Spielen und Lernen verbinden - mit spielbasierten Lernumgebungen (E-Book). Cornelia Rüdisüli
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СКАЧАТЬ hingegen hemmt die soziale Interaktion (Saracho & Spodek 1998) und kann die Kinder überfordern (Miller et al., 2010). Viele Funktionen von Spielzeugen oder eine überfüllte dekorative Wandgestaltung lenken die Kinder von ihrer Spieltätigkeit ab (Toub, et al. 2016; Fisher et al. 2014). Die Angebotsstruktur muss demnach vielfältig sein. Damit jedoch nicht zu viel Material gleichzeitig angeboten wird, sollte das Angebot regelmässig ausgetauscht werden.

      Anreiz vs. Übersicht: Nebst der Auswahl der Spielobjekte ist deren Arrangement zu berücksichtigen. Die Art und Weise, wie einzelne Angebote arrangiert und inszeniert werden, kann das Spielverhalten der Kinder positiv beeinflussen. Eine thematische Inszenierung oder suggestive Präsentation eines Spielszenarios (z. B. der Tisch ist bereits gedeckt und die Puppe sitzt im Hochstuhl im Gegensatz zur Ausgangslage, in der alle Materialien in Kästen verstaut sind) führt zu grösserem Interesse, elaborierterem Spiel und prosozialerem Verhalten (Morro 1990; Sohet & Klein 2010). Zudem zeigen Befunde, dass, sobald die Umgebung durch Regale oder Abtrennungen strukturiert wird, sich dies positiv auf das Lernen und das Sozialverhalten auswirkt (Abbas et al. 2012; Campos-de-Carvalho et al. 2000). Der Wert eines gut organisierten Klassenzimmers steht zudem in einem Zusammenhang mit Selbstregulierungsfähigkeiten der Kinder: Sie zeigen Vorteile bezüglich der kognitiven und akademischen Entwicklung (Downer et al. 2010; Downer et al. 2010). Um Ablenkungen zu vermeiden ist eine übersichtliche Gestaltung und klare Organisation der Spielangebote anzustreben. Das bedeutet aber nicht, dass jeweils alle Spielmaterialien in den unterschiedlichen Aufbewahrungsmöglichkeiten weggepackt werden müssen, denn bereits eine prominente Platzierung oder eine spezielle Präsentation spezifischer Angebote kann Kinder zum Spiel anregen. Zur Initiierung bestimmter Spielhandlungen kann die Lehrperson beispielsweise mit Konstruktionsmaterial einen Prototyp bauen und ausstellen. Eine andere Möglichkeit wäre, wenn sie als Vorbereitung ein Regelspiel bereits auspacken und für das Spiel auf einem Tisch beziehungsweise an einem geeigneten Platz einrichtet oder wenn sie aus unstrukturiertem Material eine Landschaft (oder den Anfang davon) für das Spiel aufbaut. Solche Vorbereitungen durch die Lehrperson können für die Kinder sehr einladend wirken und gezielt da eingesetzt werden, wo Spielimpulse aufgrund mangelnden Interesses oder einseitigen Spielverhaltens notwendig sind.

      Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl die Wahl als auch die Spielqualität durch Faktoren wie Geschlecht, Alter und ethnischen oder sozioökonomischen Hintergrund beeinflusst werden. Das heisst, dass unterschiedliche Kinder mit demselben Spielzeug verschieden spielen. Durch die Planung von Materialimpulsen kann die Lehrperson indirekt lenken, ohne dass sich das Kind in seiner Autonomie verletzt fühlt. Dass zum Teil auch direkte Impulse notwendig sind, zeigt das Ergebnis der Studie von Trawick-Smith u. a. über die Wirkung von verschiedenem Spielzeug auf die Spielqualität der Kinder: Spielzeuge, die zu hoher Spielqualität führen, werden von den Kindern selten gewählt. Die Autoren verweisen in diesen Fällen auf die Notwendigkeit einer spezifischen Einführung oder einer bewussten Modellierung der gewünschten Spieltätigkeiten (Trawick-Smith et al. 2014). Dadurch werden die Kinder direkt angesprochen, was in den Kapiteln zum Anfangsimpuls und Begleitimpuls näher ausgeführt wird.

      Anfangsimpuls

      Wenn Erwachsene ein spezifisches Lernziel verfolgen, kann nicht erwartet werden, dass die Kinder im Spiel zwangsläufig die angedachten Tätigkeiten, die zu diesem Lernziel führen, ausüben. Vor allem nicht, wenn diese Tätigkeit neue oder komplexe Konzepte beinhaltet. Deshalb kann die Lehrperson vor Spielbeginn über den Anfangsimpuls präventiv zielorientierte Gerüste anbieten. Hierbei unterbreitet sie der Klasse durch geführte Aktivitäten direkt Anregungen zur Weiterentwicklung des Spieles, indem beispielsweise Tätigkeiten erklärt, modelliert oder mit gezielten Fragen herausfordert werden (Toub et al. 2018; Jensen et al. 2019; Morrow 1990). Zu beachten gilt, dass rein verbale Instruktionen weniger hilfreich sind als Erklärungen an einem Beispiel (Lee & Anderson 2013). Bei der Planung und Umsetzung der Anfangsimpulse sind die kognitive Aktivierung, die Bedeutungszuschreibung und die Vorbildfunktion als zentrale Elemente zu beachten.

      Kognitive Aktivierung: Um die Kinder kognitiv zu aktivieren, bereitet die Lehrperson anregende Problemstellungen, die an das Vorwissen der Kinder anknüpfen, vor. Während des Lösungsprozesses verbalisiert sie ihre Gedankengänge oder zieht die Kinder direkt in den Prozess mit hinein. Dieses Vorgehen hilft den Kindern, die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Aspekte zu richten. Eine weitere Möglichkeit ist, mit den Kindern ihre Spielpläne zu verbalisieren, bevor das Spiel beginnt. Dadurch wird ihre Fähigkeit unterstützt, ihre Aktionen während des Spielszenarios zu steuern (Jensen et al. 2019).

      Bedeutungszuschreibung: Zu beachten ist, dass die Anfangsimpulse auf dem Vorwissen der Kinder aufbauen (Jensen et al. 2019; Lee & Anderson 2013). Durch die Berücksichtigung der Individualität und Lebenswelt der Kinder kann dem Spielangebot zusätzlich eine sinnvolle Bedeutung zugeschrieben werden, zum Beispiel indem ein anregender Spielkontext zur Problemstellung hergestellt wird (Zosh et al. 2018; Renner 2008). Konkret kann solch eine emotionale Aktivierung durch das Erfinden einer entsprechenden Rahmengeschichte erfolgen. Denn das Speichern von neuen Informationen wird durch sinnvolle Verbindungen mit den Kontexten, die von Natur aus interessant, zusammenhängend oder vertraut sind, erleichtert. So erinnerten sich Kinder eher an Geschichten, in denen sie selbst vorkommen (Toub et al. 2016, S. 129).

      Vorbildfunktion: Die Lehrperson wirkt mit all ihren Handlungen als Vorbild (Zosh et al. 2018). In einer Untersuchung konnte aufgezeigt werden, dass durch Demonstrationen von Literacy- und Numeracy-Dialogen der Erwachsenen die Kinder zur Integration dieser Tätigkeiten in ihr Spiel motiviert wurden (Colliver et al. 2018). Wenn Erwachsene als Vorbild in Aktion treten, ist eine gute Beziehung die Voraussetzung. Zudem müssen die gewünschten Tätigkeiten authentisch und mit Freude modelliert werden (Bandura 1976). Wenn möglich kann dies auch durch externe Fachpersonen erfolgen. So können nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Lernen am Modell gefördert werden, sondern auch die Begeisterung und das Interesse.

      Bezüglich den Anfangsimpulsen ist es zentral eine Balance zu finden. Das Risiko bei direkten Impulsen besteht stets darin, dass sich die Kinder in ihrem freien Spiel fremdgesteuert fühlen. Das führt dazu, dass sie nicht mehr intrinsisch motiviert handeln und dadurch das Eintauchen in den gewünschten Spiel-Flow weniger wahrscheinlich ist. Unter gewissen Umständen kann ein direkter Anfangsimpuls das kindliche Spiel-, Explorations- und Lernverhalten sogar hemmen. So konnten Bonawitz u. a. (2011) in einer experimentellen Untersuchung aufzeigen, dass Kinder weniger Eigenschaften eines Spielzeuges entdecken, wenn sie die Funktionen des neuen Spielzeuges zuvor vorzeigt, als wenn sie die Lehrperson die Kinder selbst entdecken liess. Kinder waren zudem motivierter, mit einem Spielobjekt zu spielen, wenn die Funktion nicht klar demonstriert wurde (Schulz & Bonawitz 2007). Es lohnt sich daher, Zeit für die sorgfältige Planung solcher Anfangsimpulse zu investieren, damit sie schliesslich zu den wertvollen Lerngelegenheiten im Spiel führen. Beispiele für gelungene Anfangsimpulse werden in den Praxisbeiträgen in diesem Band genannt.

      Die Begleitimpulse

      Die beschriebenen Aspekte des Anfangsimpulses sind auch für den Begleitimpuls zentral. Die Material- und Anfangsimpulse können aber im Gegensatz zum Begleitimpuls geplant werden (Abbildung 3). Mit dem Begleitimpuls hingehen reagiert die Lehrperson situativ auf die aktuellen Spielprozesse.

      Die Spiel- und Lernprozessbegleitung verfolgt im pädagogischen Alltag stets das Ziel der kognitiven und emotionalen Aktivierung. Im Sinne des sozialkonstruktivistischen Bildungsverständnisses steht die Zone der nächsten Entwicklung im Zentrum. Dabei sollen sich die Lehrpersonen auf die Interessen, Gedanken und sprachlichen Äusserungen des Kindes einlassen, was bestmöglich in ein geteiltes Denken mündet (Siraj et al. 2002, 2018). Toub et al. (2016) weisen darauf hin, dass Erwachsene in der Spielbegleitung Hilfestellungen nicht direkt vorschlagen sollen, sondern mögliche nächste Schritte einleiten, ohne die Kontrolle zu übernehmen. Die Herausforderung ist dabei, eine sanfte Unterstützung anzubieten, welche die Wahl eingrenzt, es aber immer dem Kind СКАЧАТЬ