Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik. Michael Bohnet
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Название: Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik

Автор: Michael Bohnet

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

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isbn: 9783846351383

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СКАЧАТЬ Walter. Anekdoten zufolge soll ScheelScheel, Walter selbst nicht zuletzt deshalb an einem Amt des Entwicklungshilfeministers gelegen haben, weil er sich ein Ressort wünschte, das ein überschaubares Maß an Aktenarbeit und viele Auslandreisen mit sich brachte.4

      Wenn der damalige Kanzler AdenauerAdenauer, Konrad dem Minister Walter ScheelScheel, Walter, der auf Einrichtung dieses Ministeriums gedrungen hatte, eine „Dorne ohne Rosen“ verhieß5, so lag das vor allem an den Kompetenzüberschneidungen, die die Arbeit des Ministeriums erschwerten.

      Der Aufbau des neuen Hauses selbst begann zunächst im Bundeshausrestaurant. Ehe die Bundestagsadministration ScheelScheel, Walter ein Ministerbüro zur Verfügung stellen konnte, tagte der Ressortchef mit seinen Mitarbeitern an einem Esstisch. Erst nach einigen Wochen konnte man in mehreren Räumen der Amerikanischen Botschaft und anschließend in eine Baracke auf dem Gelände des Finanzministeriums umziehen.6 Das BMZ nahm mit 34 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seine Arbeit auf. Ein eigenständiges Ministerium für Entwicklungsaufgaben – das war ein Novum in ganz Europa. Die Tatsache, dass ScheelScheel, Walter trotz aller widrigen Umstände in kurzer Zeit einen Stab hervorragender Fachleute zusammen bekam, hatte eine Ursache wohl auch in den Aufstiegschancen, die ein neues Ministerium nun einmal zu bieten hat.7

      Bei der bilateralen Hilfe gab es zwei wichtige Stränge: mit der KapitalhilfeKapitalhilfe, meist zinsgünstige Kredite, wurden überwiegend große Infrastruktur und Industrievorhaben finanziert (Häfen, Flughäfen, Straßen, Staudämme, Wasserkraftwerke, Stahlwerke, Düngemittelfabriken, Zementfabriken etc.). Neben dieser Projekthilfe wurden in begründeten Einzelfällen auch Kredite bewilligt, um die Einfuhr dringend benötigter Rohstoffe, Maschinen und Ersatzteile zu finanzieren (Warenhilfe). Bei der Technischen HilfeTechnische Hilfe (Zuschüsse) standen technischgewerbliche Ausbildungsstätten, Mustereinrichtungen und Demonstrationsprojekte im Vordergrund.

      Nach dem Bundeskanzlererlass vom 29. Januar 1962 oblag dem BMZ im Wesentlichen die Koordinierung der Entwicklungshilfepolitik des Bundes. Die fachliche Zuständigkeit für Kapitalhilfe und Technische Hilfe als auch der Vorsitz und die Geschäftsführung der interministeriellen Referentenausschüsse für Kapitalhilfe und Technische Hilfe blieben dem BMWi und dem AA überlassen. Mit der Durchführung der Technischen Hilfe betraute das AA die „Treuarbeit“, die Deutsche Revisions und Treuhand GmbH, die sog. GAWiGAWi. Das Kürzel war vom Vorkriegsnamen der Organisation „GarantieAbwicklungsGesellschaftGarantieAbwicklungsGesellschaft“ übrig geblieben.8 Mit der Durchführung der Kapitalhilfe betraute das BMWi die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Mit anderen Worten: Das BMZ erhielt in summa nur das Recht, über alle Vorgänge auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik informiert zu sein.9

      Die Koordinierungsprobleme bei der Entwicklungshilfe verschärften sich 1962/1963 weiter. Einem Gutachten des BundesrechnungshofBundesrechnungshofs vom Dezember 1963 zufolge war die Entwicklungshilfe schließlich auf 16 Ressorts mit zusammen 231 Referaten in der Ministerialbürokratie verteilt. In den interministeriellen Referentenausschüssen für Kapitalhilfe und Technische Hilfe befanden bis zu 45 Beamte aus bis zu 10 Ministerien über einzelne Projekte.10 Es war die Zeit des sog. „Verwaltungskrieges“, der alle Beteiligte Zeit und Kraft gekostet hat.11

      Auf diese Situation reagierte der Bundeskanzlererlass vom 23. Dezember 1964. Er verbriefte zum ersten Mal die Eigenständigkeit der Entwicklungshilfepolitik.12 Dem BMZ wurde die Zuständigkeit für die Grundsätze und Programme der Entwicklungshilfepolitik sowie die Planung und Durchführung der Technischen ZusammenarbeitZusammenarbeittechnische übertragen, die bisher beim AA lag. Die Zuständigkeit des BMWi für die KapitalhilfeKapitalhilfe und die Verantwortung des AA für alle außenpolitischen Fragen der Entwicklungshilfe blieben unangetastet.13, 14 Walter ScheelScheel, Walter bekannte in der Haushaltsdebatte am 24. Mai 1965: „Nun ich muss sagen, dass bei der Neuregelung von Zuständigkeiten die Umsetzung einer Grundsatzentscheidung in die Praxis ein ungewöhnlich qualvoller Prozess ist. Aber dieser Prozess muss nun einmal durchgestanden werden.“15

      Während seiner Amtszeit (1961–1966) erarbeitete Walter ScheelScheel, Walter die ersten Konturen der deutschen Entwicklungspolitik.

      Vor über 60 Jahren kam der HallsteinDoktrinHallsteindoktrin eine besondere Bedeutung zu. Der HallsteinDoktrin zufolge wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen dritter Staaten mit der DDR von der Bundesrepublik aufgrund ihres Alleinvertretungsanspruches für das gesamte deutsche Volk als unfreundlicher Akt angesehen und in der Regel mit dem Abbruch bzw. der Nichtaufnahme diplomatischer Beziehungen beantwortet. Entwicklungspolitik war ein Instrument zur Durchsetzung der HallsteinDoktrin.16, 17 Man drohte bei der Anerkennung der DDR mit der Einstellung der Entwicklungshilfe. Die Entwicklungshilfe wurde gezielt an Länder vergeben, um die Anerkennung der DDR durch Staaten der Dritten Welt zu verhindern.18 Der Erfolg dieser Politik war, dass außer Kuba und Kambodscha bis 1969 kein Entwicklungsland volle diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahm.19 Die Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik als Mittel der Deutschlandpolitik schlug sich in einer breiten Streuung der Entwicklungshilfe nieder („GießkannenprinzipGießkannenprinzip“)20. ScheelScheel, Walter schrieb dazu: „Der wichtigste Grund für die Ausarbeitung eigener Hilfsprogramme für jedes einzelne Empfängerland ist der, dass die Bundesrepublik, ähnlich wie die USA, nur mit einem sehr viel geringeren Hilfspotenzial gezwungen ist, praktisch alle Entwicklungsländer bei der Durchführung ihres Aufbauprozesses zu unterstützen. Die Bundesrepublik kann sich nicht – wie dies vor allem Frankreich und Großbritannien tun – ausschließlich oder überwiegend auf bestimmte Regionen konzentrieren.“21 Und an anderer Stelle: „Großbritannien arbeitete in den letzten Jahren mit 40 Entwicklungsländern zusammen, Frankreich mit 23, wir jedoch mit 71, im Bereich der Technischen Hilfe sogar mit 90. Die besondere politische Lage unseres Vaterlandes lässt es zunächst geboten erscheinen, möglichst viele Entwicklungsländer zu unterstützen“ und eine entsprechend „weitgestreute Entwicklungspolitik zu betreiben.“22

      Und weiter: „Wir können von den Entwicklungsländern Unterstützung in der Frage der Wiedervereinigung nur erwarten, wenn wir auf ihr eigenes vordringlichstes Interesse – die Förderung ihres wirtschaftlichen Aufstiegs – in dem gebotenen Maße eingehen. Durch Verständnis für die Sorgen der Entwicklungsländer müssen wir um Verständnis für unsere eigenen Probleme werben. Der Ostblock und nicht zuletzt die sowjetische Besatzungszonesowjetische Besatzungszone haben diese Zusammenhänge erkannt und konkurrieren mit uns um Sympathie und politisches Verständnis der Entwicklungsländer. Die sowjetische Besatzungszone ist in 23 Ländern der Dritten Welt mit insgesamt 33 Vertretungen (Generalkonsulate, Konsulate, Handelsvertretungen, Vertretung der Kammer für Außenhandel, der deutschen Notenbank, des Ministeriums für Außenhandel) tätig und versucht, durch steigenden Einsatz personeller und wirtschaftlicher Mittel und Kräfte ihre Anerkennung zu erreichen. Doch die HallsteinDoktrinHallsteindoktrin hat sich als eine Formel erwiesen, deren flexible Anwendung die formale Anerkennung der SBZ durch Entwicklungsländer bisher verhindern konnte.“23

      Neben der Deutschlandpolitik wurde auch das Spannungsfeld zwischen Entwicklungspolitik und Außenwirtschaftspolitik in den 1960er-Jahren intensiv diskutiert.24, 25 ScheelScheel, Walter setzte sich mit Nachdruck für die Berücksichtigung außenwirtschaftlicher Interessen ein: „Es wäre eine fragwürdige Exporthilfe, wenn wir Kapitalhilfe nur deshalb geben würden, damit die deutsche Investitionsgüterindustrie exportieren kann. Es geht vielmehr darum, dass die deutsche Entwicklungspolitik, ohne sie zu einer simplen Exportförderungspolitik zu machen, zu einem Instrument entwickelt wird, das langfristig gesehen einen entscheidenden Beitrag zur Konsolidierung unseres Außenhandels mit der Dritten Welt leisten kann. So gesehen versteht sich Entwicklungspolitik als Basisinvestition für den lebenswichtigen Außenhandel der deutschen Wirtschaft. Durch eine geeignete Kombination von ausgewählten Maßnahmen und durch geschickte Wahl regionaler Schwerpunkte wird es möglich sein, die entwicklungspolitischen Zielsetzungen mit den außenwirtschaftlichen Interessen langfristig so miteinander in Einklang zu bringen, dass beide Seiten, Geber und Nehmer, den größtmöglichen Nutzen ziehen.“26

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