Название: Manila oder Revolution und Liebe
Автор: Volker Schult
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783961455669
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Kurze Zeit vorher. Gouverneurspalast Hongkong.
Das Government House befindet sich in der Upper Albert Road. Von dort blickt man auf den Victoria Peak, mit über fünfhundertfünfzig Metern die höchste Erhebung der britischen Kronkolonie Hongkong. Auch sonst entsprechen die Ausmaße denen einer wichtigen Residenz im Britischen Empire. Die Grundfläche des Anwesens umfasst imposante annähernd zweieinhalb Hektar oder etwas mehr als zwei Fußballfelder.
Der Bau des Hauptgebäudes begann im Oktober 1851, im achten Jahr nachdem Hongkong zur britischen Kolonie erklärt worden war. Nach vier Jahren intensiver Bautätigkeit konnte die Fertigstellung an Ihre Königliche Hoheit Königin Victoria in London gemeldet werden.
In den folgenden Jahren änderte sich der Stil der Residenz mehrfach. Jeder neue Hausherr ließ das Gebäude nach seinen eigenen Vorstellungen renovieren. Das Hauptgebäude besteht nun aus einer Mischung aus reichhaltigem kolonialem Renaissancestil mit britischen, meist gregorianischen, und asiatischen Stilrichtungen. Willkommen im Reich der obersten Kolonialherren, die glauben, einzigartig zu sein.
Vor zehn Jahren wurde ein Seitengebäude an der östlichen Seite für gesellschaftliche Aktivitäten errichtet. Das Obergeschoss beherbergt einen Ballsaal, in dem Bankette für hohe ausländische Würdenträger veranstaltet werden. Bis zu einhundertfünfzig Gäste finden dort Platz.
Aber auch für den Schutz des Gouverneurs und seiner Gäste ist gesorgt. Am Haupteingang an der Upper Albert Road befinden sich zwei Wachgebäude mit einem eisernen Tor. Hier stehen die Government House Guards Wache, um für Sicherheit zu sorgen. Es ist eine Ehre für die in Hongkong stationierten Einheiten der Königlichen Armee, Soldaten für den Wachdienst abzustellen.
In diesem Anwesen residiert seit November letzten Jahres Gouverneur Sir Richard Henderson. Henderson stammt aus Limerick in Irland und hat unter anderem schon Erfahrungen als Gouverneur von den Bahamas und Neufundland gesammelt. Nun also Hongkong. Auf diesen Posten ist Sir Richard besonders stolz. Ist das doch die Anerkennung, die er meint, verdient zu haben.
Mit einer Zigarre im Mund, der von einem buschigen, leicht herabhängenden Schnurrbart fast umrahmt ist, sitzt er in seinem bequemen Sessel in seinem Arbeitszimmer. Neben ihm mit einem Glas Scotch in der rechten Hand hat es sich Kapitän Andrew Rochester bequem gemacht.
„Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, Kapitän Rochester, hat mich mein werter Kollege aus Singapur, Sir Charles Mitchell, informiert, dass es in dieser Angelegenheit um eine äußerst wichtige und geheime Mission im Rahmen der Sicherheit unseres Empires geht. Ich bin mir Ihrer absoluten Verschwiegenheit als Marineoffizier Ihrer Königlichen Hoheit vollkommen sicher, Kapitän Rochester?“
Dabei blickt Sir Henderson sein Gegenüber mit zusammengekniffenen Augen direkt an. Seine blaugrünen Augen mustern den Kapitän gründlich und dulden keinen Widerspruch.
„Aber sicher doch, Sir Henderson. Bei meiner Ehre als Offizier, Sir!“, entfährt es Kapitän Rochester militärisch knapp.
„Gut, gut, Rochester. Noch wissen Sie nicht, was auf Sie zukommt. Aber gut, dass Sie so selbstsicher sind. Offiziere von Ihrem Schlag hat das Empire leider viel zu wenige“, setzt Sir Henderson nun schon fast schmeichelhaft hinzu.
„Auf mich können Ihre Exzellenz jederzeit setzen“, meint Kapitän Rochester noch hinzufügen zu müssen.
„Also dann los. Die Ausgangslage ist folgende: Das deutsche Kanonenboot Iltis hat Kurs auf Hongkong genommen, um den Zielhafen die deutsche Kolonie Tsingtau anzusteuern. Sein Kapitän hat in einem geheimen Auftrag für den Kaiser erkundet, ob sich die Insel Langkawi als deutscher Marinestützpunkt eignet.“
„Potzblitz!“, entfährt es Rochester und fährt aus seinem Sessel hoch. Um ein Haar wäre ihm das Glas Scotch aus der Hand gefallen. „Diese verdammten Deutschen.“
„Ganz meine Meinung, Kapitän. Aber unterbrechen Sie mich nicht.“
Wie ein zurechtgewiesener Schuljunge sackt Kapitän Rochester in seinen Sessel zurück.
„Leider ist es Sir Charles trotz Aufbietung aller Reserven nicht gelungen, an den Geheimbericht des deutschen Kapitäns in Singapur zu gelangen. Neben eigenen Kräften hat er auch einen dieser Chinesenclans für sich gewinnen können, weil sich der Deutsche wohl mit der Tochter des Clanchefs eingelassen hat. Jeder, der die Chinesen auch nur einigermaßen kennt, weiß, dass das mehr als nur verrückt ist. Das gleicht einem Todesurteil.
Aber wie auch immer, wir müssen unbedingt in Erfahrung bringen, ob diese verdammten Deutschen Langkawi tatsächlich als einen möglichen Stützpunkt betrachten, um rechtzeitig im Vorfeld tätig werden zu können.
Ihnen kommt eine Aufgabe von äußerst hoher Bedeutung zu, Kapitän Rochester. Hier nun der Plan: Wir gehen folgendermaßen vor …“
Während Sir Henderson das Vorhaben ausbreitet, wird Kapitän Rochester immer bleicher, will Widerspruch einlegen, wird aber energisch von Sir Henderson zurechtgewiesen, versinkt immer tiefer in seinen Sessel und stürzt das dritte Glas Scotch hinunter.
Als Kapitän Rochester etwas später den Gouverneurspalast verlässt, verschmäht er die bereitgestellte Kutsche und begibt sich stattdessen zu Fuß durch die noch immer anhaltende nächtliche tropische Hitze Hongkongs. Schon bald ist seine Uniform schweißdurchtränkt. Doch das bemerkt er nicht. Er ist zu aufgewühlt.
„Das darf doch nicht wahr sein“, entfährt es ihm kopfschüttelnd.
„Das darf doch nicht wahr sein“, murmelt er wiederholt gedankenverloren mit gedämpfter Stimme und zusammengepressten Lippen vor sich hin. Eine Kutsche mit hohem Tempo rast an ihm vorbei. Er schrickt hoch. Fast wäre er überfahren worden. Vielleicht sogar besser so, denkt er sich.
Eigentlich geht der Auftrag des Gouverneurs gegen seine Ehre. Als Kapitän der stolzen Royal Navy soll er nun gemeinsame Sache mit einem Piratenunhold machen.
„Pfui Teufel“, entfährt es Kapitän Rochester und spuckt in bester chinesischer Manier auf die Straße.
Aber auf der anderen Seite hat der Plan schon etwas, muss er nach einigem Überlegen zugeben. Wie sonst soll man von unserer Seite an den Geheimbericht kommen? Schließlich kann er, Rochester, ja schlecht mit seinem Schiff, dem Leichten Kreuzer Iphigenia, das deutsche Kriegsschiff auf hoher See angreifen. Das würde unweigerlich Krieg zwischen den beiden Nationen bedeuten. Das will natürlich niemand.
Nachdem er in der Tropennacht einige Zeit gelaufen ist, scheint ihm der Plan von Sir Henderson doch nicht so verkehrt. Aber gewöhnungsbedürftig ist das alles schon. Er soll bei dem Unterfangen nur den Boten spielen, während er dem blutrünstigen Piraten die Beute überlassen soll.
Hmm, wenn die liefern, heiligt der Zweck die Mittel, wie es so schön heißt, versucht sich Kapitän Rochester zu beruhigen.
Er soll also mit seinem Schiff Iphigenia dem deutschen Schiff Irene entgegendampfen und ihm signalisieren, dass Typhus in Hongkong ausgebrochen sei und zudem ein sehr heftiger Taifun heraufziehe. Deshalb sollen die Deutschen Hongkong großräumig umfahren, Kurs auf die chinesische Küste СКАЧАТЬ