Die Ungerächten. Volker Dützer
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Название: Die Ungerächten

Автор: Volker Dützer

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

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isbn: 9783839268742

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СКАЧАТЬ Max zu mir sagen.«

      »Hannah Bloch.«

      Er rieb sich den Nacken. »Sag mal, wo hast du denn gelernt, wie ein Sternmotor funktioniert?«

      »Bei den Amerikanern.« Sie berichtete von ihrer Ausbildung bei der US-Army und von Scott, verschwieg jedoch, in welcher Beziehung sie zueinander gestanden hatten.

      Pohl ließ sich ihre Fluglizenz zeigen, wiegte verwundert den Kopf und seufzte.

      »Vor dem Krieg liefen die Geschäfte gut. Ich hatte drei Ju 52 und ein paar kleinere Flugzeuge. Fünf Mann arbeiteten für mich. Wir flogen Frachtgut nach Frankreich, Belgien und England, bis der Krieg ausbrach. Die Maschinen wurden konfisziert, meine Leute zur Wehrmacht eingezogen.« Er hob steif den linken Arm und präsentierte die Handprothese. »Keinen von den Jungs habe ich je wiedergesehen, sind alle in Stalingrad geblieben. Hab selber ein Andenken an den verdammten Krieg behalten.«

      Er deutete auf die Junkers. »Den fliegenden Koffer konnte ich retten, aber er nützt mir nichts. Außer den Alliierten darf ja keiner starten.« Er zuckte mit den Schultern. »Mit einer Hand kann man sowieso kein Flugzeug steuern. Trotzdem will ich die Tante wenigstens in Schuss halten.«

      »Kommen Sie denn an Aufträge?«, fragte Hannah.

      »Schlag dir das aus dem Kopf, Mädchen. Klar, ich habe gute Kontakte, weiß, was gerade läuft. Die Amerikaner sind völlig überlastet, aber sie lassen uns Deutsche nicht hinter den Steuerknüppel.«

      Hannah strich sehnsuchtsvoll über den glänzenden Rumpf der Ju 52. »Ich könnte da vielleicht etwas arrangieren.«

      »Du?«

      »Ich kann nichts versprechen, aber ich werd’s versuchen. Wie wär’s damit? Wenn ich uns eine Lizenz besorge, machen wir halbe-halbe. Ich steige ins Geschäft ein und fliege die Kiste. Sie kümmern sich um den Rest. Wenn ich einen Co-Piloten brauche, können Sie einspringen. Das schaffen Sie auch mit einer Hand.«

      Pohl atmete rasselnd und blickte sie nachdenklich an. »Bist nicht gerade bescheiden, was, Kleine?«

      Hannah schüttelte lachend den Kopf. Sie hatte das Gefühl, dass sie mit dem alten Brummbär gut auskommen würde.

      »Also gut. Ich bin einverstanden. Wenn du die Erlaubnis der Amerikaner bekommst, besorge ich uns Arbeit.«

      »Abgemacht … Max.«

      Sie schüttelten sich die Hände und grinsten um die Wette. Hannah hatte den Mund ziemlich vollgenommen, aber das war die Sache wert. Sie war ihrem Traum näher als je zuvor, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie Scott dazu bewegen sollte, ihr zu helfen … und ob er es konnte. Alles hing davon ab, ob er überhaupt noch in Deutschland war.

      6

      Pawel rieb die kalten Hände aneinander und wärmte sie mit seinem Atem. Die Schlange elender Gestalten, in der er stand, kam nur langsam voran. Einsam, blind vor Zorn und von Rachefantasien getrieben, war er durch die Straßen Wiesbadens geirrt. Auf dem Weg zur Innenstadt war er schließlich auf eine Gruppe Flüchtlinge gestoßen und hatte sich ihnen angeschlossen. Ein amerikanischer Offizier hatte sie zu einer Notunterkunft am Stadtrand geschickt.

      Wieder ging es zwei Schritte vorwärts. Sein Magen knurrte, er fühlte sich schwach und schwindelig. Wenn er sich wenigstens eine Nacht lang aufwärmen und ausruhen könnte, würde es ihm besser gehen. Morgen war ein neuer Tag, der neue Hoffnung bringen würde.

      Eine Stunde später trug er einen Teller Suppe zu einem der Tische, dazu fünfhundert Gramm Brot – die Tagesration, mit der jeder auskommen musste. Er freute sich, dass in der dünnen Suppe sogar ein paar Fleischbrocken schwammen.

      Das Notquartier war überfüllt, ständig trafen Neuankömmlinge ein. Pawel schlang ausgehungert das Essen herunter. Allmählich fühlte er sich besser und verfolgte aufmerksam, was um ihn herum geschah. Während sich ein Pole und zwei Deutsche um den letzten freien Schlafplatz stritten, schnappte sich Pawel eine stockfleckige Matratze und eine Pferdedecke. Kurz darauf rollte er sich auf dem Boden zusammen und schloss die Augen. Die Stimmen und Geräusche verschwammen zu einem plätschernden Gemurmel. Im Lager hatte er sich angewöhnt, überall und zu jeder Zeit einschlafen zu können. Man wusste nie, wann die nächste Gelegenheit kam, eine Stunde oder gar eine ganze Nacht Erholung zu finden. Kaum hatte sein Kopf die Matratze berührt, war er auch schon eingeschlafen. Irgendwann in der Nacht weckten ihn leise Stimmen, denn ein Teil seines Unterbewusstseins befand sich in einem antrainierten Alarmzustand, um ihn jederzeit vor drohender Gefahr zu warnen.

      »Ich sage dir, es ist der sicherste Weg, über die Grenze zu kommen.« Die raue Männerstimme war kaum mehr als ein Flüstern.

      Jemand kicherte unterdrückt. »Wenn mir damals jemand prophezeit hätte, ich würde mich mal als Jude ausgeben, hätte ich ihn über den Haufen geschossen.«

      »Die Zeiten haben sich eben geändert. Ich habe Freunde in Bolivien. Doch zuerst müssen wir aus Deutschland raus.«

      »Und wie willst du das anstellen?«

      »In Zeilsheim haben die Amerikaner ein großes Lager eingerichtet. Dort warten Tausende auf ihre Ausreise. Die Drecksjuden erhalten jede Unterstützung, weil alle ein schlechtes Gewissen haben. Alles, was du brauchst, ist jemand, der bestätigt, dass du der bist, der du vorgibst zu sein. Dann bekommst du neue Ausweispapiere, Ausreisegenehmigungen und ein Einreisevisum nach Palästina.«

      »Was soll ich in Palästina?«

      »Es geht um eine neue Identität, du Hohlkopf. Wie willst du denn sonst über die Grenze kommen? Die Hacken zusammenknallen und dich als SS-Obersturmführer Mahlke vorstellen? Als Jude reist es sich entschieden besser. Wenn wir erst mal in Italien sind, besorgen wir uns in Genua eine Passage nach Südamerika.«

      Schlaftrunken lauschte Pawel dem Gespräch. Traumbilder vermischten sich mit der Wirklichkeit. Er sah Milena, die der alten Frau von dem Karren half, und Theissen, der seine Pistole zog. Er hörte die Schreie der Eingeschlossenen in der Scheune und roch ihr verkohltes Fleisch.

      Versprich mir, dass du uns rächen wirst.

      Mitschkes Kasernenhofstimme drängte sich in die Erinnerungen: Wir beschäftigen kein Diebsgesindel.

      Die Raubfische, die sich im großen Sammelbecken des Dritten Reichs vollgefressen hatten, schwammen wieder oben. Die Führungsriege, die in Nürnberg vor Gericht gestanden hatte, war lediglich die Spitze des Eisbergs gewesen. Viel zu viele der kleinen Fische dagegen gingen den Siegern durch die Netze. Typen wie Bolkow waren längst in der Menge untergetaucht und würden nie für ihre Taten bestraft werden. Es sei denn, Pawel nahm die Rache in die eigenen Hände und löste sein Versprechen ein.

      Er wälzte sich auf den Rücken und dachte lange nach. An die Theissens und Kaindls dieser Welt kam er nicht so einfach heran, denn sie saßen wieder in Positionen, wo er ihnen nichts anhaben konnte. Aber auf Mitschke traf das nicht zu. Er sollte stellvertretend für die anderen Mörder bezahlen. Pawel schloss die Augen und döste eine Weile. Er musste nur ein bisschen ausruhen, dann würde ihm schon ein Plan einfallen. Bald darauf schlief er ein und träumte von Vergeltung.

      Am Morgen schlang er seine karge Ration hinunter, dazu einen Viertelliter Ersatzkaffee. Er aß und schmiedete düstere Pläne. Danach verließ er die Notunterkunft. Er hatte nicht vor, hierher zurückzukehren, denn heute Nacht würde er sich von Mitschke holen, was er für ein menschenwürdiges Leben brauchte.

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