Habermas leicht gemacht. Georg Römpp
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Название: Habermas leicht gemacht

Автор: Georg Römpp

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Leicht gemacht

isbn: 9783846344255

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СКАЧАТЬ wichtig. Ein solches Entscheiden liegt dann vor, wenn wir mit ‚Überlegung‘ nach solchen Dingen ‚streben‘, die auch tatsächlich in unserer Macht stehen (Nikomachische Ethik 1113a9ff.). Es geht um ein ‚Streben‘ bzw. ‚Erstreben‘ in der Wirklichkeit des Lebens, nicht um Phantasien und nicht um bloßes Wünschen, das nicht zu der Bemühung um Realisierung in der wirklichen Welt führt. Deshalb wird auch das ‚realistische‘ Streben in die Definition aufgenommen – würden wir nach etwas streben, das nicht in unserer Macht steht, so bliebe es bei einem bloßen Wünschen. Auch hier gewinnt das Wissen seine Bedeutung für das Vorliegen einer Handlung, die als ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ (richtig oder falsch) bezeichnet werden kann. Darüber hinaus ist offenbar die Motivation entscheidend für die Frage, ob wir es mit praxis oder mit poiesis zu tun haben. Tun wir etwas um externer Güter willen, so kann eine Handlung, die ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ sein kann, nicht vorliegen, sie muss also aus intrinsischen Gründen vorgenommen werden. Die Bedingung (c) verlangt, dass eine stabile Handlungstendenz in einem Menschen vorliegen muss, um sagen zu können, dass er tugendhaft handelt.

      Die Schwierigkeit des aristotelischen Begriffes der praxis liegt darin, dass er nicht sehr präzis ist. Er ist weitgehend durch die Abgrenzung von der theoria einerseits und von der poiesis andererseits charakterisiert und lässt schon deshalb viele Fragen offen, die für die spätere philosophische Fragestellung bezüglich des Handelns und seiner Bedeutung für das menschliche Selbstverständnis wichtig geworden sind. Nichtsdestoweniger hat dieser Begriff doch entscheidende Weichen für die Auffassung eines besonderen Bereichs im menschlichen Verhalten gestellt, der sich vom einfachen Verhalten dadurch unterscheidet, dass er sich auf einen Raum des Möglichen und [<<52] Veränderlichen bezieht und dass er nicht – oder zumindest nicht vollständig – durch den damit unmittelbar angestrebten Zweck bestimmt wird, sondern das Ziel hier in der Tätigkeit selbst enthalten ist, so dass das Handeln dem Freiheitsbereich des Menschen zugeordnet werden kann. Ein solches Handeln ist also nicht – zumindest nicht vollständig – von seinem Ziel her bestimmt, und es genügt nicht, wenn wir das Ziel kennen und im Verhalten die Anwendung geeigneter Mittel entdeckt haben, um von praxis sprechen zu können.

      Nach der aristotelischen Bestimmung der Handlung verbinden sich in einer Handlung, die der praxis angehört, die menschliche Freiheit, die Fähigkeit, Absichten zu verfolgen, und die Fähigkeit, solche Absichten um des ‚Richtigen‘ willen zu verfolgen (und nicht, um Ziele außerhalb der Handlung zu erreichen). Die Handlung der praxis ist deshalb im Unterschied zu derjenigen der poiesis diejenige, in der sich das zeigt, was den Menschen in seiner wesentlichen Unterscheidung von allen anderen Lebewesen offenbart. Das war für Aristoteles die Fähigkeit, ‚tugendhaft‘ handeln zu können – wir könnten auch sagen: aus freier Entscheidung und orientiert an Regeln, aufgrund derer eine solche Handlung als ‚richtig‘ in einem Sinne bezeichnet werden kann, der über die technische Angemessenheit des Einsatzes von Mitteln für gegebene Zwecke hinausgeht.

      Wer mit der kantischen Ethik vertraut ist, der wird hier schon eine Vordeutung auf deren zentrale Unterscheidung zwischen hypothetischen und kategorischen Urteilen erkennen. Hypothetische Urteile beschreiben die Wenn-dann-Struktur vieler Handlungsanweisungen: Wenn du einen Gegenstand mit einer Schraube befestigen willst, dann solltest du einen Schraubenzieher benutzen. Darin ist keine moralische Regel und kein entsprechendes Urteil enthalten. Ein kategorisches Urteil mit einem Sollen dagegen setzt nicht ein erwünschtes Ziel mit einem geeigneten Mittel in Beziehung, sondern beurteilt das Handeln (bei Kant eigentlich die Willensentscheidung bzw. den Handlungsvorsatz) mithilfe des Prinzips der Verallgemeinerbarkeit (Universalisierbarkeit) nach dem kategorischen Imperativ. Eine solche allgemeine Regel kannte Aristoteles allerdings nicht. In seinem Denken bezieht sich die ‚Richtigkeit‘ eines Handelns in der praxis auf das ‚gute Leben‘, das wir nur in der polis führen können, weshalb die herrschenden Vorstellungen über das ‚Richtige‘ in der polis eine entscheidende Bedeutung für die moralische Beurteilung einer Handlung und damit für ihren praktischen Charakter besitzen.

      In diesem Zusammenhang ist noch ein zentrales Charakteristikum der aristotelischen Handlungskonzeption von Bedeutung. Wir haben schon gesehen, dass für die ‚tugendhafte‘ Handlung, die wir unter der Perspektive ihrer moralischen Richtigkeit und nicht unter der ihrer technischen Erfolgswahrscheinlichkeit beurteilen, auch die Bedingung wichtig ist, dass sie aus einer ‚stabilen Haltung‘ heraus erfolgt, die auf den [<<53] ‚Charakter‘ als die Disposition zu einer bestimmten Handlungsorientierung zurückgeht. In der moralisch relevanten, freiwilligen, bewussten und vorsätzlichen Handlung kommt zum Ausdruck, was bzw. wer der Handelnde ist.

      Das geht auf den Gedanken zurück, dass nur das mit Überlegung geschehende und vernünftige Handeln die Grundsätze und allgemeinen Einstellungen des betreffenden Menschen zum Ausdruck bringt, während ein Handeln im Affekt weniger Beziehung zu dem hat, was ein Mensch ist bzw. zu was er sich gemacht hat. Aus dieser Perspektive sind wir weniger durch das charakterisiert, was wir vor einem vernünftigen Stellungnehmen oder außerhalb eines solchen wollen, sondern mehr durch das, was wir mit Entscheidung, Vorsatz und Überlegung wollen. Darin ist die moralisch relevante Handlung zu finden, mit der wir für uns selbst und in der polis demonstrieren, wer wir sind und wie man uns aufzufassen hat.

      Das bedeutet allerdings keineswegs, dass das Handeln durch den ‚Charakter‘ als die Disposition zu einem bestimmten Handeln erklärt werden soll, was der Freiheit und der Willensentscheidung als Kriterien des moralischen Handelns gerade widersprechen würde. Das Handeln als Demonstration der ‚Persönlichkeit‘ und der ‚stabilen Haltung‘ des Menschen soll keineswegs die Verantwortlichkeit und damit die freiheitliche Grundlage des Handelns ausschließen. Wir können uns hier vielmehr eine Art von Wechselverhältnis vorstellen. Die einzelnen Handlungen des Menschen formen seine weiteren Dispositionen zum Handeln, und diese Dispositionen lenken die Bestimmung seiner Handlungen. Was wir heute als ‚Charakter‘ bezeichnen würden, stellt sich für Aristoteles also dar als etwas, das wir selbst gemacht haben, obwohl wir dabei auch Handlungstendenzen berücksichtigen müssen, über die wir nicht frei verfügen können. Solche Neigungen aber formen wir mit jeder Entscheidung über eine Handlung weiter aus, oder wir korrigieren sie und lenken sie in eine andere Richtung. Der Zusammenhang von Handeln mit Dispositionen zu bestimmten Handlungsweisen soll nach Aristoteles also keineswegs die Freiheit in der Willensentscheidung und damit den Vorsatz beim Handeln ausschließen.

      2.2.2 Handlungen, Ursachen und Gründe

      Wir können die Besonderheit des Handelns unter einer philosophischen Perspektive auf andere Weise noch im Ausgang von der neuzeitlichen Philosophie beginnend mit Hobbes erkennen. Hier geht es grundsätzlich nicht im engeren Sinne um ein moralisches Handeln, mit dem der Mensch sich als wollendes, vernünftig überlegendes und in der polis lebendes Wesen zum Ausdruck bringt. Zunächst erscheint Handeln hier als eine Veränderung in der Welt der Dinge, die sich grundsätzlich wie alles übrige Geschehen [<<54] nach Ursache und Wirkung vollzieht. Lediglich der Ursprung einer solchen Veränderung ist im Falle des Handelns radikal von der Welt der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verschieden, denn er muss in einem Willensakt gesucht werden. Offenbar hält sich die aristotelische Auffassung vom Handeln bis zu einem gewissen Grade auch noch bis in diese radikal veränderte Gedankenwelt durch. Die Frage nach dem Handeln verlagert sich aber nun in die Frage nach dem Willen und seiner Fähigkeit, als Ursache in der Welt auftreten zu können, so dass er Wirkungen in der Außenwelt hervorrufen kann.

      Dieses Problem setzt sich bis in die gegenwärtigen Debatten fort, die im Zusammenhang mit den Fortschritten der Gehirnforschung um Freiheit und neuronale Verursachung geführt werden. Man könnte sogar sagen, das zentrale Problem der ursprünglich in der angelsächsischen analytischen Philosophie ausgearbeiteten ‚Philosophie des Geistes‘ besteht in der Frage nach der ‚mentalen Verursachung‘. Es ist die Frage, ob und wie es zu verstehen ist, dass das Mentale (Geistige, Bewusste) zur Ursache in der physischen Welt werden kann, wenn doch das Denken des Physikalismus der physischen Welt einen durchgehenden Determinismus zuschreibt, so dass nur eine physikalisch beschreibbare Ursache eine Wirkung hervorrufen СКАЧАТЬ