Habermas leicht gemacht. Georg Römpp
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Название: Habermas leicht gemacht

Автор: Georg Römpp

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Leicht gemacht

isbn: 9783846344255

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СКАЧАТЬ einer Reflexion änderte sich auch dann nicht grundsätzlich, als Ende des 19. Und dann mehr und mehr im 20. Jahrhundert grundsätzliche Probleme mit dem Ansatz beim Wissen von sich selbst, also beim Bewusstsein und Selbstbewusstsein, unabweisbar wurden. Die Reflexion der Philosophie verwandelte sich von einem Zurückkommen auf das Bewusstsein in ein Zurückkommen auf die Sprache, in der wir denken, Begriffe bilden und erkennen. Die wichtigsten Grundlagen dafür wurden von Nietzsche, Wittgenstein und dann in der analytischen und postanalytischen Philosophie gelegt, und eine neue Blüte erlebte dieser Ansatz bei Willard Van Orman Quine und Donald Davidson. Auch dabei ging es nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung der Sprache, wie das eine empirische Sprachwissenschaft zu ihrer Aufgabe machen könnte. Philosophisch [<<32] bedeutsam wurde dieses ‚linguistische‘ Paradigma, das das bewusstseinstheoretische Paradigma abzulösen begann, weil es sich durchaus an die gleiche Grundbewegung der neueren Philosophie in einer Reflexion auf das Denken, das Bilden von Begriffen und das Erkennen anschließen ließ, die schon für die Bewusstseinsphilosophie von fundamentaler Bedeutung war, nur dass die Reflexion nur die Sprache zu ihrem Ziel hatte und nicht mehr das Bewusstsein bzw. das Selbstbewusstsein.

      Diese Veränderung änderte deshalb aber nichts daran, dass auch die Soziologie weiter einen dem philosophischen Denken grundlegend fremden Ansatz innerhalb des Erkennens darstellte, nämlich ein nichtreflexives Erkennen der (sozialen) Welt und kein Erkennen des Erkennens. Die Unterscheidung zwischen der Philosophie als dem Bereich der ‚intentio obliqua‘ und den Wissenschaften als einem Erkennen nach der Art der ‚intentio recta‘ wurde in der empirischen Wirklichkeit des Denkens sehr oft nicht in reiner Form durchgeführt. Philosophen mischten sich in die wissenschaftliche Theoriebildung ein, indem sie Grundbegriffe kritisierten oder meinten, diese müssten eigentlich ganz anders sein, und Wissenschaftler vor allem aus den Humanwissenschaften glaubten gerne, es sowieso viel besser zu wissen als die in der Wissenschaft etwas zurückgebliebenen Philosophen.

      Aber solche Vermischungen der beiden Denkansätze ließen sich doch in den meisten Fällen auf Missverständnisse zurückführen. In anderen Fällen untersuchten Philosophen einfach Fragen, die von den Wissenschaften vernachlässigt wurden, oder sie versuchten vor allem im Bereich der Ethik herauszufinden, welche Regeln innerhalb der gemeinsamen Traditionen und Sprachspiele einer Kultur anschlussfähig für die meisten Menschen sein könnten, so dass sie ihnen so weit zustimmungsfähig erscheinen, dass darauf politische Entscheidungen gegründet werden können, die in einem Staat auch unter Androhung von Zwang gelten sollen, auch wenn ihnen nicht alle Menschen aus freiem Willen folgen möchten.

      Nun könnte es scheinen, als müsste das Verbinden von Soziologie und Philosophie, wie es für das Denken von Jürgen Habermas charakteristisch ist, als Anachronismus gelten oder einfach als das zufällige Zusammen-Vorkommen von zwei ganz verschiedenen Denkrichtungen, wie es für einen Menschen, der über eine immense Rezeptionsbegabung verfügt, nicht ungewöhnlich ist. Aber ein solch biographisches, personales oder auch bei Vorstellungen von der speziellen Gehirnstruktur unseres Autors ansetzendes Verständnis der ‚Doppelstruktur‘ von Soziologie und Philosophie in dessen Denken würde doch zu kurz greifen. In der Tat steht im Denken von Habermas ein Begriff im Mittelpunkt, der sowohl der Soziologie als auch von alters her der Philosophie angehört. Das allerdings wäre noch kein sachlicher Grund, denn obwohl etwa der Begriff des Atoms bereits in der antiken Naturphilosophie vorkam, so würde doch [<<33] niemand daraus schließen, die moderne Atomphysik müsse einen inneren Zusammenhang mit der reflektierenden Philosophie aufweisen. Aber es gibt einen Begriff, bei dem sich eine Aufteilung in Wissenschaft (Soziologie) und Philosophie nicht so einfach durchführen lässt. Genau bei diesem Begriff zeigt sich, warum Habermas beanspruchen kann, Soziologe und Philosoph sein zu müssen.

      Dass eine säuberliche Unterscheidung in einen soziologisch-wissenschaftlichen und einen philosophischen Begriff in einem bestimmten Fall nicht machbar ist, dies beruht allerdings bereits auf einem zentralen Gedankengang von Habermas. Dieser Fall wird mit dem Begriff des Handelns bezeichnet, der nach Habermas so sehr ein philosophischer Begriff ist, dass ihn die Soziologie dann nicht als einen Begriff zur Beschreibung der Welt – bzw. der sozialen Welt als eines Ausschnitts daraus – verwenden kann, wenn sie ihn von genuin philosophischen Konnotationen befreit einzusetzen versucht. Nun könnte man dagegen sofort darauf hinweisen, dass die Soziologie doch mit empirischen Mitteln – wie der Beobachtung und dem Experiment als kontrollierter Beobachtung – menschliches Handeln ebenso wie Handeln zwischen Menschen beschreiben, klassifizieren und gesetzesförmige Regelmäßigkeiten in Form von Theorien auffinden kann. Habermas würde dem nicht widersprechen. Sein Einwand würde jedoch lauten, dass die Soziologie es in diesem Fall nicht mit Handeln zu tun hat, sondern mit Fällen von Verhalten als Ereignissen in der Welt, die sich nicht prinzipiell von dem Phänomen unterscheiden, dass sich Massen (bzw. Massenpunkte) wechselseitig anziehen proportional zum Produkt der beiden Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes voneinander, wie wir es unter dem Titel ‚Newton’sches Gravitationsgesetz‘ in der Schule gelernt haben.

      Natürlich kann man solche Beschreibungen vornehmen. Aber man muss sich bewusst sein, was man damit tut. Man lässt etwa außer Acht, was menschliches Handeln von Verhalten unterscheidet. Diese Unterscheidung wurde in der Geschichte des Denkens immer wieder dafür herangezogen, einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Menschen und allem anderen – tierischen und pflanzlichen – Leben zu markieren. Es handelt sich um eine Unterscheidung, mit deren Hilfe das zum Ausdruck gebracht wurde, was den Menschen ausmacht. Habermas schließt sich hier an einen der ältesten Begriffe an, mit denen Menschen in ihrem Selbstverständnis sich von der unbelebten Welt und ebenso von der lebendigen Welt der Pflanzen und Tiere unterschieden haben. Deshalb beansprucht er, dass Denken über die Welt und Denken des Denkens – Wissenschaft und Reflexion (Philosophie) – zusammenkommen müssen, soll das Phänomen ‚Handeln‘ nicht aus dem Bereich des Erkennens ausgeschlossen werden. [<<34]

      2.1.2 Handeln als Grundbegriff der Soziologie: Max Weber

      Vollständig neu ist eine solche Sichtweise keineswegs. Dies gilt für die Philosophie, auf die wir noch näher eingehen (Kapitel 2.2), aber auch für die Soziologie dort, wo sie mit einer Reflexion ihrer eigenen Grundlagen beschäftigt war. Es wird sich allerdings noch zeigen, dass Habermas dieses Verhältnis in Bezug auf das Phänomen des Handelns auf eine durchaus neue Weise denken wird. Beschränken wir uns aber zunächst auf die Soziologie. In der auf Max Weber aufbauenden und an ihn anschließenden Soziologie gilt die Soziologie als die Wissenschaft vom ‚sozialen Handeln‘, weshalb Handeln als der Grundbegriff der Soziologie erscheint. Alle anderen Phänomene, mit denen sich diese Wissenschaft beschäftigt, lassen sich von diesem Begriff her bestimmen, d. h., sie werden als besondere Formen des Handelns aufgefasst. Das ist von solchen Richtungen her nicht unmittelbar einsichtig, die ‚Gesellschaft‘ oder ‚soziale Systeme‘ bzw. ‚Institutionen‘ als Grundbegriffe der Sozialwissenschaften auszeichnen möchten. Max Weber hatte jedoch zwei Gründe für die Wahl von Handlungen als Ausgangspunkt der soziologischen Analysen.

      Zum einen sind Handlungen besser zu identifizieren als etwa ‚Gesellschaften‘, m. a. W.: Jeder ist aus seiner Alltagswelt mit dem vertraut, was wir als ‚Handlungen‘ bezeichnen. Wir können uns also darauf verlassen, dass wir das, was damit gemeint ist, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven ohne große Probleme identifizieren können. Unser Alltagsleben hat ständig mit Handlungen zu tun, seien es die eigenen oder diejenigen anderer Menschen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Man könnte dies auch so ausdrücken: Handlungen sind intersubjektiv leicht festzustellen, und damit haben wir so etwas wie eine objektive Beschreibbarkeit solcher Phänomene, auf die wissenschaftlich aufgebaut werden kann. Daraus ergibt sich, dass es die Aufgabe der Soziologie nach Max Weber ist, Handlungen nach ihren allgemeinen Zügen zu beschreiben und sie von solchen Ereignissen im menschlichen Leben abzugrenzen, die wir nicht als Handlungen auffassen können.

      Zum Zweiten sind soziale Phänomene nach Max Weber auf verschiedene Weisen Formen von Handlungen von Menschen, in denen sie sich aufeinander СКАЧАТЬ