Название: Der mondhelle Pfad
Автор: Petra Wagner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783867779579
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„Quatsch. Aber mir gefällst du ohne Hemd besser.“
„Gut. Aber dann auch du!“
Er hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen, da war Viviane auch schon aufgesprungen, hatte ihren Gürtel aufgehakt und riss sich Überkleid und Unterkleid vom Leib. Silvanus schüttelte grinsend den Kopf und leckte sich die Lippen.
„Gierig wie eine siebenköpfige Raupe.“
„Also pass auf!“ ermahnte Viviane mit hochgehobenem Zeigefinger und setzte sich neben ihn. „Die gierige Raupe setzt sich so in den Runensitz und schließt die Augen.“
Silvanus besah sich Vivianes verschränkte Beine und schlug umständlich seine eigenen ineinander.
„Hm. Ich glaub, meine Beine sind für solche Verrenkungen viel zu lang!“
„An dir ist alles … lang“, säuselte Viviane, hielt aber die Augen geschlossen. „Mit ein bisschen Übung ist das gar nicht so schwer. Jetzt die Hände auf die Knie und entspannen!“
Silvanus fuchtelte mit seinen Händen vor Vivianes Nase herum und zog Grimassen.
Viviane lächelte, ohne die Augen zu öffnen, und knurrte: „Entspannen, hab ich gesagt!“
Silvanus kniff die Augen fest zu und legte betont artig seine Hände auf die Knie.
Viviane brummte zufrieden und gab ihrer Stimme einen beruhigenden Klang.
„Jetzt hörst du den Grillen zu, fühlst den warmen Sommerabend, schmeckst das Aroma des Windes, riechst die Düfte, die dich umgeben und denkst an eine schöne, langsame Melodie. Dein Geist wandert vom Gehirn über deine Augen, deine Nase, deine Lippen, deine Ohren, deinen Hals und über die Schultern, bis hinab in deine Fingerspitzen. Dort gibst du ihn frei und lässt ihn fliegen, weit hinauf zu Vater Himmel.“
Viviane linste durch ihre Wimpern und betrachtete Silvanus’ Hände. Seine Handflächen zeigten nach oben, seine Fingerspitzen spreizten sich auseinander. Er war wirklich entspannt.
„Du kannst jetzt deinen Geist überall hin fliegen lassen und er wird dir die Antworten bringen, die du suchst.“
Silvanus’ Kopf kippte leicht nach hinten und seine Lippen öffneten sich. Viviane griente und streichelte mit ihrer Hand über seinen Rücken.
„Ich suche beispielsweise die Antwort auf die Frage, wann wir endlich die Gelegenheit ausnutzen. Ich wollte nämlich nicht erst durch den Wald stolpern, wenn es dunkel ist.“
„Mmmh, mach nur weiter so. Mein Geist kommt schon angeflattert“, brummte Silvanus, schlug ein Auge auf und schielte zu ihr rüber. „Da gibt es nur ein Problem: Ich bekomm den Knoten in meinen Beinen nicht wieder auseinander.“
„Welch eine Misere!“, seufzte Viviane, stand auf, beugte sich über ihn und besah sich höchst nachdenklich seine Stellage. Mit einem „So könnte es gehen“ zog sie seine Hände hoch auf ihre Brüste, empfahl ihm, sich daran fest zu halten und biss sachte in sein Ohrläppchen, während ihr Körper an seinem Bauch hinunter glitt und sie sich auf seinen Knien abstützte.
„Sind deine Beine schon frei? Nein? Nun, wir sollten einfach das Beste draus machen“, hauchte ihr Atem an seinem Hals.
Viviane griente immer noch vor sich hin, als sie schon längst auf dem schmalen Wildwechsel unterwegs war, der sie direkt zu Baria führte. Sie kam schnell voran. Selbst als das Blätterdach dichter wurde, konnte sie alles deutlich erkennen und hörte die Geräusche der Waldbewohner. Obwohl sie sehr leise ging, wurde sie natürlich auch von ihnen bemerkt, aber nicht als Bedrohung wahrgenommen. Nur ein junger Rehbock schreckte bellend auf und huschte mit einer Ricke davon ins Dickicht. Kaum waren sie verschwunden, knackten dort die Zweige und ein leises Quieken verriet, dass eine Rotte Wildschweine ebenfalls flüchtete.
Viviane übersprang dagegen geräuschlos-leichtfüßig den kleinen Gebirgsbach und kam bald darauf zum Rande der Lichtung, auf der sie und Baria immer zusammentrafen.
Abwartend blieb sie stehen, strich sachte über ihre Lieblingsbirke und sog deren typischen Geruch ein. Sie war in den paar Jahren noch ein Stück gewachsen, das war ihr bisher noch gar nicht aufgefallen, wohl wegen der sonst herrschenden Dunkelheit. Auch die blaugrünen Gräser wiegten sich heute nicht silbrig schimmernd im Nachtwind, sondern verschmolzen mit dem blaubeerfarbenen Abendhimmel. Ihre winzigen Ähren standen filigran über den weichen Grasbüscheln wie zarte Kunstwerke, geschaffen von Meisterhand.
Viviane betrat die Wiese, ließ ihre Finger darüber streifen. Flauschige Hummeln brummten behäbig an ihr vorbei und auch die flinken Bienen schwirrten noch emsig zwischen rotem Klee und blauen Lupinen hin und her, während sie ihre Schritte bedächtig setzte, um sie nicht zu stören.
Langsam bewegte sie sich auf ihren alten Baumstumpf zu, doch diesmal setzte sie sich nicht darauf, sondern davor ins Moos. Lächelnd strich sie darüber, sah sich noch einmal auf der Lichtung um und zog die Beine ineinander. Die Hände legte sie auf ihre Knie, den Kopf lehnte sie an das alte Holz, seufzend schloss sie die Augen.
Das Moos war angenehm warm und weich, Gras und Kräuter verströmten ihre Düfte, Bienen summten leise, friedlich. Die Vögel zwitscherten wesentlich lauter und machten das Lied der Dämmerung vollkommen.
Viviane öffnete leicht ihre Lippen, atmete langsam ein. Die laue Nacht legte sich auf ihre Zunge. Die Mondgöttin rief ihren Geist zu sich.
Behäbig floss er durch ihren Körper und quoll hinaus wie ein Bach aus seiner Quelle. In einem schmalen Rinnsal rann er zum Waldrand, schlängelte sich zwischen den Buchen und Birken hindurch und rieselte knisternd über die trockenen Nadeln unter den mächtigen Tannen. Das gleichmäßige Summen blieb auf der Wiese zurück, auch das Tschilpen wurde leiser wie ein abklingendes Harfespiel, gezupft auf göttlichen Saiten, sanft, einfühlsam.
Die Vögel verstummten ganz und sahen neugierig dem Rinnsal hinterher, das sich an den knorrigen Wurzeln der alten Eichen entlang wand, immer weiter, bis es sich endlich mit dem klaren Gebirgsbach vereinigte. In diesem Augenblick legte die Göttin der Nacht ihren diamantbesetzten Mantel über ihren Vater Himmel und der Bachlauf erstrahlte im Glanz der Gestirne, spielte mit ihnen Verstecken. Bald aber standen die Bäume so dicht, dass selbst das helle Mondlicht ihre Wipfel nicht mehr durchdringen konnte und der Bach gewann das Spiel.
Freudig umspülte er die Steine und passte sich sanft den Windungen seines alten Bettes an. Von überall her kamen kleine Rinnsale herbei und vereinigten sich mit ihm, ließen ihn anschwellen, manchmal sogar ein wenig tosen. So plätscherte der Gebirgsbach lange im Dunkeln dahin, ohne den Verlauf zu sehen, einfach nur, weil es sein ureigener Weg war, den er immer nahm.
Ganz allmählich öffnete sich der düstere Wald zu einer Aue.
Silbern schwankten lange Gräser im diffusen Licht der Mondgöttin und wiegten sich in den Armen von Bruder Wind. Der Bach aber wand sich nun nicht mehr in engen Kurven, sondern wurde breiter, ruhiger. Gemächlich strömte er an großen Felsblöcken vorbei, die zwischen seinem Bett und einem schmalen Wiesenweg lagen. Etwas Animalisches ging lautlos darauf, bewegte sich geschmeidig.
Der Rhythmus seiner Schritte passte sich der Geschwindigkeit des Wassers an. Mühelos übersprang es die Felsen, trennte sich nie vom Bach und schaute auf das Ende des Weges, wo das Mondlicht in einem stillen See glitzerte. Der Bach ergoss sich hinein, kam zur Ruhe, schlief ein.
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