Habermas leicht gemacht. Georg Römpp
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Название: Habermas leicht gemacht

Автор: Georg Römpp

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Leicht gemacht

isbn: 9783846344255

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СКАЧАТЬ dem Habermas den Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse aufklären kann. Auch darauf werden wir noch genau eingehen. Darin besteht für Habermas der einzige Weg, auf dem er eine ‚kritische‘ Wissenschaft treiben kann. Deshalb ist die Theorie der Erkenntnisinteressen im Grunde nicht sehr weit entfernt von der Theorie des kommunikativen Handelns – eigentlich sind wir damit schon mitten in der Letzteren, auch wenn in diesem Kapitel noch einiges im Status von Vorgriffen bleiben musste. [<<27]

      Dieser Zusammenhang ist mit der beim Thema Erkenntnis und Interesse gegebenen Begründung eines emanzipativen Erkenntnisinteresses aus der sprachlichen Verständigung gegeben, mit deren Anfang bereits der Anspruch auf Mündigkeit gesetzt sei. Später wird Habermas das so ausdrücken, dass

      

„die utopische Perspektive von Versöhnung und Freiheit“ schon „in den Bedingungen einer kommunikativen Vergesellschaftung der Individuen angelegt“ ist, anders gesagt: „sie ist in den sprachlichen Reproduktionsmechanismus der Gattung schon eingebaut.“ (TkH1 533)

      Es wird deutlich geworden sein, dass Erkenntnis und Interesse nach Habermas über das verständigungsorientierte Handeln von Menschen, das er auch als ‚kommunikatives Handeln‘ bezeichnet, unauflösbar verbunden sind. Dieser Zusammenhang ist gewissermaßen in die Grundlagen der Erkenntnis in der Verständigung und damit in der Sprache eingebaut. Nun kann man Habermas zwar auch als Sprachphilosophen bezeichnen. Aber in erster Linie beschäftigte ihn doch stets das Thema Handeln, insofern es zusammen mit einer sprachlichen Verständigung zwischen Menschen geschieht. Wenn Handeln mit Sprache verbunden ist, dann ist in ihm auch bereits jener Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse angelegt, auf den Habermas seinen Anspruch aufbaut, eine ‚kritische Theorie‘ entwickeln zu können.

      Mit dem Handeln hat es in der Philosophie und in großen Teilen der soziologischen Theorietradition eine ganz besondere Bewandtnis. Man könnte sogar sagen, dass ‚Handeln‘ der Begriff ist, an dem Philosophie und Sozialwissenschaft als Wissenschaft vom sozialen Handeln aufeinandertreffen oder sogar unauflöslich miteinander verschränkt sind. Es gilt also zunächst diese besondere Bewandtnis zu erhellen, bevor wir uns näher mit Habermas und seiner eigenen Theorie des ‚kommunikativen Handelns‘ beschäftigen. Schon an dieser Stelle sei vorausgeschickt, dass dieses Thema keine Erfindung von Habermas darstellt. Eigentlich ist die Frage nach dem Handeln mehr als 2000 Jahre alt und gehört zu den Ur- und Grundfragen der Philosophie. Darauf werden wir im Kapitel 2.2 genauer eingehen. Daraus wird sicher deutlich werden, warum Habermas gerade zum Philosophen werden musste, um seine Theorie vom ‚kommunikativen Handeln‘ verfolgen zu können.

      Zunächst aber werden wir uns damit beschäftigen, wie sich Handeln in und zwischen Philosophie und Soziologie darstellt, wobei in Kapitel 2.1 die Beziehung von Soziologie und Philosophie und die Annäherung an das Phänomen des Handelns in der theoretischen Soziologie im Vordergrund steht. Daraus wird deutlich werden, wie und warum das Handeln ein philosophisches Thema darstellt, das uns dann etwas [<<28] näher in Kapitel 2.2 beschäftigen wird. Letztlich geht das darauf zurück, dass Handeln ‚irgendetwas‘ mit Vernunft zu tun hat, worüber Habermas ausführlich nähere Auskunft gegeben hat, die wir dann im Kapitel 3 in den Grundzügen darstellen. [<<29]

      1 Habermas’ Werke werden in diesem Buch mithilfe von Abkürzungen (Siglen) zitiert, die im Verzeichnis der Abkürzungen/Siglen auf S. 283. aufgelöst werden. Nach der Abkürzung steht die Seitenzahl. – Sämtliche Zitate wurden der reformierten Rechtschreibung angepasst.

      2 Vernunft und Handeln

      2.1 Handeln: Soziologie und Philosophie

      2.1.1 Denken über die Welt und Denken des Denkens

      Es könnte scheinen, als ließe sich das Werk von Jürgen Habermas in zwei Bereiche unterscheiden, die akademischen Fächern zuzuordnen sind: in soziologische und in philosophische Beiträge. Das könnte dann als ein Denken über zwei verschiedene Themengebiete aufgefasst werden, wenn man die Entwicklung der Philosophie in den vergangenen ca. 300 Jahren – also etwa seit Descartes – als den Weg zu einem von den Wissenschaften sich radikal unterscheidenden Denken interpretiert.

      Dafür spricht insbesondere die Ausbildung der Reflexion als der gedanklichen Grundbewegung der Philosophie. ‚Re-Flexion‘ ist eine Bewegung des ‚Sich-Zurückbeugens‘ oder ‚Zurückkommens‘ von dem Erforschen der gegenständlichen Welt, das für die Wissenschaften kennzeichnend ist, auf das Forschen und das forschende Subjekt selbst. Darin werden keine Begriffe, Gedanken und Einsichten über die Welt der Gegenstände und der Ereignisse entwickelt, sondern Begriffe, Gedanken und Einsichten über eben die Begriffe, Gedanken und Einsichten, mit denen wir Erkenntnisse über die Welt gewinnen, so dass wir in ihr erfolgreich handeln können. Die Philosophie begann von da an, vor allem über das Denken und das darin geschehende Bilden von Begriffen, Theorien und Erkenntnissen zu denken. Das schloss auch ein Denken über Begriffe und ihre Geschichte und darüber hinaus ihre Nützlichkeit ein. Die Tätigkeit, in der wir technisch verwertbare Erkenntnisse über die Welt gewinnen, wurde dagegen mehr und mehr den Wissenschaften überlassen.

      Auch die Soziologie entwickelte sich als eine solche Wissenschaft, nachdem sie sich von dem philosophischen Denken über das richtige Handeln und über das richtige Zusammenleben der Menschen unterschieden und einen empirischen Zugang zu dem, was ist, gewählt hatte – was sich bekanntlich in den meisten Fällen von dem, was sein sollte, beträchtlich unterscheidet. An die Stelle der Frage nach dem, was man mit guten Gründen vorschreiben oder zumindest empfehlen kann, trat nun mithilfe von Wahrnehmungen die Beschreibung des tatsächlichen Lebens in der Gesellschaft und [<<31] eine darauf aufbauende Theoriebildung, die sich durch die Heranziehung empirischer Untersuchungen und Daten ausweisen musste. Als die Philosophie und die Wissenschaften begannen, getrennte Wege zu gehen, entwickelte sich also auch die Soziologie zu einer empirischen Erkenntnis über einen bestimmten Teil der Welt, während die Philosophie mehr und mehr zur ‚Re-Flexion‘ wurde, also auf das Denken, auf Begriffe und auf das Erkennen in den von den Wissenschaften beanspruchten Erkenntnissen zurückzukommen und darüber zu denken begann.

      Die Soziologie gehört also nun einer Art des Erkennens an, die man als ‚intentio recta‘ bezeichnen könnte. Das soll nicht heißen, dass dies eine ‚richtige‘ oder bessere oder aus irgendeinem Grund zu bevorzugende Intention darstellt. Es bedeutet nur, dass sie sich ‚direkt‘ oder ‚geradewegs‘ in Richtung Welt wendet. Das philosophische Denken dagegen könnte man der ‚intentio obliqua‘ zurechnen, d. h. der sich ‚zurückbeugenden‘ Bewegung auf das Denken, seine Begriffe und das damit beanspruchte Erkennen selbst. In der Philosophie begann diese besondere Denkbewegung mit dem, was man heute grob als ‚Bewusstseinsphilosophie‘ bezeichnen könnte. Dieser Weg führte von Descartes über Kant, Hegel, Fichte, Schelling bis hin zu Husserl.

      So verschieden diese Denker auch vorgingen, eine Gewissheit war ihnen doch gemeinsam: Die Philosophie gewinnt das ihr und nur ihr eigene Thema, indem sie das Bewusstsein von sich selbst – das Sich-Wissen – untersucht. Nur in der Erhellung des Zurückkommens des Bewusstseins auf sich selbst findet sie einen Erkenntnisgrund, den sie nicht mit den Wissenschaften teilen muss, die sich nun auf eine letztlich an der sinnlichen Wahrnehmung festgemachte Bildung von Theorien konzentrieren. Diese Tätigkeit können sie nur durch die Berufung auf die Wahrnehmung ausweisen, was immer besser gelang, als sie mithilfe der Methode des Experimentierens die Wahrnehmung immer effektiver und systematischer für die Kontrolle СКАЧАТЬ