Название: Zwinglis gefährdetes Erbe
Автор: Hans Peter Treichler
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783037600481
isbn:
Da berichtet ein Zeuge von einem geheimnisvollen Boten, der zu später Stunde «gestiefelt und gespornt» das Haus eines Ratsherrn verlassen habe. Ein anderer hat im Bäderstädtchen Baden mit einem Offizier gezecht. Der habe ihm eine Handvoll Goldmünzen unter die Nase gehalten und geprahlt, so viel schnelles Geld bringe eben nur der Kriegsdienst ein. Im Haus eines gewissen Pfäffli Ziegler sei laut schwadroniert worden, der Zwingli wäre allen zu schwer, man müsse ihn irgendwie loswerden – man müesse luogen, wie man sin abkäm. Ein Stadtknecht weiss wiederum von anderen Stadtknechten, diese bezögen ein festes Gehalt, dorumb dass si die pensioner warneten, wann si si fachen (festnehmen) solltend …
Rette sich, wer kann
Allerdings bringen die Verhöre auch handfeste Ergebnisse, gerade im Fall von Jakob Grebel. Dass es dieser ohnehin schwerreiche Eisenhändler durch Zuwendungen aus verschiedenen Lagern auf Pensionsgelder von 4000 Kronen (6000 Gulden) brachte, hat er in privater Runde eingestanden; auch das bestätigen mehrere Zeugen.
Beim persönlichen Verhör wiegelt Grebel allerdings ab: Ein Teil der Gelder sei für die Ausbildung seines Sohns Konrad bestimmt gewesen, bei weiteren Summen handle es sich um Unternehmenskredite; andere Zahlungen hingegen fielen in die Zeit vor dem Verbot. Wenn er sich mit dem tresorier oder Zahlmeister eines Kardinals getroffen habe, dann als Privatmann – anderseits ergibt ein weiteres Verhör, dass die beiden gar keine gemeinsame Sprache sprechen, in der sie sich unterhalten könnten. Kommt hinzu, dass Sohn Konrad seinen Vater desavouiert, indem er wiederholt in aller Öffentlichkeit klagt, er erhalte die für seine Ausbildung vorgesehenen Gelder nur zum kleinsten Teil. Und wenn Konrad daran denkt, «dass er von drei Herren, dem Papst, dem Franzosen und dem Herzog von Mailand, Geld gehabt habe», gerät er in Panik: Sollte das bekannt werden, muss er um sein Leben fürchten.
Panik macht sich auch unter weiteren Pensionsherren breit. Manche befürchten, dass sie ouch etwa in die suppen kämen, also durch belastende Aussagen der Mittäter in den Strudel gerissen würden. Muoss ich dran, so muoss das alt Grebeli ouch dran, droht ein gewisser Christoph Bodmer. Und letztlich ist es wohl diese Maxime des «Rette sich, wer kann», die dem Komitee genügend Material für eine Anklage und ein Urteil verschafft. Dass im Fall Grebels die Todesstrafe verhängt wird, überrascht allerdings manche seiner Mitglieder. Verschiedenen Quellen zufolge hat sich ein Mann besonders energisch dafür ausgesprochen: Ulrich Zwingli.
Agenten jeden Kalibers
Hier ein Lederbeutel voller Goldkronen, den ein gestiefelter und gespornter Bote spätnachts ins Haus liefert, dort ein Silbertaler, der im Wams des Stadtknechts landet – Pensionen nehmen die unterschiedlichsten Formen an. Ein bezeichnendes Beispiel schildert Zwingli im Verlauf der Rathaus-Hearings: Bei einem Treffen mit dem reformationsfreundlichen Herzog Ulrich von Württemberg kommen die Machenschaften eines Zürcher Agenten zur Sprache, der allen Verboten zum Trotz Truppen für den Herzog anwerben will. Dieser Hans «Klotz» von Escher, so wettert der Herzog, sei ein onverschampter bettler; er hab im oft handvoll und seckelvoll geben und noch wölle das nit helfen – immer wieder habe er ihm Soldgeld vorgeschossen, ohne dass der Mann auch nur einen einzigen Söldner vermittelt habe.
«Klotz» Escher verkörpert offensichtlich die unterste Stufe des Metiers Pensionsherr: ein schäbiger kleiner Agent, der gegen gelegentliche Schmiergelder für seinen Auftraggeber weibelt. Sein Gegenstück ist der Söldnerhauptmann grossen Stils, der Landjunker, der als Truppenführer und Anwerber jährlich Tausende von Goldkronen bezieht. Einzelne Machtmenschen dieses Schlags tauchen bereits zur Zeit der Burgunderkriege im 15. Jahrhundert auf, so etwa der Heerführer Hans Waldmann, der sich zum Zürcher Bürgermeister aufschwingt und seines despotischen Führungsstils wegen auf dem Schafott endet. Seine volle Ausprägung findet der Typus aber erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ein Abenteurer wie der Luzerner Oberst Heinrich von Fleckenstein, Schultheiss von Luzern und Burgherr auf Heidegg, hinterlässt rund 180‘000 Gulden und gilt als einer der reichsten Schweizer seiner Zeit. Ebenso ein weiterer Luzerner, der «Schweizerkönig» Ludwig von Pfyffer, dessen Vermögen bei seinem Tod im Jahre 1594 auf 350‘000 Gulden geschätzt wird.
Welche Gegenleistungen erwarteten die Geldgeber aber eigentlich im Fall eines Jakob Grebel und seiner Genossen? Auf Zürcher Gebiet stiess die Anwerbung von Soldaten auf allergrösste Schwierigkeiten. Hier lohnte sich der Einsatz nicht, schon weil dienstwillige Zürcher Burschen problemlos in grenznahen Städtchen wie Zug oder Baden anheuern konnten. Wenn Rom, Paris oder Mailand ihre Kontakte nach Zürich dennoch sorgfältig pflegten, so durchaus in der Hoffnung, das Regime der Reformierten könnte eines Tages auseinanderbrechen. Trafen sich konservative Zürcher, wurde schon bald einmal über eine Entführung Zwinglis oder ein Attentat diskutiert. Irgendjemand musste doch diesem Regime der luterschen böswicht und der zwinglischen Schelmen ein Ende setzen!
Blutdurst
Zur Zeit der Affäre Grebel nimmt Zwinglis Feldzug gegen die Kronenfresser noch stürmischere Formen an als bis anhin. In seiner berühmt gewordenen «Blutegel»-Predigt unterscheidet er von der Kanzel aus zweierlei Pensionenbezüger. Da sind zum einen die Hauptleute, welche die von ihnen angeworbenen Truppen hoch zu Ross in ihr Einsatzgebiet führen. Darin gleichen sie «den Metzgern, die Vieh nach Konstanz treiben. Sie bringen das Vieh über die Grenze und nehmen das Geld dafür entgegen und kommen ohne Vieh wieder nach Hause. Dann machen sie eine weitere Fahrt und immer weiter und weiter so.» Trotz Scharmützeln und Geschützfeuer kämen sie von jeder Fahrt unversehrt nach Hause – «ich weiss nicht, wo sie sich jeweils hinstellen» – und stolzierten hier durch die Gassen «so prunkvoll in Seide, Silber, Gold und Edelsteinen, mit Ringen und Ketten einher (…), der eine oben voller Gold und unten voller Seide, der andere unten vergoldet und oben von Samt und Damast». Womöglich noch verabscheuungswürdiger sind jene Schmiergeldempfänger, die sich ganz auf die Rekrutierung beschränken. Zwingli nennt sie byrenbratter oder Birnenbrater – dorum, das die daheym sässind hinder dem offen, nitt hinus kämind. Den zukünftigen Soldaten und ihren Eltern versprechen sie Wunderdinge aus fernen Ländern, ohne je einen Feldzug mitgemacht zu haben. «Damit aber richten sie grösseren Schaden unter uns an, als es je ein fremder Herrscher vermöchte.» Und als fürchte er, sich nicht deutlich genug ausgedrückt zu haben, schickt Zwingli seiner Predigt eine ganze Schrotladung Schimpfwörter hinterher: Jawohl, diese Leute sind Blutsauger, sind Blutegel, und keine Schelte ist für diese Blutkrämer zu heftig! (siehe « «Blutegel»-Predigt)
« «Blutegel»-Predigt: Ir wüssend wol, biderben lüth, wie wol es mir zuogelegt, dass ich (…) dise lüth genempt «bluotsuger» und «bluotäglen», und das ich aber nitt gethan hab. Aber yedoch muoss ich ietzund sagen und offentlich üch anzeigen, wemm doch die houptlüth glych syend; und gillt mir gar glych, ob ettlich lüth daran ein beduren haben wurdent; dann das byspil ist an imm selbs nitt alls bös, alls die sind, von denen ich reden. Sy sind den metzgeren glych, die das väch gen Costantz trybend. Die trybend das vach hinuss, und nämend das gällt darumb, und kummend one das vach wider heim. Farend dann widerumb uss und thuond imm also für und für. Also thuond die pensioner und houptlüth. Denen hat es – ussgenommen ein fart – all wäg gelungen, das sy uss den schlachten und geschütz – nitt weiss ich, wohin sy sich stellend – widerum heym kummend, und bringend die wättschger voll gällts, und habend biderber lüthen kinder vertriben; und von stund an widerumb uff, und bringend einen anderen huffen; den vertrybend sy ouch; darus werdent sy rych. Nun luogend, ob man die bluotverkramer thürer gnuog könne schällten. (ZW III, 49, S. 587)»
Ihr wisst schon, ihr ehrlichen Leute, dass man mir nachgesagt hat, ich hätte diese Leute «Blutsauger» und «Blutegel» genannt, was ich aber nicht tat. Jetzt muss ich aber doch öffentlich bezeugen, wem diese Hauptleute gleichen. СКАЧАТЬ