Zwinglis gefährdetes Erbe. Hans Peter Treichler
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Название: Zwinglis gefährdetes Erbe

Автор: Hans Peter Treichler

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783037600481

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СКАЧАТЬ Freundes Blut heraus.»

      Diese Kampfansage an Rom (siehe « Soldbündnis mit Rom) stammt vom Frühling 1521. Ein erstaunlicher Zeitpunkt: Nur wenig mehr als zwei Jahre nach seinem Amtsantritt wendet sich der führende Geistliche der Stadt in aller Deutlichkeit gegen die oberste Instanz der Christenheit und fasst für seine Mitbürger in Worte, was keiner laut zu fragen wagt: Mit welchem Recht rüsten diese christlichen Herren ganze Armeen aus und schicken sie in den Krieg? Und was treibt den «biderben», den aufrechten Eidgenossen an, dass er «nur um des Geldes willen Herrscher unterstützt, denen es gar nicht ansteht, Kriege zu führen, also Bischöfe, Päpste, Äbte und andere Geistliche»? Ganz zu schweigen davon, dass er gegen Entgelt einem beliebigen Auftraggeber hilft, ein schuldloses Land mit Gewalt zu berauben, einzunehmen und zu verwüsten – dass du gelt nimpst und eim frömbden herren hilfst ein ander unverschuldet land gwaltiklich berouben, innemmen, verhergen?

      Zwingli predigte in diesen Zeiten mit Nachdruck gegen das Entgegennehmen von Geld und betonte, dass es die gläubige Eidgenossenschaft spalten und untergraben würde. Er wandte sich auch gegen die Bündnisse mit Fürsten und (anderen) Herren, denn sei man sie einmal eingegangen, so müsse man in der Art aufrechter Männer auch einhalten, was man zugesagt habe. Deshalb solle man keine (solchen) Bündnisse schliessen, und wenn Gott einem Volk aus einem solchen heraushelfe, solle man sich in Acht nehmen und keine neuen eingehen, denn sie kosteten einen hohen Blutzoll. Ich wünschte auch, sprach Zwingli, dass man ein Loch in die päpstliche Bündnisurkunde gestochen und sie dem Boten auf den Rücken geheftet hätte, damit er sie so nach Hause trage. Weiter sagte er, bei einem reissenden Wolf würden Treibjagden veranstaltet, aber niemand wehre sich gegen die Wölfe, die die Leute ins Unglück brächten. Diese trügen zu Recht purpurrote Hüte und Mäntel, denn schüttle man sie, so fielen Dukaten und Kronen heraus; winde man sie aber aus, so rinne deines Sohnes, Bruders, Vaters und guten Freundes Blut heraus. Kurz, auch wenn Zwingli von manchen Leuten bezichtigt wurde, er habe den päpstlichen Feldzug gutgeheissen und sich von den Kaiserlichen anstiften lassen, so ist es doch nachweislich wahr, dass er keine Sache heftiger gescholten und verurteilt hat.

       «Böse Sitten»

      Das ist eine unverhohlene Kampfansage an die Soldherren jeglicher Couleur. Wie weit kann Zwingli hier auf die Unterstützung durch die Regierung zählen? Und wie stellt man sich auf der Landschaft zu seinem radikal romkritischen Kurs? Ganz bestimmt kann Zwingli mit einem grossen Teil der Geistlichen rechnen, mit dem städtischen Domherrn wie mit dem einfachen Dorfpfarrer. Denn im täglichen Verkehr mit dem Volk erfahren diese Kollegen nur allzu schmerzlich, wie zurückkehrende Reisläufer die Umgangsformen prägen, wie die gewohnten Raufereien in tödliche Messerstechereien ausarten, wie sich Trunksucht und Arbeitsscheu ausbreiten. «Die Unsrigen», so Zwingli, «sind noch nie aus fremden Kriegen zurückgekehrt, ohne ungewohnte Kleidung für sich und ihre Weiber mitzubringen, dazu allerhand Speisen, unmässiges Trinken, neue Flüche. Was sie an Sündhaftem antreffen, das lernen sie gerne, sodass man befürchten muss, mit der Zeit werde man noch schlimmere Laster kennenlernen, wenn man nicht vom Dienst bei fremden Herren ablasse. Auch die weibliche Zucht wird geschwächt und entfernt sich von Gott» (siehe « Böse Sitten).

      Die dritte Gefahr besteht darin, dass man aus dem Krieg zusammen mit dem fremden Geld verderbliche Sitten mit heimbringt und sie dort einreissen lässt. Das erleben wir ganz konkret, denn die Unsrigen sind noch nie aus fremden Kriegen zurückgekehrt, ohne neumodische Kleidung für sich und ihre Weiber mitzubringen, dazu allerhand Speisen, unmässiges Trinken, neue Flüche. Was sie an Sündhaftem antreffen, das lernen sie gerne, sodass man befürchten muss, mit der Zeit werde man noch schlimmere Laster kennenlernen, wenn man nicht vom Dienst bei fremden Herren ablasse. Auch die weibliche Zucht wird geschwächt und entfernt sich von Gott.

      Das spricht manch einem geistlichen Herrn aus dem Herzen. Was die städtische Obrigkeit angeht, so dominieren im Augenblick die liberalen und reformwilligen Kräfte. Mit der vorgesehenen Aufhebung der Klöster tun sich die wenigsten schwer: Allzu verlockend ist die Aussicht auf den massiven Zuwachs an Grundbesitz, Rechten und Abgaben, mit dem die Stadt rechnen kann. Daneben gibt es einen konservativen Kern alteingesessener Geschlechter. Hier findet man sich nur widerwillig mit dem Reislaufverbot ab; vor allem verzichtet man nur ungern auf die Pensionsgelder. Denn nach wie vor erhalten angesehene Ratsherren regelmässige Zuwendungen von Seiten des Papstes, der französischen Krone oder anderer Parteien. Die Zielvorgabe: Die Empfänger dieser Pensionen oder Jahrgelder sollen als eine Art Lobbyisten die Interessen des jeweiligen Geldgebers vertreten; hauptsächlich geht es um die Anwerbung von Söldnern. Wie im Umgang mit Schmiergeldern üblich, werden die Beträge sehr diskret übergeben, was manchen Lobbyisten erlaubt, gleich mehrere Geldquellen aufs Mal anzuzapfen …

       Hearings im Rathaus

      Mit solchen Machenschaften befasst sich ein Komitee, das Bürgermeister und Räte in den Mittzwanzigerjahren einsetzen. Über drei Wochen hinweg kommen im Herbst 1526 mehr als vier Dutzend Vorgeladene zu Wort – von Zwingli, der die Untersuchung gefordert hat, bis zur Kneipenwirtin, die an einer feuchtfröhlichen Runde allerlei verdächtige Äusserungen aufgeschnappt hat. Die Protokolle haben sich bis heute erhalten: eine Folge von Einzelverhören, Gruppenbefragungen, Unschuldsbeteuerungen und Gegenüberstellungen, bei denen sich manche Verdächtige gegenseitig belasten. Die Abklärungen beginnen am 10. Oktober mit Ulrich Zwingli, der zwei Tage lang als eine Art Chefankläger Zeugen und Verdächtige vorlädt, und sie enden mit einem Eklat. Ratsherr Jakob Grebel, einer der ersten Befürworter der Reformation, soll trotz striktem Verbot während Jahren grosse Summen Pensionsgelder eingestrichen haben. Der Rat verurteilt ihn zum Tod; der 66-Jährige wird am zweitletzten Tag des Monats öffentlich enthauptet.

      Seine Anhänger werden später unter der Hand verbreiten, hier sei ein Sündenbock gesucht und gefunden worden; mit gleichem Recht hätte die Todesstrafe auch andere Jahrgeldbezüger treffen können (tatsächlich sprach das Gremium hohe Geldbussen gegen ein Dutzend weitere Überführte aus). Das Protokoll der Verhöre erinnert in mancher Hinsicht tatsächlich an eine Hexenjagd. Manche «Beweise» stammen aus zweiter Hand, etwa aus einer Kneipe, wo ein Zeuge eine Gruppe von Zechern am Nebentisch belauscht, als sie in die trünk kommen syen und von pensionen und vom Evangelium redten. Zwingli selbst beginnt mit einer pauschalen Unterstellung: dass alle die, so mit pension verdacht sind, einhelliglich wider das Evangelium stritend – bei den Verdächtigen СКАЧАТЬ