Nebeleck. Elisabeth Nesselrode
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Название: Nebeleck

Автор: Elisabeth Nesselrode

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Oberpfalz Krimi

isbn: 9783960417958

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СКАЧАТЬ Berger schien sich langsam zu beruhigen, er schaute wieder aus dem Fenster. »Schon in Ordnung«, sagte er. »Haben Sie schon was anderes? Irgendwas?«

      »Es ist noch zu früh, etwas zu sagen, aber wir gehen allen Spuren nach. Wir werden denjenigen finden, der Ihrem Vater das angetan hat.«

      Berger war am Ende seiner Kräfte. »Kann ich hin? Auf den Hof?«

      Ulrike nickte. »Ich begleite Sie.«

      Ulrike beobachtete den kleinen Opel Corsa in ihrem Rückspiegel. Vanessa saß am Steuer, Anton neben ihr, den Kopf gegen die Scheibe gedrückt, die Augen geschlossen. Dann richtete sie den Blick wieder auf die Straße. Langsam zogen erste kleinere Wolken über den strahlend blauen Himmel. Laut Wettervorhersage sollte es heute noch regnen, dafür sprach bislang aber noch nichts. Sie wünschte sich fast den Regen herbei, dass es bald ein Ende nahm mit dieser absurden Idylle.

      Ulrike atmete tief durch und rekapitulierte, was Anton Berger ihnen erzählt hatte. Sein Vater wirkte in seiner Beschreibung wie ein Fähnchen im Winde, sprunghaft, leicht depressiv. Vor diesem Hintergrund schien der Hofkauf wie eine Impulstat, eine plötzliche Eingebung in der Hoffnung, das eigene Leben zu verbessern, egal wie, egal wodurch. Und gleichzeitig wirkte der Kauf wie eine Flucht. Eine Flucht vor sich selbst und vielleicht auch vor etwas, das ihn am Ende doch eingeholt hatte.

      Durch den Wald fuhr Ulrike geradewegs auf den Hof zu, der Opel Corsa kam neben ihr zum Stehen. Anton Berger stieg aus und schritt langsam und bedächtig auf das Gebäude zu. Sein Blick blieb am Zwinger hängen. »Theo«, wisperte er und schaute Ulrike dann an, »wo ist er?«

      »Im Tierheim, Sie können ihn dort abholen, wenn Sie möchten.«

      Anton nickte, dann ging er weiter. Er bewegte sich langsam wie ein Raubtier über das Grundstück, ohne den Hof aus den Augen zu lassen. Auf der riesigen Wiese vor der Scheune ließ er sich ins Gras fallen.

      »Sie heißt Tanja«, sagte Vanessa Lehmann plötzlich. Sie hatte sich neben sie gestellt, lehnte sich an den Wagen und zündete sich eine Zigarette an. Sie inhalierte und warf dann ihre langen braunen Haare zurück.

      »Wie bitte?« Ulrike schaute sie an. Mit geschlossenen Augen pustete Vanessa den Rauch langsam aus.

      »Sie heißt Tanja«, wiederholte sie, »die Schülerin. Ihr Name ist Tanja Grass.«

      Ulrike war sprachlos.

      »Ich weiß nicht, warum er es Ihnen nicht gesagt hat. Irgendwie ist er damit nicht klargekommen, dass sein Vater jahrelang den Tod der Mutter nicht verkraftet hat, und dann ist plötzlich alles wieder gut, weil er eine Teenagerin vögelt.«

      »Anton wusste davon?«

      Vanessa nickte. »Ja, er wusste davon. Leonard hat es uns damals gesagt, als er uns besucht hat. Hat gesagt, dass sich jetzt endlich alles ändert. Dass er jetzt Tanja hat.«

      Sie inhalierte erneut. Wie sie da stand und Anton beobachtete, der sich ins hohe Gras gelegt hatte, wirkte sie wie eine Löwenmutter. »Leonard war ein Scheißkerl. Es ging immer nur um ihn. Dass Anton auch seine Mutter verloren hat, dass er einen Vater gebraucht hätte, der sich um ihn kümmert, das hat er nicht verstanden. Er hat Anton sich selbst überlassen und ist währenddessen im Selbstmitleid versunken.«

      Vanessa überlegte, bevor sie weitersprach. »Ich hätte mich nie zwischen Anton und Leonard gestellt, aber ich konnte nichts mit ihm anfangen. Hat seinen Sohn komplett alleingelassen, nichts für ihn getan. Wir sind seit drei Monaten verlobt«, sagte sie und hob ihre linke Hand, an deren Ringfinger ein kleiner Diamantring blitzte. »Wir haben ihm aufs Band gesprochen, er hat nicht mal zurückgerufen.«

      »Und Tanja?«

      »Tanja war Abiturientin, gerade fertig mit allem. Er hatte schon länger einen Blick auf sie, hat er erzählt. Ich weiß nicht, wie lang das schon ging mit denen. Aber alles sollte anders werden, mit ihr auf dem Hof. Er hat gesagt, er fühlt sich wie berufen. Ich glaube, das war der Moment, in dem Anton es gecheckt hat.«

      »Was gecheckt?«

      »Dass Leonard ein Scheißkerl ist. Und das ist nicht leicht für ihn. Besonders jetzt, wo er tot ist. Ein lebender Scheißkerl als Vater ist immerhin besser als ein toter. Ich glaub, er hat das mit Tanja nicht gesagt, weil er ihn so nicht in Erinnerung behalten wollte.«

      Sie trat die Zigarette auf dem Boden aus, dann ging sie auf die Wiese und setzte sich neben Anton ins Gras. »Komm, wir holen Theo«, hörte Ulrike sie sagen. Sie hatte den Arm um seine Schultern gelegt. Er schaute sie an und lächelte dann vorsichtig.

      Als die beiden sich verabschiedet hatten und ins Auto gestiegen waren, fielen nun doch die ersten Tropfen vom Himmel.

      6

      Der Regen prasselte mit solch einer Gewalt auf Ulrikes Windschutzscheibe, dass sie zwischen den Wassermassen und den hektisch hin- und herschnellenden Scheibenwischern die Straße vor sich nur schemenhaft erkennen konnte. Sie hatte sich auf der A 3 hinter einem Lkw eingeordnet. Fast in dem Augenblick, als sie beim Max-Schultze-Steig über die Donau fuhr, hörte es schlagartig auf zu regnen. Bald schon sah sie die Türme des Regensburger Doms vor sich, die von der wolkendurchbrechenden Sonne angestrahlt wurden.

      Sechs Monate waren vergangen, seit sie die Stelle in Regensburg angetreten hatte. Es hätte ein Neuanfang für sie und Thorsten werden sollen, der als Kinderarzt in Straubing arbeitete. Zunächst war sie bei ihm eingezogen, dann hatten sie beide monatelang nach einer neuen Bleibe gesucht. Ihr großes Zugeständnis, eine vierjährige Wochenend-Ehe zu beenden, war allerdings zu spät gekommen. Die einhundert Quadratmeter große Wohnung im Regensburger Westenviertel hatte sie in der letzten Woche allein bezogen. Thorsten hatte die Beziehung kurz vorher für beendet erklärt, als hätte er nur darauf gewartet, dass sie eine Wohnung fand, damit sie ausziehen könnte. Jetzt stapelten sich ihre Kisten in den leeren Zimmern, ein paar Möbel standen verstreut herum. Die Wohnung fühlte sich fremd an, wieder allein zu sein war ihr hingegen schmerzhaft bekannt. Heiraten … Warum sie darauf drei Mal hereingefallen war, konnte sie sich nicht erklären. Vielleicht deswegen, weil sie in einer Ehe rechtlich gebunden war, ein zusätzlicher Anreiz, sich etwas mehr Mühe zu geben.

      Ulrike öffnete die schwere Tür der lichtdurchfluteten Wohnung. Nach einer schnellen Dusche steckte sie ein paar Klamotten in eine Reisetasche, überprüfte den spärlichen Inhalt des Kühlschranks auf verderbliche Produkte und warf einen Blick in den Spiegel, den sie neben der Eingangstür aufgehängt hatte. Sie sah müde aus, die roten Haare wirkten ausgewaschen, der graue Mantel hing schlaff an ihrem Körper.

      Ulrike schnaubte, sie musste Haltung bewahren, also straffte sie die Schultern, hängte den Mantel an den Garderobenhaken und zog sich stattdessen eine hellbraune Lederjacke über, knetete etwas Gel in ihre Haare und trug braunen Lippenstift auf.

      »Lass dich nicht so hängen«, hatte ihre Großmutter sie immer gerügt. »Die Dinge werden auch nicht besser, wenn du rumläufst wie ein nasser Sack.« Eine garstige Frau war sie gewesen, bisweilen geradezu bösartig. Aber damit hatte sie recht behalten.

      Ohne sich noch ein einziges Mal umzublicken, als hätte sie es eilig herauszukommen, verließ Ulrike die Wohnung und ließ die Tür krachend hinter sich ins Schloss fallen. Auf der Straße angekommen, warf sie ihre Reisetasche in den Kofferraum und machte sich auf den Weg zum St.-Augustinus-Gymnasium in der Regensburger Altstadt, wo sie einen Termin mit dem Schulleiter hatte.

      Ein Hinweis auf eine Tanja hatte СКАЧАТЬ