Nachdenken und vernetzen in Natur, Mensch, Gesellschaft (E-Book). Dominik Helbling
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СКАЧАТЬ Unterricht gibt es unterschiedliche Anlässe für philosophische Gespräche.

Fragen von Schülerinnen und SchülernDie Kinder stellen im Unterricht manchmal ganz überraschend Fragen, die aufgegriffen werden können. Meist haben sie eine Erfahrung gemacht, die sie beschäftigt, oder sie staunen spontan über ein Wort, eine Situation usw. Z. B.: Eine Zweitklässlerin hob mitten in der Mathestunde die Hand und fragte, ob ihr Meerschweinchen im Himmel sei, es sei gestern gestorben. Der Fünftklässler sagt, er vertraue seinem Pony viel mehr als Menschen.
Situation in der KlasseUngeplante Begebenheiten in der Klasse können das Nachdenken über grundsätzliche Fragen des Lebens anstossen. Eine Gruppe fühlt sich ungerecht behandelt, weil sie den eigenen Auftrag weniger attraktiv findet als den Auftrag der anderen Gruppe. Daraus kann ein Gespräch entstehen, z. B.: Was ist gerecht? Eine Mitschülerin, die an einen anderen Ort zieht, kann Fragen auslösen wie: Warum sind wir nun traurig? Kann Freundschaft Distanzen überwinden? Wo ist «Zuhause»?
Philosophische Frage als UnterrichtsgegenstandEine philosophische Frage kann im Zentrum des Unterrichts stehen und ihm eine Richtung geben. Sie kann in mehreren Fächern bearbeitet werden. Z. B.: Wie kommen die Gedanken in unseren Kopf? Kann man immer gerecht sein? Was unterscheidet den Menschen vom Tier?
Philosophische Fragen im Zusammenhang mit UnterrichtsgegenständenBei ganz vielen Unterrichtsgegenständen in verschiedenen Fächern stellen sich philosophische Fragen. Z. B.: Wenn im Schulzimmer Küken aufgezogen werden, dann lässt sich darüber nachdenken, was zuerst war, das Huhn oder das Ei, und warum uns dies so interessiert. Wenn zu den Jahreszeiten gearbeitet wird, so lässt sich fragen, woher der Frühling weiss, dass er kommen soll. In den gestaltenden Fächern kann die Frage gestellt werden, ob uns Kunst zu besseren Menschen macht.

      Philosophieren als Ziel im Lehrplan 21. Oder: Wie ist das Philosophieren gesellschaftlich legitimiert?

      Im Lehrplan 21 bieten die überfachlichen Kompetenzen sowie der Lehrplan zu «Natur, Mensch, Gesellschaft» Orientierung in Bezug auf das Philosophieren im Unterricht. Die überfachlichen Kompetenzen werden in personale, soziale und methodische Kompetenzen unterschieden. Die personalen Kompetenzen umfassen Selbstreflexion, Selbstständigkeit und Eigenständigkeit.[82] Insbesondere die letzte Kategorie umfasst zahlreiche Kompetenzen, die auch das Philosophieren auszeichnen und die durch dieses erworben werden: sich eine Meinung bilden und vertreten, Argumente analysieren und abwägen, einen Standpunkt einnehmen und vertreten usw. Aber auch die Kooperationsfähigkeit und der Umgang mit Vielfalt, die unter die sozialen Kompetenzen fallen, oder die Sprachfähigkeit und die Problemlösefähigkeit werden durch das Philosophieren gefördert.

      Der Lehrplan für «Natur, Mensch, Gesellschaft» weist im Kompetenzbereich 11, «Grunderfahrungen, Werte und Normen erkunden und reflektieren», die Fähigkeit zum Philosophieren als eigenständige Kompetenz aus: «Schülerinnen und Schüler können philosophische Fragen stellen und über sie nachdenken.»[83] Sie wird demselben Kompetenzbereich wie das Nachdenken über menschliche Grunderfahrungen und ethische Sachverhalte zugeordnet, da dies genuine Themen des philosophischen Nachdenkens sind. Darüber hinaus lassen sich in allen anderen Kompetenzbereichen Anknüpfungspunkte finden, wie weiter unten beschrieben wird.

      Unter der Leitidee zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung werden darüber hinaus sieben fächerübergreifende Themen genannt, die neben einer Bearbeitung aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven auch eine gemeinsame Reflexion aus der Perspektive der Fraglichkeit und Fragwürdigkeit verlangen:[84]

      •Politik, Demokratie und Menschenrechte: Ist Demokratie für alle Menschen gut? Muss man Menschenrechte immer beachten? Braucht es Gesetze?

      •Natürliche Umwelt und Ressourcen: Warum sollen wir die Umwelt schützen, wenn wir doch nicht wissen, was in Zukunft geschieht?

      •Geschlechter und Gleichstellung: Was wäre, wenn es mehr als zwei Geschlechter gäbe? Sind wir verschieden oder sind wir gleich?

      •Gesundheit: Ist gesund = körperlich fit? Wann ist ein Mensch krank?

      •Globale Entwicklung und Frieden: Was braucht es, damit es Frieden gibt? Ist jeder Krieg falsch?

      •Kulturelle Identitäten und interkulturelle Verständigung: Was können wir von anderen Kulturen und Gesellschaften lernen? Müssen wir alles respektieren, was uns fremd ist? Was ist Heimat?

      •Wirtschaft und Konsum: Wo liegen die Grenzen des Wachstums? Wird man durch Kaufen glücklich?

      Viele dieser oder ähnlicher Fragen sind auch im nächsten Abschnitt unter den fachlichen Perspektiven zu finden. Dies zeigt, dass diese sieben fächerübergreifenden Themen starke Bezüge zum Fach Natur, Mensch, Gesellschaft aufweisen, obwohl sie auch für andere Fächer relevant sind.

      Durch den Lehrplan erhält das Philosophieren im Unterricht eine gesellschaftliche Legitimation. Dies heisst umgekehrt, dass die Schule den Auftrag hat, Schülerinnen und Schüler in das Philosophieren einzuführen, es mit ihnen zu üben und im Unterricht stetig zu praktizieren.

      Philosophieren im Fach Natur, Mensch, Gesellschaft

      Grundsätzlich gibt es in allen Fächern philosophische Fragen und das Philosophieren kann in allen Fächern gewinnbringend praktiziert werden. Es bildet einen geeigneten Zugang zu den Zielen und Inhalten des Lehrplans für «Natur, Mensch, Gesellschaft», damit Schülerinnen und Schüler befähigt werden, selbstständig, kritisch und kreativ zu denken. Dabei geht es nicht darum, Wissenschaft und Philosophieren gegeneinander auszuspielen, sondern gewinnbringend zueinander in Beziehung zu setzen. Man kann sich dies wie ein Schachbrett vorstellen, auf dem die verschiedenfarbigen Felder einander zum Leuchten bringen. Das Schachspiel funktioniert indes nur, wenn das Brett in dunkle und helle Felder unterteilt ist. Die hellen Felder des disziplinären Wissens und seiner Methoden zeigen, dass die Welt in vielem verstanden werden kann, dass sie nicht ein chaotisches Ungetüm ist. Sie durchbrechen eine naive Geheimniskrämerei. Die dunklen Felder des philosophischen Ergründens zeigen, dass mit den Wissenschaften nicht alles geklärt werden kann. Sie durchbrechen eine naive Wissenschaftsgläubigkeit.

      Für diesen Prozess wurde von Johannes Jung der Begriff «Echolot-Didaktik» vorgeschlagen.[85] Gemeint ist ein stetiges Ausschauhalten nach und Nachfragen bei Unklarheiten, Widersprüchen und Irritationen im wissenschaftlichen Unterricht. In den vier Perspektiven des Fachbereichs Natur, Mensch, Gesellschaft lassen sich mit dem «Echolot» zahlreiche philosophische Fragen[86] aufspüren, die hier entlang der philosophischen Grundfragen nach Kant geordnet sind und keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit haben, was dem Philosophieren sowieso widersprechen würde.

      Beispiele für «Räume, Zeiten, Gesellschaften»

WissenWas können wir über die Vergangenheit wissen und was nützt uns dieses Wissen? Was ist überhaupt Vergangenheit, was ist Gegenwart und was ist Zukunft? Macht uns Reisen klüger?
TunDarf man Bergbahnen bauen, damit wir Skifahren können? Was ist eine gerechte Gesellschaft?
HoffenGibt es eine perfekte Gesellschaft?
MenschWie wäre es, in einem anderen Land geboren zu sein? Wäre ich dieselbe Person? Worin unterscheiden sich Menschen aus anderen Ländern? Worin sind sie gleich? Sind manche Völker besser als andere?
Weitere BeispieleIst es möglich, in die Vergangenheit zu reisen? Was würden wir dort tun wollen? Was ist Zeit? Was ist Veränderung? Wo ist das Gestern hin? Was wäre, wenn die Erde würfel- statt kugelförmig wäre? Gibt es Leben auf anderen Planeten? Was wäre, wenn Ausserirdische auf die Erde kämen?

      Beispiele für СКАЧАТЬ