Die Ungerächten. Volker Dützer
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Название: Die Ungerächten

Автор: Volker Dützer

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839268742

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СКАЧАТЬ Narbe. Mitschke hatte die Blutgruppentätowierung entfernen lassen, die ihn als Mitglied der SS verraten hätte.

      Hundegebell zerriss die nächtliche Stille, Pawel erwachte schlagartig aus seinem Blutrausch. Zitternd vor Anstrengung starrte er auf den leblosen Körper. Mitschkes Blut glänzte im Lichtschein wie Öl.

      Das Zimmer drehte sich um Pawel, die Schreie der Häftlinge in Sachsenhausen vermischten sich in seinem Kopf mit dem Kläffen der Hunde vor dem Fenster. Albtraum und Realität ließen sich nicht mehr voneinander trennen. Was, um Gottes willen, hatte er getan? Die Henker hatten ihn selbst zum Mörder gemacht.

      Die Angst kehrte zurück und lähmte ihn. Pawel begann, unkontrolliert zu beben, und schluchzte wie ein Kind, das in einem Wutanfall sein Spielzeug zerbrochen hatte. Er hatte einen Menschen getötet und würde die Konsequenzen tragen müssen, wenn man ihn erwischte. Hastig stopfte er die Geldscheine in seine Manteltaschen und lief um den Schreibtisch herum zum Fenster. Zwischen den Schrottbergen tanzte das Licht einer Taschenlampe. Offenbar beschäftigte Mitschke einen Nachtwächter, der den Schrottplatz bewachte. Das erklärte, warum die Hunde vorhin nicht angeschlagen hatten. Wahrscheinlich hatte der Wächter seine Runde gedreht.

      Pawel flüchtete aus dem Büro und lief durch den Flur zu der Tür zurück, durch die er gekommen war. Vorsichtig schob er sie auf und spähte durch den Spalt.

      »Ist da wer?«, rief eine Männerstimme. Die Hunde antworteten mit aufgeregtem Gebell.

      Der Lichtstrahl huschte über Autowracks und Altmetallstapel. Pawel hetzte über den dunklen Hof und nutzte die turmhohen Schrottberge als Deckung. Irgendwie musste es ihm gelingen, einen Weg durch dieses Labyrinth nach draußen zu finden.

      Bevor er die Hälfte der Strecke zum Bahndamm hinter sich gebracht hatte, erfasste ihn das Licht der Taschenlampe. Unter einer Bogenlampe stand der Blonde mit der Zahnlücke, der sich Mitschke als Gomulka vorgestellt hatte.

      »He! Stehen bleiben!«

      Pawel rannte weiter und sah sich gehetzt um. Gomulka ließ die schwarz-braunen Rottweiler von der Leine. Pawel schlug Haken und lief in einem Bogen zum Haus zurück, er würde niemals rechtzeitig den Zaun erreichen, bevor die Hunde ihn stellten. Es kam zu einem Wettlauf, den er knapp verlor. Die Rottweiler schnitten ihm den Weg ab und kreisten ihn ein. Mit dem Rücken zur Wand der Werkshalle war er ihnen schutzlos ausgeliefert.

      Die Hunde waren noch etwa zehn Meter von ihm entfernt, als sich neben ihm eine Tür öffnete. Jemand packte ihn an der Schulter und zog ihn grob in die Halle. Pawel spürte ein Messer an seiner Kehle.

      »Keinen Mucks oder ich stech dich ab!«, zischte jemand.

      Pawel nickte stumm und rührte sich nicht. Die Hunde kläfften und sprangen enttäuscht außen an der Tür empor. Schritte näherten sich.

      »Lass uns abhauen«, flüsterte eine Frau. »Wir nehmen ihn mit.«

      »Warum? Er hat uns die Tour vermasselt. Wegen diesem Dummkopf hab ich mir die Nacht umsonst um die Ohren geschlagen.«

      »Gomulka hetzt die Hunde auf ihn, wenn er ihn findet.«

      »Na und? Wer so blöd ist und sich erwischen lässt, ist selber schuld.«

      »Er gehört nicht zu Mitschke, also ist er einer von uns, kapiert?«, beharrte die Frau.

      Die Messerspitze entfernte sich von Pawels Kehle.

      »Da… danke«, stotterte er.

      »Freu dich nicht zu früh«, entgegnete der Mann.

      Sie verließen die Lagerhalle durch ein Fenster auf der Rückseite und gelangten auf Umwegen zum Bahndamm. Jemand hatte ein Loch in den Maschendrahtzaun geschnitten, durch das sie ins Freie krochen. Auf dem Fahrweg neben den Gleisen wartete mit laufendem Motor ein Lastwagen. Im Licht der Scheinwerfer sah Pawel zum ersten Mal die Gesichter seiner Retter. Sie waren zu dritt, zwei Männer und eine Frau. Alle waren in seinem Alter und trugen schwarze Hosen und Jacken. Die Frau kletterte als Erste auf die Ladefläche. Nachdem alle Platz gefunden hatten, setzte sich der Laster schaukelnd in Bewegung. Die Männer bedachten Pawel mit finsteren Blicken. Die Frau nahm ihre schwarze Wollmütze ab und schüttelte das lange rotblonde Haar.

      »Was hattest du dort zu suchen?«, fragte sie.

      Pawel suchte nach einer Erklärung, die die drei zufriedenstellen würde. Wie würden sie reagieren, wenn er gestand, Mitschke erschlagen zu haben? Er entschloss sich, die Wahrheit zu sagen.

      »Ich wollte eine alte Rechnung begleichen.«

      »Du kennst Mitschke von früher?«, fragte einer der Männer.

      Pawel nickte stumm. Wer waren diese Leute? Sie hatten ihn vor Gomulka beschützt, also standen sie auf seiner Seite, oder doch nicht?

      »Du bist nicht von hier«, sagte die Frau. »Woher kommst du?«

      »Geboren bin ich in Warschau, aber 1928 zog meine Familie nach Deutschland, da war ich fünf Jahre alt. Aufgewachsen bin ich in Waren an der Müritz. Mein Onkel führte dort einen Kurzwarenhandel, in den mein Vater einstieg«, erklärte Pawel. »Vor dem Krieg konnte man hier noch gut leben. Besser als in Polen jedenfalls.«

      »Bist du Jude?«, fragte einer der Männer.

      Pawel dachte an die Unterhaltung, die er in der Notunterkunft belauscht hatte. Vielleicht brachte es auch für ihn Vorteile mit sich, wenn er sich als Jude ausgab. Der Mann würde nicht danach fragen, wenn er nicht selbst einer wäre.

      »Ja«, antwortete er schnell.

      »Was machen wir mit ihm?«, fragte der andere Mann.

      »Wir verpassen ihm eine Abreibung und schmeißen ihn raus«, sagte der Erste.

      »Ich habe euch nichts getan!«

      »Nichts getan? Wegen dir sind wir fast aufgeflogen und die Sore können wir auch in den Wind schießen.«

      »Durchsucht ihn!«, befahl die Frau.

      Die beiden Männer gehorchten. Sie durchwühlten seine Taschen und fanden das Geld.

      Die Frau pfiff durch die Zähne. »Woher hast du das?«

      »Von Mitschke.«

      »Das hat er dir wohl kaum freiwillig gegeben, oder?«

      »Nein.«

      »Du bist ein komischer Vogel. Wie heißt du?«, fragte die Rothaarige.

      »Pawel.«

      Der Laster rumpelte durch ein Schlagloch. Die Frau fluchte und schlug mit der flachen Hand gegen die Rückwand des Fahrerhauses.

      »Soso, Pawel aus Warschau«, sagte sie dann. »Ein polnischer Jude, der eine Rechnung mit einem SS-Schwein offen hat.«

      Die beiden Männer schienen sich zu entspannen. Hatten sie ihn als einen der Ihren akzeptiert?

      »Ihr glaubt mir nicht.«

      Sie sahen ihn schweigend an.

      »Vielleicht überzeugt euch das hier.«

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