Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik. Michael Bohnet
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Название: Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik

Автор: Michael Bohnet

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

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isbn: 9783846351383

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СКАЧАТЬ im Foyer der Villa Hammerschmidt ein großer Tisch mit zwei Exemplaren des zu unterzeichnenden Dokuments samt Füllern.

      Nach einiger Zeit spannungsvollen Wartens öffnete sich ein Vorhang vor der Tür zu den Innenräumen und drei Personen kamen ins Foyer, Bundesminister ScheelScheel, Walter, Sargent ShriverShriver, Sargent, der Chef des USPeace Corps und in gelbem Sommerkleid seine Frau EuniceShriver, Eunice, eine Schwester John F. KennedysKennedy, John F., die diesen bei seinem damaligen Deutschlandbesuch begleiteten. Nun trat Präsident KennedyKennedy, John F. von hinten aus dem Inneren der Villa hinzu, flankiert von Bundespräsident Heinrich LübkeLübke, Heinrich und Bundeskanzler Konrad AdenauerAdenauer, Konrad und die Urkunde zur Gründung des Deutschen EntwicklungsdienstesDeutscher Entwicklungsdienst wurde unterzeichnet. Danach zogen sich die Hauptpersonen zusammen mit Bundesminister Scheel wieder zum Gespräch in die Innenräume des Bundespräsidialamts zurück, und wir verließen nach und nach die Villa. Sekt für alle, das gab es damals noch nicht.

      Die Mitglieder unserer Gruppe waren zusammen mit anderen jungen, engagierten Menschen zu dieser Unterzeichnung als jugendliche Zeugen und potenzielle Entwicklungshelfer eingeladen worden, weil wir mit etwa 40 Personen, vorwiegend Studentinnen und Studenten, im April/Mai 1963 ein Praktikum bei Entwicklungsinitiativen in Sizilien absolviert hatten. Sizilien galt als Entwicklungsregion in Europa.

      4 Entwicklungspolitik unter erschwerten innenpolitischen Bedingungen

      Minister: Hans-Jürgen WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen (1966–1968)

Hans-Jürgen Wischnewski * 1922 †2005

      ❋ Beschreibung und Wertung

      Ende 1966 wurde eine Große Koalitiongroße Koalition von CDU und SPD gebildet und Hans-Jürgen WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen (SPD) wurde Entwicklungsminister. WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen schien als Entwicklungsminister besonders prädestiniert, da er durch seine frühe Unterstützung der algerischen Befreiungsbewegung im Kampf gegen die Kolonialmacht Frankreich 1954 und die Jahre danach ein wachsendes Netzwerk in arabischen Staaten aufgebaut hatte, das geeignet war, ihm als Entwicklungsminister in Asien, Afrika und Lateinamerika Türen zu öffnen.1 Als zentrales Motiv für sein Engagement gab WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen deshalb das Selbstbestimmungsrecht der VölkerSelbstbestimmungsrecht der Völker an, dem für ihn, sicherlich auch vor dem Hintergrund der deutschen Frage, also der historischen Situation der deutschen Zweistaatlichkeit, ein besonderer Stellenwert zukam: „Zu meinen Überlegungen gehörte, dass man nur dann glaubwürdig für das Selbstbestimmungsrecht des eigenen Volkes eintreten kann, wenn man auch das der anderen Völker ernst nimmt und sich dafür aktiv engagiert. Dieses Selbstbestimmungsrecht war für mich ein unverzichtbarer Bestandteil des Völkerrechts und der internationalen Zusammenarbeit.“2

      Die Große Koalition insgesamt war von mehreren Rahmenbedingungen geprägt, die für eine aktive Entwicklungspolitik zunächst ungünstig erschienen. Als erstes galt zu Beginn immer noch offiziell die HallsteinDoktrin als verbindlich. Sie wurde jedoch unter WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen schrittweise gelockert.3 Eine weitere ungünstige Rahmenbedingung stellte der Umstand dar, dass die Große Koalition zu einer Zeit in die Regierungsverantwortung kam, als die erste große Wirtschaftskrise nach dem Krieg das Wirtschaftswunderland Bundesrepublik erschütterte. Der Konjunktureinbruch zwischen Herbst 1966 und Sommer 1967 führte dazu, dass das Bruttosozialprodukt 1967 das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik sank.4 Die Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland hat deshalb während der Großen Koalition – aufgrund der internen ökonomischen Schwierigkeiten – auch der Exportförderungspolitik und der Arbeitsmarktpolitik gedient.5

      Schwerpunktländer deutscher Entwicklungszusammenarbeit waren die Türkei, Iran, Afghanistan, Indien und Indonesien. Daneben begann die Unterstützung der unabhängig gewordenen afrikanischen Staaten. Ein wichtiger thematischer Akzent der Entwicklungszusammenarbeit war die Förderung der gewerblichen Berufsausbildunggewerbliche Berufsausbildung.

      Im Jahre 1967 wurde erstmals der Versuch gemacht, in der Öffentlichkeit Vorurteile gegen die Entwicklungspolitik abzubauen. Dabei wurde bei den Informationskampagnen auf Einfachheit und Verständlichkeit großer Wert gelegt. Zielgruppen waren in erster Linie sog. „einfache Bevölkerungsschichten“6, da dort nach Ergebnissen von Meinungsumfragen die stärksten Vorbehalte gegen die Entwicklungshilfe bestanden. WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen ließ sogar eine Schallplatte für die EntwicklungshilfeSchallplatte für die Entwicklungshilfe anfertigen.7 Im Auftrage des BMZ verfasste der RuhrBarde Jürgen von Mangervon Manger, Jürgen („Herr Tegtmeier“) einen werbenden Schallplattentext, dem folgender Auszug entnommen ist: „Der Betriebsrat is inne Ohren gekommen, dass es einige von uns gibt, die noch nicht richtig aufgeklärt sind mitte Entwicklungshilfe. […] Ich habe die Tage mal persönlich mit dem Minister gesprochen, […] der Herr WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen, der muss dat ja schließlich wissen der Mann und der sagt: Es wär doch ein Blödsinn, wenn es immer heißt, dat wir die ganzen Entwicklungsmillionen nur verschenken täten! Nix! Die Herrschaften kriegen die Mäuse nur geborgt und müssense jeden einzigen Pfennig wieder zurückzahlen mit Zins und Zinseszins mit bei, da wären die in Bonn ganz pingelig für. […] Also bitte schön: dat wissen die meisten nich, dass dieses Geld, wat die sich ausleihen, wenn se so mit ihren schwatten Aktentaschen in Bonn angewackelt kommen: Dat dürfen die überhaupt nicht zu Hause nehmen, sondern müssense hier in Deutschland gleich irgendwelche Traktoren oder auch schon mal Kunstdünger für kaufen, damit dieser Dünger dann gleich die deutsche Industrie wieder zugutekommt und wir alle eine schöne Auftragslage, ne, also dass diese ganze Konjunktur nich länger anne Talsohle rumknabbern muss, sondern die Wirtschaft schön am laufen hält.“8

      Später erkannte WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen jedoch, dass die Politik, die Entwicklungshilfe als Instrument der Wirtschaftspolitik einzusetzen, falsch war: „Deshalb habe ich bei meiner Bitte um Verständnis für die deutsche Entwicklungspolitik die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik viel zu stark in den Vordergrund gestellt. Ich glaubte, mit dieser Methode Menschen leichter gewinnen zu können. Doch dieser Weg war falsch. Heute weiß ich, dass die verantwortlichen Politiker in den reichen Industrieländern ihren Bürgerinnen und Bürgern ehrlich sagen müssen, dass wirkliche Opfer gebracht werden müssen, um diese vielleicht größte Aufgabe zu erfüllen. Heute sind sich verantwortungsbewusste Politiker darüber einig, dass die Lösung von drei Weltproblemen über den weiteren Fortbestand dieser Erde entscheidet:

       Die Schaffung und Erhaltung des Friedens in allen Teilen dieser Welt.

       Die Erhaltung und Wiederherstellung von Natur und Umwelt auf dem Lande, im Wasser und in der Luft, in allen Regionen der Erde.

       Der Abbau des nahezu unmenschlichen Gefälles zwischen den reichen Ländern im Norden und den armen Ländern im Süden unserer Welt.“9

      WischnewskiWischnewski, Hans-Jürgen erkannte früh die Bedeutung des BevölkerungswachstumBevölkerungswachstums. So schrieb er 1968:

      „Vom Jahr 2000 trennen die Menschheit nur noch 32 Jahre. In diesem kurzen Zeitraum wird sich die Bevölkerung der Erde von heute 3,4 Mrd. Menschen auf mehr als 6 Mrd. verdoppeln.“10 Deshalb hatte sich das BMZ entschlossen, Programme der Bevölkerungspolitik in Entwicklungsländern zu unterstützen. „Der besonderen Verantwortung, die bei jeder Mitwirkung an bevölkerungspolitischen Programmen übernommen wird, sind wir uns ebenso bewusst, wie der Problematik solcher Programme: Missbräuche und negative Nebenwirkungen bei Maßnahmen der Familienplanung können nur vermieden werden, wenn die Programme in eine fundierte Bevölkerungspolitik eingebettet werden, die auf breiten soziologischen und ethnologischen СКАЧАТЬ