Название: Schuldrecht Besonderer Teil I
Автор: Achim Bönninghaus
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811491670
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1. | Kann V von K Zahlung der 200 000 € verlangen? |
2. | Steht V ein Anspruch auf Herausgabe der Satellitenanlage zu? |
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Lösung
A. Anspruch des V gegen K auf Zahlung von 200 000 € aus Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 2
Dem V könnte gegen K ein Anspruch auf Zahlung von zusätzlichen 200 000 € als Restkaufpreis gem. § 433 Abs. 2 zustehen.
I. Anspruchsentstehung
Ein solcher Anspruch setzt den Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages voraus, der den K zur Zahlung von insgesamt 600 000 € verpflichtete.
1. Kaufvertragsschluss
V und K hatten sich zunächst mündlich über den Abschluss eines Kaufvertrages über das Grundstück des V zu einem Preis von 600 000 € geeinigt. Diese Vereinbarung ist nicht dadurch verändert worden, dass beide im Notartermin einen niedrigeren Kaufpreis in Höhe von 400 000 € angegeben hatten. Darin lag für jeden von Ihnen erkennbar (§§ 133, 157) keine verbindlich gemeinte Vertragsänderung. Denn jeder von ihnen musste die niedrigere Angabe im Hinblick auf die zwischen ihnen vereinbarte Täuschungsabrede als nicht verbindlich gemeinte und nur zum Schein abgegebene Erklärung i.S.d. § 117 Abs. 1 ansehen.
Zu prüfen ist, ob einer Einigung entgegensteht, dass die Parteien keine ausdrückliche Regelung über den Verkauf der Satellitenanlage getroffen haben. Ein Dissens über diesen Punkt könnte unter den weiteren Voraussetzungen des § 154 bzw. § 155 einem Vertragsschluss entgegenstehen.[53]
Aus § 311c folgt allerdings, dass sich die Veräußerung einer Sache im Zweifel auch auf dessen Zubehörstücke erstreckt. Wenn es sich bei der Satellitenanlage um ein Zubehör handelt, wäre von einer vollständigen Einigung auszugehen. Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen.
Die Satellitenanlage wäre nach §§ 93, 94 wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und damit kein Zubehör, wenn sie seinerzeit i.S.d. § 94 Abs. 2 „zur Herstellung“ des sich auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes „eingefügt“ wurde. „Zur Herstellung eingefügt“ sind diejenigen Sachen, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht als fertig gestellt anzusehen ist, wobei auch nachträglich im Zuge von Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen vorgenommene Einbauten berücksichtigt werden können.[54]
Bei einer Satellitenanlage zum Empfang besonderer Fernsehkanäle handelt es sich nicht um eine Sache, die notwendige Funktionen des Gebäudes als Wohnhaus erfüllt. Eine solche Anlage mag nützlich sein, aber auch ohne diese Einrichtung kann ein Gebäude als fertig gestellt angesehen werden. Die Satellitenanlage stellt somit keinen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes dar.
Vielmehr diente die Anlage dem Wohnzweck des Gebäudes. Da sie auch in dessen unmittelbarer räumlicher Nähe aufgestellt ist, liegen die Merkmale eines Zubehörs vor.[55]
Die Vermutung des § 311c lässt sich hier nach den Angaben im Sachverhalt nicht widerlegen, da V den K erst nach Vertragsschluss auf die Anlage angesprochen und dort seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, die Anlage nicht an K zu übereignen.
Folglich ist zwischen V und K ein Kaufvertrag über das Hausgrundstück nebst Zubehör mit einer Kaufpreiszahlungspflicht von 600 000 € geschlossen worden.
2. Formwirksamkeit
Der zwischen V und K geschlossene Kaufvertrag könnte aber wegen Formverstoßes nach § 125 S. 1 nichtig sein.
a) Gesetzliches Formgebot
Nach § 311b Abs. 1 bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Das Formgebot erstreckt sich grundsätzlich auf sämtliche Regelungen des Vertrages.[56]
b) Verletzung
Eine Verletzung der vorgeschriebenen Form könnte sich daraus ergeben, dass V und K lediglich einen Kaufvertrag mit einem Kaufpreis in Höhe von 400 000 € notariell beurkunden ließen. Die tatsächlich gewollte Begründung einer Zahlungspflicht in Höhe von 600 000 € ergibt sich aus dem beurkundeten Vertrag also nicht. Diese Falschangabe ist auch nicht nach den Grundsätzen der „falsa demonstratio“-Regel unbeachtlich, weil diese eine unbewusste Falschbezeichnung voraussetzt.[57] V und K haben den Kaufpreis jedoch einvernehmlich und absichtlich niedriger angegeben.
Zwar ist anerkannt, dass inhaltliche Bestandteile eines Rechtsgeschäfts unter Umständen vom Formgebot einer gesetzlichen Formvorschrift ausgenommen sein können. Im Hinblick auf die mit § 311b verfolgte Beweis-, Warn und Beratungsfunktion ist eine solche Ausnahme aber nur dann zuzulassen, wenn es sich um Nebenpunkte handelt, die sich bereits aus dem Gesetz ergeben – wie hier der Verkauf der Satellitenanlage – oder die nach dem Willen der Parteien für das Zustandekommen des Vertrages derart unbedeutend sind, dass sie bei Nichtigkeit gem. § 139 der Wirksamkeit des restlichen Vertrages nicht entgegenstünden.[58] Davon kann aber keine Rede sein, wenn es – wie beim Kaufpreis – um eine vertragliche Hauptleistungspflicht geht.
Wie sich aus § 117 Abs. 2 ergibt, muss der von V und K tatsächlich vereinbarte Kaufvertrag (sog. „dissimuliertes Geschäft“) mit einem Kaufpreis von 600 000 € seinerseits der Formvorschrift des § 311b Abs. 1 gerecht werden. Die Tatsache, dass eine notarielle Beurkundung immerhin stattgefunden hat, ist also unbeachtlich. Umgekehrt führt die Verdeckung als solche nicht automatisch zur Nichtigkeit.
Da der tatsächlich gewollte Vertrag nach dem Sachverhalt nicht in notarieller Form geschlossen wurde, kann sich seine Wirksamkeit nur aus einer Heilung des Formverstoßes gem. § 311b Abs. 1 S. 2 ergeben.
c) Heilung
Die zur Heilung nach § 311b Abs. 1 S. 2 erforderliche Auflassung und Eintragung des K im Grundbuch sind nach dem Sachverhalt erfolgt. Der Kaufvertrag ist damit seinem ganzen Inhalt nach wirksam geworden, da sich die Heilung auf sämtliche Vereinbarungen des geheilten Vertrages erstreckt.[59]
3. Nichtigkeit nach § 134 oder § 138 Abs. 1
Eine Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen Vorbereitung einer nach § 370 AO strafbaren Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe dazu, könnte sich aus § 134 oder § 138 Abs. 1 ergeben. Beide Parteien waren sich einig, den Kaufpreis vor dem Notar geringer anzugeben, um damit später eine im Verhältnis zur tatsächlichen Steuerschuld niedrigere Festsetzung der zu zahlenden Steuerbeträge zu erreichen. Ob die Vorbereitung eines Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz schon von § 134 erfasst wird oder ob nicht § 138 Abs. 1 der Vorzug zu geben ist, kann hier jedoch unentschieden bleiben. Denn die Nichtigkeit erfasst nicht den Kaufvertrag als solchen, sondern die von ihm zu trennende Abrede, den Kaufpreis vor dem Notar geringer anzugeben.[60] Der Kaufvertrag selber war nicht auf die Steuerhinterziehung gerichtet, sondern „neutral“ auf die Verpflichtung, das Grundstück gegen Zahlung des tatsächlich vereinbarten Kaufpreises an K zu übereignen und zu übergeben. Eine СКАЧАТЬ