Zwinglis gefährdetes Erbe. Hans Peter Treichler
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Название: Zwinglis gefährdetes Erbe

Автор: Hans Peter Treichler

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783037600481

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СКАЧАТЬ den Metzgern, die Vieh nach Konstanz treiben. Sie bringen das Vieh über die Grenze und nehmen das Geld dafür entgegen und kommen ohne Vieh wieder nach Hause. Dann machen sie eine weitere Fahrt und immer weiter und weiter so. So halten es die Pensionsherren und die Hauptleute. Ihnen gelingt es immer wieder, dass sie zwar einen Kriegszug mitmachen, aber – ich weiss nicht, wo sie sich hinstellen – aus den ganzen Massakern und dem Kugelhagel wieder (heil) nach Hause kommen, die Tasche voll mit Geld. Sie haben die Kinder ehrlicher Leute verschachert und machen sich sofort wieder auf und führen einen weiteren Trupp weg, den sie ebenfalls verschachern; davon werden sie reich. Jetzt seht ihr selbst, dass für diese Blutkrämer keine Schelte zu heftig ist.

      Den Blutegel, der sich einmal festgesaugt hat, wird man so schnell nicht los. Wo mit Goldketten behangene Hauptleute in ihren Samtwämsern durch die heimischen Gassen stolzieren, während irgendwo in Europa die von ihnen verführten Bauernburschen auf dem Schlachtfeld verbluten, machen sich Hoffart, Sünde, Neid und Zwietracht breit. Und hat dieses Unkraut erst einmal Wurzeln geschlagen, lässt es sich so schnell nicht wieder ausrotten.

       Schlachtzulage: ein Monatslohn

      Im Jahre 1522 hatte Zürich eine «Satzung wider die Pensionen» erlassen. Sie liess an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und wies keinerlei Schlupflöcher auf. Strafbar machte sich, wer von einer fremden Instanz Zuwendungen entgegennahm, sei dies in der Form von provision, gelt, miet, gab, schenken oder eines Grundstücks oder dessen Zinsen. Wer Strohmänner vorschob oder die Pension an Ehefrau, Tochter oder Sohn überweisen liess, war ebenso schuldig, wie wenn er seine Guthaben in einem anderen Land deponierte. Die Strafen waren einschneidend; Überführte galten als «ehrlos und meineidig», also aller bürgerlichen Rechte verlustig. Ab 1523 waren alle Amtspersonen gehalten, die Satzung öffentlich zu beschwören, darunter auch die Geistlichen: Eine Illustration aus Bullingers Reformationschronik zeigt eine Gruppe Pfarrer im schwarzen Talar, die ihre Hand zum Schwur erheben.

      Wie aber ging der Pensionsherr in den zwölf Orten vor, die den Solddienst duldeten, ja förderten? Ein Hauptmann, der als Alleinunternehmer arbeitete, verfügte über ein kleineres oder grösseres Netzwerk von Werbern, die auf einen bestimmten Termin hin Burschen aus ihrer Region an einen Treffpunkt aufboten. Die Angeworbenen erhielten ein Handgeld in der Höhe einiger Tagessolde und unterzeichneten einen Vertrag; in vielen Fällen brachten sie eigene Waffen und Ausrüstung mit. Auftraggeber (die «Soldherren») und Hauptleute einigten sich meist auf einen Pauschalbetrag in der Grössenordnung von 1500 bis 3000 Gulden pro Kompagnie und Jahr, dies bei einer Kompagniestärke von 150 bis 180 Mann. Geschickte Hauptleute wussten ihr Budget so einzuteilen, dass ihnen ein Drittel der Pauschale als Gewinn blieb – dies, indem sie den Sold so tief wie möglich hielten, die billigsten Truppenunterkünfte bezogen und bei der Verpflegung sparten. Vor allem in den Innerschweizer Orten brachte diese Praxis den immer gleichen Familien eine politische wie militärische Führungsrolle; alle die Reding, Zurlauben und Attinghausen verdankten ihre Vormachtstellung den Fremden Diensten.

      Und der einfache Söldner? Auf den ersten Blick stellte er sich mit einem Monatssold von vier bis fünf Gulden (200 Schilling) nur wenig besser als ein städtischer Maurergeselle, der es auf sechs bis sieben Schilling Taglohn brachte. Hinzu kam aber eine Art Gefahrenzulage: Für jede Schlacht, in welche die Truppe verwickelt wurde, gab es einen Bonus in der Höhe eines Monatslohns. Fiel ihr beim Requirieren und Plündern Schmuck oder Bargeld in die Hände, wurde diese Beute zum Sold hinzugerechnet. Zur Zeit der Mailänderkriege kam auch ein einfacher Infanterist durchaus mit 300 Gulden im Beutel nach Hause: ein kleines Vermögen!

      Umgekehrt lag die Sterblichkeit markant höher als beim Handwerksgesellen. Einer von fünf Angeworbenen überlebte die Dienstzeit nicht; dabei spielten Krankheiten eine grössere Rolle als militärische Einsätze. Für Verwundete war nicht einmal das Lazarett gratis: Sie bezahlten den Feldarzt aus der eigenen Tasche! Für Verpflegung und Ausrüstung hatte jeder selbst zu sorgen. Umso grösser war der Ansporn, sich in den Küchen und Kellern der Zivilbevölkerung einzudecken, den erschlagenen Gegner seiner Stiefel zu berauben und in den Zeughäusern eroberter Städte den Schweinespiess durch eine erstklassige Kampfaxt zu ersetzen …

      Bezeichnenderweise fiel im 17. Jahrhundert der Monatssold unter das Niveau der zivilen Löhne. Geschulte Artilleristen oder Musketiere waren nach wie vor gesucht und entsprechend gut bezahlt, aber das einst so gefürchtete Fussvolk diente vorwiegend als Kanonenfutter. Statt kräftiger Bauernburschen meldeten sich zunehmend randständige Existenzen bei den Werbeoffizieren. Diese wiederum konzentrierten sich zunehmend auf die Grenzregionen, wo sich immer eine Auswahl «flottanter» Ausländer anbot – ein Spiel, das die Auftraggeber bald durchschauten. Die Schweizer Kompagnie, so legten sie um 1700 fest, dürfe höchstens einen Drittel Ausländer aufweisen; beim Rest müsse es sich um «echte Schweizer» handeln.

       «Gesetzlose Wilde»

      Eben diese kräftigen Bauernburschen bildeten das taktische Gerüst der klassischen eidgenössischen Angriffsformation. Als Spiessträger rückten sie Seite an Seite in einer undurchdringlichen Phalanx vor, in ihrem Rücken der «Gewalthaufen», einige hundert oder tausend Nahkampfspezialisten, die in jede entstehende Lücke vorstiessen. Beim Manövrieren mussten die vier bis fünf Meter langen Spiesse oft stundenlang waagrecht getragen werden, was enorme Durchhaltekraft erforderte. Bis die ersten Breschen geschlagen waren, regneten die Pfeile von Armbrust- und Bogenschützen auf die Angreifer nieder. Es galt so schnell wie möglich Nahkampftaschen zu schaffen, bis die gegnerischen Geschütze gerichtet waren. Trafen einmal die ersten Fusssoldaten mit ihren swînspiessen und Streithämmern, ihren Hellebarden und Zweihändern aufeinander, verlor die Truppe ihren Nutzen; ihre Geschosse hätten Freund wie Feind umgebracht. Besonders gefürchtet waren eidgenössische Krieger im Kampf eins zu eins, weil sie kaum je Gefangene machten (ganz anders die Truppen «höfischer» Streitkräfte, die hochgestellte Offiziere als eine Art Beute betrachteten; solche Prominente wurden eiligst hinter die Linien gebracht und später im Tausch oder gegen Lösegeld als Pfand eingesetzt).

      Reisläufer aus dem Alpenland galten seit den Mailänderkriegen als Barbaren, «die sich an Christenblut weiden» (siehe « Barbaren), gegenüber dem Feind und der Zivilbevölkerung keinerlei Kompromisse machten, die Bauerngüter im Konfliktgebiet rücksichtslos plünderten und dann in Brand steckten. Dass sie zu den begehrtesten Fusssoldaten des Kontinents wurden, hat aber nicht nur damit zu tun. Als einziges europäisches Land kannte die Eidgenossenschaft die allgemeine Wehrpflicht; das Milizsystem sorgte für ein Reservoir an ausgebildeten Truppen, vor allem Infanteristen.

      Doch der Ausgang der Schlacht von Marignano hatte bereits gezeigt: Mit der immer wichtigeren Rolle der Geschütze und Handfeuerwaffen büsste die Taktik mit Spiessträger-Phalanx und «Gewalthaufen» an Wirksamkeit ein. Gleichwohl blieb den eidgenössischen Söldnern ein gewisses Prestige; als zuverlässige und treue Elitetruppen wurden sie immer häufiger als Leibwächtereinheiten für kirchliche oder gekrönte Häupter engagiert: die päpstliche Garde, die Cent Suisses am französischen Hof. Aber in Frankreich hiess es um 1700 bereits, die Schweizer Kompagnien würden überschätzt, qu’elles coûtaient cher, sans rendre les services d’autrefois.

      In gewisser Weise galt das auch für die Stellung der Söldnerführer in der eidgenössischen Gesellschaft. Die Geschlechter dieser Berufsmilitärs hatten sich dank СКАЧАТЬ