Название: Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen
Автор: Christoph Hillebrand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811488540
isbn:
Während der Aufwendungsausgleich der Geschäftsführung ohne Auftrag sich wesentlich nach dem objektiven Interesse an freiwilligem Vermögenseinsatz bemisst und die Bereicherungshaftung einen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs ausgleicht, dient der Schadensausgleich der Überwälzung eingetretener Vermögensminderungen. Der Blick richtet sich dabei auf das Interesse des Geschädigten.
Schadensausgleich kennt auch das Vertragsrecht (vgl. §§ 280 ff.) wegen der Verletzung von Pflichten aus Schuldverhältnissen (Erfüllungs– und Treupflichten). Geschützt wird dadurch das Erfüllungsinteresse, auf welches allein alle vertraglichen Pflichten nach ihrem Zweck ausgerichtet sind. Deshalb haftet dort der Verpflichtete auch für jede schuldhafte Schädigung seiner Vertragspartner durch seine Erfüllungsgehilfen (vgl. § 278).
Der deliktische Schadensausgleich richtet sich demgegenüber nach einer allgemeinen Ordnung des Güter- und Friedensschutzes, die dadurch gestört wird, dass der Einzelne seine Rechtsgrenzen überschreitet und Rücksichtspflichten verletzt. Geschützt ist deshalb das Integritätsinteresse. Dem entspricht auch die als Verursachungshaftung mit Entlastungsmöglichkeit ausgestattete Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen (vgl. § 831).
Gelegentliche Versuche, die Deliktshaftung auf eine Art (gesellschafts-)vertragliche Vereinbarung zur allseitigen Rücksichtnahme zurückzuführen, verdecken dabei wesentliche Folgen der Zweiteilung in vertragliche Schadenshaftung und Deliktshaftung im Hinblick auf Rechtswidrigkeits- und Schadensfragen.[75] Allerdings dienen zahlreiche Rechtsfiguren ausschließlich dazu, vertragliche Haftungsgrundsätze zur Anwendung zu bringen (so etwa die Vorschrift des § 311 Abs. 2; der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte und die Drittschadensliquidation).[76]
§ 3 Ausgleichsordnung › E. Unerlaubte Handlungen
E. Unerlaubte Handlungen
724
Unerlaubte Handlungen begründen ein gesetzliches Schuldverhältnis mit der Pflicht zum Schadensausgleich und der Gewährung der vorbeugenden Unterlassungsklage. Es handelt sich um die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung fremder Rechtsgüter. Das Deliktsrecht des BGB will damit Schäden „aus Unrecht“ restituieren und führt dazu konsequent das Verschuldensprinzip durch (Ausnahmen nur aus Billigkeitsgründen, § 829, und hinsichtlich des Risikos durch Luxustiere, § 833 S. 1; außerdem stark eingeschränkt durch die Vermutung bestehender Schuld und deren Kausalität für den Schaden v.a. durch Verrichtungsgehilfen, § 831).
Das Verschuldensprinzip vermeidet dadurch eine jeder menschlichen Handlungsfreiheit widersprechende Erfolgshaftung bzw. rein objektive Verursachungshaftung.
Schäden „aus Unglück“ gehören damit zum allgemeinen Lebensrisiko, für das niemand haftet. Sie sind nur mittels des Sozial- und Versicherungsrechts regulierbar.
Lediglich bestimmte Sondergesetze schaffen zusätzlich einen deliktischen Ausgleich von Unglücksschäden nach dem Prinzip der verteilenden Gerechtigkeit („iustitia distributiva“), soweit sie als Folge bestimmter, sozial gebilligter Gefährdungen durch nicht voll beherrschbare Risiken eintreten (etwa das Produkthaftpflichtgesetz – ProdHaftG, das Straßenverkehrsgesetz – StVG). Dadurch wird eine Einstandspflicht desjenigen geschaffen, der im Allgemeininteresse erlaubte besondere Gefahrenquellen zum eigenen Nutzen eröffnet. Am Unglück trifft niemanden eine besondere Schuld, weshalb sich die Zurechnung einer Schädigung allein nach den Sicherheitserwartungen der beteiligten Verkehrskreise, angemessenen Möglichkeiten der Vorkehrung etc. richten kann.
725
Dieser Gedanke der Einstandspflicht bei Gefährdungstatbeständen als soziale Aufgabe der ausgleichenden Gerechtigkeit wird schließlich über die Gleichstellung von positivem Tun und Unterlassen für die Zurechnung einer Schädigung nach § 823 übertragen. Je umfassender eine Pflicht zur generellen Gefahrenvorbeugung angesonnen wird, desto weiter reicht die Haftung für entsprechendes Unterlassen.
Diesem Ansatz ist immanent, dass die zur Schadenvermeidung notwendigen (richtiger: notwendig gewesenen, aber eben versäumten) Vorkehrungen erst im Rückblick bestimmt werden (können), wodurch weniger der schuldhafte Verstoß gegen eine Verhaltensnorm, als bereits mindere Phantasie[77] „bestraft“ wird (Vorhersehbarkeit ist irrelevant).
726
Solche sog. Verkehrssicherungspflichten bzw. sog. Organisationsverschulden führen zu einer erheblichen Haftungserweiterung, sowohl bei Rechtsträgern von Unternehmen (etwa im Krankenhausbereich), als auch bei deren Leitungspersonal[78] und zwar auch für das Versagen von Mitarbeitern, dem nicht durch objektiv genügende Überwachung, Arbeitsanweisungen oder geeignete Personalschlüssel vorgebeugt worden sei (Verdrängung von § 831 mit dem dort möglichen Entlastungsbeweis). Dazu ausführlich ab Rn. 779.
Zur Bejahung einer Schadenshaftung durch Unterlassen ist dabei sehr sorgfältig die haftungsbegründende Kausalität zu prüfen, ob also die verletzte Vorsorgepflicht gerade vor solchen Folgen oder Entwicklungen schützen sollte, wie sie nun eingetreten sind.
§ 3 Ausgleichsordnung › E. Unerlaubte Handlungen › I. Rechtswidrigkeit und Erfolgsunrecht
I. Rechtswidrigkeit und Erfolgsunrecht
727
Dem Schadensausgleich liegt die Zurechnung eines missbilligten Erfolgs an ein bestimmtes ursächliches Verhalten zugrunde, sofern dieses Verhalten rechtswidrig ist, also gegen ein allgemein geschütztes (und nicht nur wie beim vertraglichen Schadensausgleich vereinbartes) Interesse verstößt. Solcher Schutz von Interessen erfolgt durch Zuteilungsnormen bzw. Verhaltenspflichten. Soweit diese aus absolut geschützten Rechten und Rechtsgütern folgen, führen sie typischerweise zum Unrechtsurteil über ein sie beeinträchtigendes Handeln (Kurzformel: Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit). Das folgt aus ihrer konkreten gesetzlichen Festlegung und wird nur im Einzelfall aufgehoben, wenn andere Rechte kollidieren (sog. Rechtfertigungsgründe). Die Unrechtsindikation ist Ausdruck eines Vorrangs bestimmter Schutzobjekte, den allein natürliche Rechte haben und das im rechtstaatlichen Regelfall auch nur, soweit sie konkret gesetzlich festgelegt sind.[79]
728
Daran fehlt es z.B. für das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (dazu ausführlich Rn. 745), bei dem das Unwerturteil eine Interessenabwägung verlangt. Das gilt auch hinsichtlich der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch Unterlassen (z.B. Organisationsverschulden).[80]
Fehlt die Indikationswirkung des Erfolgsunrechts, gründet sich die Schadenshaftung auf Handlungsunrecht und die Rechtswidrigkeit muss positiv anhand eines konkreten Pflichtenverstoßes festgestellt werden. Diese Pflicht muss sodann wiederum eine objektiv geltende, nicht bloß vertragliche sein (Sozialzweck), zusätzlich auch dem Schutz dieses Klägers dienen (Individualzweck) und zudem gerade die angeblich verabsäumte Maßnahme verlangt haben (haftungsbegründende Kausalität).