Nebeleck. Elisabeth Nesselrode
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Название: Nebeleck

Автор: Elisabeth Nesselrode

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Oberpfalz Krimi

isbn: 9783960417958

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СКАЧАТЬ Vor wenigen Stunden hatte Yusuf ihr den Bericht über die Befragungen in Schwanghaus auf den Schreibtisch gelegt und in knappen Worten geschildert, dass kaum etwas dabei herausgekommen war. Keiner dort wollte etwas bemerkt haben von Bergers Ermordung, keiner wollte etwas über ihn gewusst haben.

      Die Genugtuung, mit der Yusuf ihr das mitgeteilt hatte, hatte Ulrike so sehr missfallen, dass sie nur allzu gern nach Regensburg gefahren war, um ein paar Kleidungsstücke zu holen, den Schulleiter zu befragen und Tanjas Fährte aufzunehmen. Sie hatte das Gefühl, aus dem Tritt zu sein, und abgesehen von Yusufs Impertinenz ärgerte sie das am meisten. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um Yusuf stärker Paroli bieten zu können, sie musste sich eine Strategie überlegen, wachsamer werden, scharfsinniger – als müsste sie sich beweisen, dass sie trotz allem zumindest eine gute Kriminalpolizistin war.

      Das St.-Augustinus-Gymnasium, in dem Leonard Berger mehrere Jahrzehnte als Biologie- und Erdkundelehrer gearbeitet hatte, lag mitten in der Altstadt von Regensburg. Der u-förmige Kastenbau mutete fast herrschaftlich an. Je näher man ihm allerdings kam, desto heruntergelebter wirkte er.

      Ulrike stellte das Auto mitten auf dem Innenhof ab und lief geradewegs auf den Eingang zu. Kaum hatte sie das Gebäude betreten, in dem es wie in jeder Schule nach Turnschuhen und Pausenbroten roch, vernahm sie schon das dumpfe Hallen von Schritten auf dem schweren Steinboden.

      »Frau Kork?«, hörte sie eine freundliche Männerstimme und sah einen etwas untersetzten Mann auf sich zukommen. »Schneider, wir hatten telefoniert. Ich bin der Schulleiter.« Er streckte ihr die Hand entgegen. »Hier entlang.«

      Es war Punkt siebzehn Uhr, die Schule schien beinahe ausgestorben. Nur Schneiders Sekretärin saß noch hinter ihrem Schreibtisch im Vorzimmer des Büros. Sie lächelte, als sie Ulrike erblickte. »Käffchen?«, fragte sie mit einer quäkenden Stimme, sodass Ulrike unwillkürlich zusammenzuckte. Es hatte nur dieses Wort gebraucht, und Ulrike erkannte in der blonden hageren Frau eine Genossin aus Nordrhein-Westfalen.

      »Schwarz«, sagte sie und reizte das dialektale Potenzial derart aus, dass die Augen der Frau kurz aufblitzten. Der Geheimcode war durchgedrungen, man hatte sich verstanden. In der bayerischen Provinz waren solche Begegnungen rar und deshalb erstaunlich. Ein seltsames Heimatempfinden machte sich in diesen Augenblicken jedes Mal breit in ihr, ein kleiner Stich, ein Hauch von Rührseligkeit, eine Erinnerung daran, wo sie herkam. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit erlebte sie nur in diesen Momenten, wenn sie der Heimat in der Fremde begegnete, und weniger, wenn sie tatsächlich dort war, in der Heimat, in der sie sich fremd fühlte.

      »Nehmen Sie Platz«, sagte der Schulleiter und ließ sich ihr gegenüber in einen riesigen schwarzen Schreibtischstuhl fallen, in dem er beinah wie ein kleiner Junge wirkte, der Chef spielte. Die hagere Sekretärin stellte den Kaffee auf einem Tablett auf dem Tisch ab und schloss dann die Tür.

      Ulrike räusperte sich. »Sie haben schon gehört, was passiert ist, vermute ich?«

      Sie beobachtete, wie Schneider den Kaffee ausschenkte, die Tasse vor ihr abstellte und dabei besorgt die Stirn in Falten zog. »Ja, ich habe davon gehört. Das gesamte Kollegium und unsere Schüler sind informiert. Es wurde in der Früh schon eine Morgenandacht abgehalten für Herrn Berger. Ein sehr geschätzter Kollege.«

      »Was können Sie mir über ihn sagen? Was für ein Mann war er?«

      Schneider ließ sich in seinen enorm großen Schreibtischstuhl zurücksinken und verschränkte die Arme vor der Brust. »Er war ein guter Lehrer, er war gern Lehrer. Hat sich immer was einfallen lassen, hatte jeden Schüler im Blick, seine Stärken und Schwächen. Die Kinder … Die waren ihm immer am wichtigsten.« Er seufzte und faltete die Hände vor sich wie zum Gebet. »Es war für uns alle eine sehr große Überraschung, als er plötzlich nicht mehr wollte.«

      Ulrike trank einen Schluck Kaffee. Gut und stark hatte die Hagere ihn gekocht. »Sie wissen nicht, warum?«

      »Nein«, sagte Schneider und schüttelte geistesabwesend den Kopf. »Das kann ich mir ganz und gar nicht erklären.« Er wirkte aufrichtig. »Man muss sagen, dass er zwischenzeitlich sehr niedergeschlagen war, nach dem Tod von Ingrid. Aber ich hatte das Gefühl, gerade in der Zeit vor seiner Kündigung, dass er sich wieder gut im Griff hatte, dass er richtiggehend aufgeblüht war.«

      »Herr Schneider, wir haben Anlass, davon auszugehen, dass es durchaus einen Grund für diesen Stimmungswechsel gab. Wir haben davon gehört, dass Herr Berger ein Verhältnis mit einer Schülerin hatte, die im Jahr seiner Kündigung Abitur hier am Gymnasium gemacht hat.«

      Schneider neigte den Kopf zur Seite, er schien zu überlegen. »Ach, diese Geschichte … Ich will nichts Falsches sagen … Einen Moment bitte.« Dann stand er auf und ging durch die Tür zum Sekretariat. »Petra? Weißt du, ob Paul noch im Haus ist? Kannst du mal im Lehrerzimmer durchklingeln lassen?«

      Einen Augenblick später hörte man Petras quäkende Singstimme dumpf durch die leicht geöffnete Tür. Paul war offenbar noch im Haus und stand schon wenige Minuten später im Sekretariat. Er war groß gewachsen, hatte einen sauberen Seitenscheitel, graues Haar und eine randlose Brille auf der Nase.

      »Paul, das ist Frau Kork. Sie ist Kriminalkommissarin und ermittelt im Fall von Leonard.«

      Paul reichte Ulrike die Hand und folgte ihnen dann in das kleine Büro.

      »Paul Heinzen war ein Kollege von Herrn Berger«, erklärte Schneider. »Die beiden haben lange und eng zusammengearbeitet.«

      »Worum geht es denn?«, fragte Heinzen und setzte sich auf den Stuhl neben ihrem. Ulrike musterte den geradlinig wirkenden Mann neben ihr und riet, dass er Deutsch oder Latein unterrichtete.

      »Diese Geschichte, Paul, diese dumme Geschichte, die rumging«, begann Schneider vorsichtig. »Dass der Leonard ein Verhältnis hatte mit …«

      »Mit Tanja Grass«, vollendete Paul Heinzen den Satz barsch.

      Ulrike stutzte. »Was können Sie mir darüber sagen?«

      Paul blickte sie unvermittelt an, seine Direktheit hatte etwas Unangenehmes. »Tanja hat letztes Jahr bei uns Abitur gemacht. Sie hatte Biologie Leistungskurs bei Leonard. Sie hat ihm ab und an geholfen, kleinere Forschungsprojekte für die fünfte Klasse zu organisieren. Die beiden haben sich ineinander verguckt, da war sie noch siebzehn. Er ist aber erst ein Verhältnis mit ihr eingegangen, als sie volljährig war. Als sie kurz danach Abitur gemacht hat, wollten sie zusammen neu anfangen. Er hat deswegen gekündigt.«

      »Wussten noch andere davon?«

      »Ich glaube nicht. Leonard und ich waren nicht eng befreundet, aber er wollte jemandem davon erzählen. Das Ganze war vertraulich. Irgendwie hat dann aber doch jemand was mitbekommen, es wurde getratscht. Die große Runde hat das aber komischerweise nicht gemacht.«

      »Was wurde aus dieser Geschichte?«

      Paul sah aus dem Fenster. »Ich weiß es nicht. Ich habe nichts mehr von ihr gehört und von ihm auch nicht. Bis gestern.« Er fixierte gedankenverloren einen Punkt auf der Scheibe. »Gibt es noch weitere Fragen?«

      Ulrike schüttelte den Kopf.

      »Danke, Paul«, sagte Schneider.

      Heinzen stand auf, murmelte eine schnelle Verabschiedung und verließ dann wie ein Zinnsoldat strammen Schrittes das Büro.

      »Ich brauche den Kontakt von Tanja Grass, von ihren Eltern.«

      Schneider nickte СКАЧАТЬ