Manila oder Revolution und Liebe. Volker Schult
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Название: Manila oder Revolution und Liebe

Автор: Volker Schult

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783961455669

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      1899. Einige Zeit später. Hunderte von Seemeilen entfernt.

      Mit acht Knoten pflügt das Kanonenboot Iltis mit seinen beiden qualmenden Schornsteinen unter einer erbarmungslos brennenden tropischen Sonne durch die sanften, tiefblauen Wellen des Südchinesischen Meeres. Auf der Brücke schaut der Erste Offizier Hans Thomsen immer wieder besorgt an den Horizont. Mittlerweile kennt er die tropische Idylle. Sie trügt. Schon innerhalb kürzester Zeit kann das Wetter völlig unvermittelt umschlagen. Ehe man sich versieht, befindet man sich inmitten eines gefährlichen Taifuns mit meterhohen Wellen. Wenn man darauf nicht vorbereitet ist, kann es für Mannschaft und Schiff tödlich ausgehen.

      Auf der anderen Seite kann Thomsen sich nicht nur auf seine Mannschaft, sondern auch auf sein Schiff verlassen. Iltis ist ein nagelneues Kanonenboot, das sich auf der mittlerweile monatelangen Reise, die hinter ihnen liegt, bewährt hat. Neben Schießübungen vor der malaiischen Insel Langkawi hat Iltis auch schon in der Straße von Malakka mit scharfer Munition erfolgreich auf Piratenschiffe gefeuert. Zwar gehört es mit seinen neunhundert Tonnen Wasserverdrängung nicht zu den großen Kampfschiffen, aber mit seinen 8,8 cm Schnellfeuerkanonen und 3,7 cm Revolverkanonen ist es ein durchaus ernst zu nehmender Gegner. Außerdem ist die knapp einhundertdreißig Offiziere und Mannschaften umfassende Besatzung bestens ausgebildet und hoch motiviert, so wie es sich für ein Schiff Seiner Majestät Kaiser Wilhelms II. eben gehört.

      Trotzdem wäre Thomsen wohler, wenn sein Kapitän Wilhelm Kurz auf der Brücke wäre. Noch nie in seiner Seemannskarriere ist Thomsen, auch wenn sie noch nicht allzu lange währt, unter einem seemännisch und persönlich so anerkannten Kapitän auf hoher See gewesen. Umso ehrlicher ist Hans Thomsens Wunsch, seinen Kapitän wieder bei voller Gesundheit zu sehen.

      Zwischendurch lässt Thomsen sich immer wieder vom Schiffsarzt Dr. Brandt Bericht über den Zustand seines Kapitäns erstatten. Jedes Mal völlig angespannt lauscht er den Worten des Arztes.

      Dabei ging alles so plötzlich. Gerade als sie aus dem Hafen von Singapur ausliefen, passierte es. Zusammen standen sie noch auf der Kommandobrücke, als urplötzlich Kapitän Kurz an allen Gliedern zu zittern anfing. Schweiß stand ihm auf der Stirn und er begann zu wanken. Dann gelang es Thomsen nur noch geistesgegenwärtig den Sturz seines Käpt´ns zu verhindern. Sofort ließ Hans Thomsen den Schiffsarzt rufen, der veranlasste, dass Wilhelm Kurz in die Krankenstation gebracht wurde. Seitdem liegt der Kapitän dort und Dr. Brandt kümmert sich mit den recht bescheidenen Mitteln eines Bordarztes rührend um seinen Kapitän, den der Arzt auch persönlich sehr schätzt. Kapitän Wilhelm Kurz ist kein sturer Kommisskopf, sondern jemand, dem seine ihm anvertrauten Leute wirklich am Herzen liegen.

      In seinem Büro im Government House in Singapur sitzt Gouverneur Sir Charles Mitchell an dem aus Mahagoni gefertigten dunklen Schreibtisch. Hinter ihm thront eine Statue von Königin Victoria. Genauso dunkel wie der Schreibtisch ist auch die Miene des Gouverneurs. Sogar die vier Brandy, die er schon zu sich genommen hat, können seine Stimmung nicht aufheitern. Dabei dauert es eigentlich noch zwei Stunden, bis die Zeit für den traditionellen Sundowner in den Tropen angebrochen ist. Die Wangen des zweiundsechzigjährigen Sir Charles haben eine glühend rötliche Farbe angenommen, die nicht nur der Tropensonne geschuldet ist.

      Auch der Blick aus dem jalousieartigen Fenster, der an den standbildhaften Säulen vorbei auf die an die berühmten englischen Gärten erinnernden imposanten Außenanlagen geht, muntert Sir Charles nicht auf. Seine Stimmung ist düster, sehr düster. Seine ohnehin enganliegenden Augen mit den dunklen, dichten Augenbrauen scheinen nur noch schmale Schlitze zu sein. Immer wieder fährt er sich mit den Fingern seiner linken Hand nervös über seinen Vollbart, der mit dem Schnauzer zusammengewachsen seinen länglichen Kopf umrahmt.

      Ihm gegenüber sitzt sein Stellvertreter Francis Burton, dem die Sorgenfalten auch deutlich auf die Stirn gezeichnet sind.

      Mit zusammengezogenen Augenbrauen und tiefer, ernster Stimme wendet sich Sir Charles an seinen Stellvertreter: „Diese verdammten Deutschen. Davongeschlichen haben sie sich. Aus meinem Singapur“, dabei haut Sir Charles wutentbrannt mit seiner rechten Faust auf den Schreibtisch. Francis Burton schrickt hoch.

      „Alle haben versagt! Jawohl, versagt!“, setzt der Gouverneur aufgewühlt seine Tirade fort.

      „Fort ist er, der Geheimbericht. An Bord von Iltis. Eine verfluchte Sauerei ist das. Alle haben versagt!“, wiederholt Sir Charles, weiterhin wutentbrannt.

      „Unsere Agenten, die Chinesen, die wir für teures Geld angeworben haben. Verdammte Schlitzaugen. Was soll ich jetzt nur nach London berichten? Peinliche Angelegenheit“, bei diesen Gedanken etwas kleinlauter werdend.

      „Erzählt der verfluchte Kurz unserem Hafenkommandanten von Penang etwas von Schießübungen, die die Deutschen vor der benachbarten Insel Langkawi abhalten wollen. Der glaubt das auch noch und ist froh, dass das Abfeuern der Schiffsgeschütze außerhalb von Penang stattfindet und er seine Ruhe hat. Und was hat der teuflische Deutsche im Sinn?“

      Die kurze Pause nach dieser Frage, die Burton zu Recht als eine rhetorische interpretiert, nutzt der Gouverneur, um an seinem Glas Brandy zu nippen.

      „Natürlich, er will auskundschaften, ob Langkawi für das Deutsche Reich als Marinestützpunkt geeignet ist. In unserem Einflussgebiet. Konkurrenz zu unserem Penang. Damit die Deutschen auch den Eingang zur Straße von Malakka kontrollieren können. Und das alles für seinen angeberischen, bei jeder Gelegenheit tönenden Kaiser Wilhelm. Man darf das von einer kaiserlichen Hoheit eigentlich nicht sagen, aber ein Großmaul ist Seine Majestät schon. Jawohl!“

      Und haut, wie um diese Worte zu unterstreichen, mit der Faust wieder auf den Tisch.

      „Von der Empfehlung von dem Kurz hängt es ab, ob die Teutonen Langkawi in ihren Besitz bringen wollen. Wir müssen erfahren, ob er diese Insel als geeignet ansieht oder nicht, damit wir handeln können. So nahe waren wir an dem Geheimbericht schon dran. Hier in Singapur. In unserer Kronkolonie. Und dann macht der verdammte Deutsche Tabularasa und entkommt aus der Falle, die wir ihm in Chinatown gestellt haben. Serviert der Kurz doch tatsächlich die Kerle, die ihm aufgelauert haben, ab. Na gut, Respekt. Muss man ihm schon lassen. Gegen eine Übermacht. Dabei sind diese dummen Schlitzaugen dort zu Hause. Außer am Hafen stehen und der davondampfenden Iltis irgendwelche Flüche hinterher zu rufen, fällt denen dann auch nichts mehr ein. Dummköpfe!“, ruft Sir Charles unwirsch aus und schüttelt den Kopf.

      Von seinem Redeschwall erschöpft, lässt er sich nach hinten an die Lehne seines Sessels sinken. Seine Arme rudern hilflos hin und her.

      „Alles, was meine Agenten mir dann berichten können, ist, dass ihnen aufgefallen ist, dass in der Entourage von Prinzessin Irene, der Ehefrau von Prinz Heinrich, dem Bruder dieses Angebers Wilhelm Zwo, anscheinend jemand fehlt und nicht mit abgereist ist. Angeblich die erste Hofdame. Das fanden die sehr merkwürdig. Und hatten nichts Besseres zu tun, als mir davon zu berichten. Ja, und wenn schon. Interessiert mich nicht. Diese Luschen. Mich interessiert nur dieser verdammte Ge - heim - be - richt“. Dabei jede einzelne Silbe betonend.

      Mit seinem Taschentuch wischt sich Sir Charles den Speichel aus den Mundecken und fährt anschließend mit demselben Tuch über seine schweißnasse Stirn. Mit einem weiteren kräftigen Schluck Brandy versucht er seine Nerven zu beruhigen.

      Stille im Raum. Nur das hastige Atmen von Sir Charles ist zu hören. Selbst draußen stellen die Zikaden ihr ansonsten ohrenbetäubendes, scharfes schnarrendes Rasseln vorübergehend ein.

      Mit betont ruhiger Stimme bemerkt Francis Burton nur: „Sir Charles, Sie haben vollkommen recht.“

      Diese wohlgesetzten Worte - schließlich kennt Francis Burton seinen Chef СКАЧАТЬ