahrungen in der eigenen СКАЧАТЬ