Habermas leicht gemacht. Georg Römpp
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Название: Habermas leicht gemacht

Автор: Georg Römpp

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Leicht gemacht

isbn: 9783846344255

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СКАЧАТЬ auf, aber dieser erfährt nun eine „Rekonstruktion als Konstrukt von Zurechnungsprozessen im Kontext von Selbstbeobachtungen sozialer Systeme.“8

      Nach der systemtheoretischen Soziologie von Niklas Luhmann können wir also soziale Prozesse erklären ohne jeden Rekurs auf Bewusstsein und Sinnzuschreibung durch Akteure. Man könnte das auch noch anders und etwas provozierender formulieren. In einem sozialen System geht es nicht nur nicht um Bewusstsein und nicht um Sinn, es geht auch nicht um Denken. Ein soziales System entsteht durch Kommunikation, d. h. durch die Verknüpfung von kommunikativen Ereignissen mit kommunikativen Ereignissen, die sich als kommunikativ jeweils durch die Reaktion [<<42] darauf erweisen. Ein soziales System zeichnet sich deshalb durch die Selbstreferenz einer ‚operativen Geschlossenheit‘ aus.

      Damit ist etwas ganz Einfaches gemeint: Es schließen sich stets nur Operationen desselben Typs aneinander an, d. h., in einem sozialen System werden nur und ausschließlich kommunikative Ereignisse mit nur und ausschließlich kommunikativen Ereignissen verknüpft. Gerade durch diese ‚Abstraktion‘ erhalten sie sich, da alles das, was wir im alltagssprachlichen Sinne mit Kommunikation verbinden, wie etwa Dinge, über die wir kommunizieren, Körper, mit denen wir etwa durch Sprechen oder durch Gesten Kommunikationsereignisse produzieren, Gedanken, die wir im Kommunizieren zum Ausdruck bringen, oder auch Menschen, mit denen wir kommunizieren, nicht zum sozialen System gehören soll, sondern zu seiner Umwelt.

      Das soll nicht heißen, dass nach Luhmann Kommunikationen sich nicht auf Gesprächsgegenstände, Gedanken oder Wahrnehmungen beziehen können. Aber damit wird die durch Kommunikation im Luhmann’schen Sinne erreichte operative Geschlossenheit durchbrochen. Es geschieht also eine Fremdreferenz in jenem in sich geschlossenen System, in dem kommunikative Ereignisse mit anderen kommunikativen Ereignissen verbunden werden, indem sie als solche aufgefasst werden. Aber, und das ist die Pointe dieser Konzeption, mit der sie sich strikt von Habermas’ Verständnis des Sozialen unterscheidet, die Gedanken etwa, auf die in der Kommunikation eine Fremdreferenz stattfindet, gehören nicht in den Zusammenhang des sozialen Systems, das ausschließlich durch Kommunikation zustande kommt. ‚Operative Geschlossenheit‘ bedeutet an dieser Stelle, dass Gedanken sich nur an Gedanken anschließen können, nicht aber an kommunikative Ereignisse. Das bedeutet schließlich, dass Gedanken sich nur im Bewusstsein aneinander anschließen, nicht aber in der Kommunikation. Die Letztere kann darauf nur im Sinne einer Fremdreferenz Bezug nehmen, und dieser Bezug ist für das Verbinden kommunikativer Ereignisse nicht notwendig, mit dem soziale Systeme existieren und sich entwickeln.

      Ein soziales System kann also in der Soziologie untersucht werden, ohne dass dabei an irgendeiner Stelle von Bewusstsein oder von Subjektivität oder von Sinn die Rede sein müsste. Es muss auch nicht Bezug genommen werden auf das, was Subjekte gemeint haben. Deshalb kann man mit Recht sagen, dass in einem sozialen System gemäß der Konzeption der Systemtheorie von Niklas Luhmann nicht gedacht wird. Aber umgekehrt kann ein Bewusstsein auch nicht kommunizieren, sondern nur denken, d. h. Gedanken an Gedanken anschließen, wenn sie nicht in den Anschluss von Kommunikationen an Kommunikationen eingehen, der als soziales System betrachtet wird.

      Das bedeutet jedoch nicht, dass in dieser Theorie der Begriff Sinn überhaupt nicht vorkommt, der, wie schon ausgeführt, für die ‚traditionelle‘ Soziologie als Wissenschaft [<<43] vom sozialen Handeln aufgrund seiner Bedeutung für den Begriff des Handelns unverzichtbar war. Aber ‚Sinn‘ bezieht sich hier nicht auf ein Verhältnis eines Bewusstseins zu seinen Handlungsentwürfen, die eben dadurch zu seinen werden, dass es ein Verhältnis zu sich selbst unterhält. ‚Sinn‘ ist vielmehr eine Art und Weise, wie Systeme die systemintern verfügbare Komplexität verarbeiten können.

      ‚Komplexität‘ bedeutet im Grunde den einfachen Sachverhalt, dass sich einem System mehr Möglichkeiten bieten, als realisiert werden können, d. h., es könnte mehr Zustände annehmen, als mit seiner Identität vereinbar wären, d. h., es gibt mehr operative Verknüpfungen, als mit seiner Identität vereinbar sind. Deshalb muss es ‚Komplexität reduzieren‘ – man könnte auch sagen: Es besteht nur in diesem Vorgang. Es ist überhaupt nur ein System, weil in ihm weniger möglich ist als außer ihm: Wer zur Schule geht oder einem Parlament angehört, muss die Grenzen zwischen ‚Schule‘ bzw. ‚Parlament‘ und deren Umwelt kennen, weil er jenseits von Schule oder Parlament anders handeln und reden kann als in diesen Systemen.

      Durch ‚Sinn‘ sorgt ein System jedoch nun dafür, dass die ausgeschlossenen Möglichkeiten nicht endgültig eliminiert werden, sondern immer noch zur Verfügung stehen, aber ohne dass sie die Systemidentität gefährden würden. Es bleibt möglich, außerschulische bzw. außerparlamentarische Handlungsweisen einzubringen, allerdings nicht unbegrenzt und nicht ohne Risiko. Wichtig ist dabei jedoch, dass dieser Begriff von Sinn nichts mehr mit jenem ‚subjektiven Sinn‘ zu tun hat, der nach Max Weber und der an ihn anschließenden Soziologie das Handeln und dann das soziale Handeln konstituiert.

      Wie stellt sich das Verhältnis von Handeln und Kommunikation auf der Grundlage dieser Konzeption des Sozialen dar? Es ist zunächst deutlich geworden, dass eine Kommunikation nicht auf eine Handlung eines Akteurs zurückgehen kann, d. h., ihr Zustandekommen ist unabhängig von dem ‚subjektiven Sinn‘, den ein Akteur damit verbindet. Aber sie kann auch nicht auf soziales Handeln zurückgeführt werden, in dem zwei Akteure wechselseitig aufeinander bezogen handeln. Das geht darauf zurück, dass Verstehen nun als passiver Vorgang verstanden wird. Natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit, was sich schon daran zeigt, dass verschiedene Menschen auf die gleiche Äußerung ganz verschieden reagieren können. Der Verstehende konstruiert also auch, aber dieses Konstruieren muss gerade im Verstehen ausgeblendet werden, denn nur dann, wenn er sein Verstehen nicht als eigenes Konstruieren auffasst, kann er kommunikativ an die Kommunikation des anderen anschließen, wodurch erst Kommunikation zustande kommt. Erst dann können wir in Luhmanns Systemtheorie von einem sozialen System sprechen. Das schließt allerdings prinzipiell nicht aus, dass Verstehen auch als Handlung aufgefasst werden kann, dies jedoch erst dann, wenn in [<<44] der Kommunikation Hemmungen auftauchen, die eine explizite Interpretation als Verdeutlichen des Gemeinten erfordern. Das ist jedoch nicht die ‚normale‘ Leistung in der Kommunikation.

      2.1.4 Soziologie als Wissenschaft vom Handeln

      Nach dieser kurzen Skizze der radikalen Gegenposition zu den Themen Handeln und Kommunikation kommen wir wieder auf die soziologische Ausgangsposition zurück, die für Habermas wie für die meisten theoretischen Soziologen im Zusammenhang mit dem Begriff des Handelns leitend geworden ist. Es dürfte deutlich geworden sein, dass und warum Habermas sich ausführlich mit der Luhmann’schen Systemtheorie auseinandersetzen musste. Die Darstellung dieser Auseinandersetzung wäre geradezu eine alternative Möglichkeit für eine Darstellung der Habermas’schen Grundgedanken.

      Auch für eine an Max Weber anschließende Soziologie kann aber die bisher gegebene Charakterisierung von Handeln noch nicht ausreichen. Es fehlen noch zwei Auszeichnungen, um von einer Wissenschaft vom Handeln sprechen zu können. Zum einen ist ihr Thema traditionell nicht das Handeln als solches, sondern eine spezielle Form von Handeln bzw. eine besondere Art von Handlungen. Soziales Handeln und soziale Handlungen unterscheiden sich – wieder nach Max Weber – von anderen Handlungen durch den sinnhaften Bezug auf das Verhalten anderer Menschen:

      Soweit wird allerdings nur ein Kriterium hinzugefügt, um soziales Handeln als eine besondere Klasse des Handelns auszuzeichnen.

      Aber auch damit kommen wir mit der bis jetzt dargestellten Unterscheidung von Handeln und Verhalten noch lange nicht zu einer Wissenschaft, die wir als Soziologie bezeichnen können. Das hat natürlich damit zu tun, dass wir dann von einer Wissenschaft sprechen, obwohl wir bisher nur von dem Vorgang gesprochen СКАЧАТЬ