Название: Die Ungerächten
Автор: Volker Dützer
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839268742
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Sie berichtete von ihrer Begegnung mit Max Pohl und ihrem Plan, eine eigene Fluglinie zu gründen.
»Glaubst du, dass die Deutschen bald wieder fliegen dürfen?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Nicht in absehbarer Zeit. Die Briten sind nicht begeistert von dieser Vorstellung.«
»Das bedeutet …«
»Das bedeutet, dass du als Zivilangestellte der US-Army mein Vertrauen besitzt.« Er zog ein weiteres Dokument aus der Schreibtischschublade und reichte es ihr. »Ich gestehe, ich habe mich ein bisschen nach dir umgehört. Wie es dir geht, was du so machst. Ein Sergeant der Air Force hat mir von dem crazy girl erzählt, das unbedingt fliegen will. Dies ist … nun … gewissermaßen mein Abschiedsgeschenk. Ich hätte es dir vor meiner Abreise zukommen lassen, aber da du schon mal hier bist, kann ich es dir selbst geben.«
Hannah las das auf Englisch verfasste Schreiben. Es war die offizielle Erlaubnis der amerikanischen Militärführung, im Auftrag der US-Army Kurier- und Frachtflüge im europäischen Raum auszuführen. Ihr Herz machte einen Sprung.
»Oh, Scott. Wie soll ich dir nur danken?«
»Indem du Heyrich findest und der deutschen Staatsanwaltschaft übergibst. Und dann kommst du zu mir nach Boston. Wenn es sein muss, mit diesem fliegenden Koffer, von dem du erzählt hast. In der Akte über Heyrich findest du übrigens die Visitenkarte von Harald Lenz, einem jungen, engagierten Staatsanwalt. Er hat in Braunschweig mit Fritz Bauer zusammengearbeitet. Ich habe bereits mit ihm gesprochen, Lenz wird dein Ansprechpartner sein, falls du Akteneinsicht oder juristische Unterstützung brauchst.«
Sie fiel ihm um den Hals.
»Ich werde dich vermissen, Scott.«
»Ich dich auch. Wir werden uns wiedersehen, ganz gewiss; und wenn ich mit einem Ruderboot den Atlantik überqueren muss, um dich zu holen.«
»Wann wirst du abfliegen?«, fragte Hannah.
»Gleich morgen früh. Und nun geh. Ein Lieutenant der US-Army sollte in der Öffentlichkeit keine Tränen vergießen.«
Die Verkehrsverbindungen waren unzuverlässig und so konnte Hannah am selben Tag nicht mehr zum Flughafen fahren, um Max die gute Nachricht mitzuteilen. In der folgenden Nacht tat sie vor lauter Aufregung kein Auge zu. Sie fieberte dem Morgen entgegen und nahm gegen halb elf die erste Straßenbahn. Zum ersten Mal seit vielen Wochen zeigte sich die Sonne, Hannah nahm es als gutes Omen. Lächelnd versuchte sie, sich das verblüffte Gesicht des griesgrämigen alten Fliegers vorzustellen, wenn sie ihm die Fluglizenz präsentierte, und machte sich auf den Weg zum Hangar.
»Max? Ich habe gute Neuigkeiten!«, rief Hannah. »He, Max, wo steckst du?«
Der Hangar war leer. Sie machte kehrt und lief zum Hauptgebäude des Flughafens. Sie fand Max dort, wo sie ihn vermutet hatte. Er saß am Tresen in der Fliegerklause und starrte gedankenverloren in eine Tasse mit Ersatzkaffee. Seine Augen waren blutunterlaufen, sein bartstoppeliges Gesicht sah grau und schlaff aus. Wahrscheinlich hatte er gestern Abend zu tief ins Glas geschaut. Verärgert setzte sie sich auf den Barhocker neben ihm.
»Ich laufe mir die Hacken ab, um eine Fluglizenz zu besorgen, und du hast nichts Besseres zu tun, als dich zu besaufen. Hast du die Ersatzteile besorgt, die wir brauchen?«
Er stierte sie aus glasigen Augen an. »Wozu? Die Tante wird nie abheben.«
Hannah verdrehte die Augen. Max konnte trotz seiner Versehrung schuften wie ein Ackergaul, aber wenn Schwierigkeiten auftauchten, steckte er zu schnell den Kopf in den Sand. Sie holte die Akte aus ihrer Umhängetasche und präsentierte ihm die Lizenz.
»Was sagst du jetzt?«
Er warf einen kurzen Blick auf das Dokument und zuckte mit den Schultern. »Es ändert nichts.«
Verdrossen zog sie die Augenbrauen zusammen. »Was soll das heißen?«
»Bloch & Pohl bleibt ein Hirngespinst. Das soll es heißen.« Er winkte dem Kellner und bestellte einen Schnaps.
»Was ist passiert?«
»Jemand hat Wind von unserem Plan bekommen. Es gibt Leute, denen es nicht passt, dass wir fliegen. Ich war beim Notar wegen der Gründung der Gesellschaft.«
»Und weiter?«
»Ich darf keine Fluggesellschaft gründen. Ich darf überhaupt kein Unternehmen gründen.«
»Warum nicht?«
Er kratzte sich die Boxernase. »Naja, ich bin da im Krieg in ’ne dumme Sache reingeraten.«
Er griff nach dem Schnapsglas, Hannah zog es ihm fort. So dicht vor dem Ziel durfte die Verwirklichung ihres Traums nicht scheitern.
»Sag endlich, was passiert ist.«
»Nachdem die Nazis meine Maschinen konfisziert hatten, musste ich meinen Laden dichtmachen. Also hab ich mich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet. Sie hätten mich sowieso zum Kriegsdienst eingezogen.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich hab immer vorbeigeschossen, glaub mir, Mädchen. Ich wollte mich nicht zum Mörder machen lassen. Hab ich dir schon erzählt, wie ich …«
»Weiter«, unterbrach ihn Hannah. Sie kannte seine ausschweifende Art inzwischen. Wenn er einen in der Krone hatte, begann er, stundenlang Fliegergarn zu stricken und die tollsten Geschichten aus dem Krieg zu erzählen.
»Im Winter ’44 war ich mit meiner Einheit in Belgien stationiert, Unternehmen ›Wacht am Rhein‹. Wir waren zu fünft und sollten ein Dutzend gefangene GIs bewachen, als wir unter Feuer genommen wurden. Mir hat’s an dem Tag die Hand zerfetzt. Sie haben mich abtransportiert und in einem Gehöft untergebracht, das als Lazarett diente. Später hab ich erfahren, dass meine Kameraden die Gefangenen erschossen haben. Alle haben sie auf den Meissner gehört, dem hatten die Nazis völlig den Kopf verdreht. Jemand hat die alte Geschichte ausgegraben, um uns ein Bein zu stellen. Bevor ich nicht offiziell entnazifiziert bin, habe ich Berufsverbot. Und das ist noch das kleinste Übel. Wenn die Amis glauben, dass ich an der Erschießung beteiligt gewesen bin, geht’s mir an den Kragen.«
Hannah gefror innerlich. »Aber das warst du doch nicht, oder?«, fragte sie mit erstickter Stimme.
Pohl schüttelte entschieden den Kopf. »Nee, Mädchen. Ich hab versucht, mich aus allem Ärger rauszuhalten. Das hätt ich nie und nimmer gemacht.«
»Dann brauchst du doch nur zu beweisen, dass du verwundet wurdest. Deine Kameraden müssen aussagen.«
Pohl winkte dem Kellner. »Die gibt’s nicht mehr. Alle tot.«
»Es muss Unterlagen aus dem Lazarett geben.«
»Da ging es damals drunter und drüber. Ich kann mich nicht mal an den Namen des Arztes erinnern, der mich behandelt hat. Ich sitze in der Tinte.«
Hannah sank auf dem Barhocker zusammen. Es durfte nicht so enden.
»Weißt du denn wenigstens, wer uns reinlegen will? Wie kann überhaupt jemand von unserem Plan wissen?«
Max spielte verlegen mit der Kaffeetasse. »Ich hab’s eben rumerzählt, СКАЧАТЬ