Название: Manila oder Revolution und Liebe
Автор: Volker Schult
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783961455669
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„Wer sagt denn, dass es unser Schiff sein wird?“, fragt Burton trocken.
Ungläubig starrt der Gouverneur seinen Stellvertreter an.
„Der Chinesenclan von Heng Wan Chu aus Singapur hat noch eine Rechnung mit dem Kurz offen. Genau wie wir. Das macht uns weiterhin zu natürlichen Verbündeten. Ich habe mir bereits erlaubt, das Clanoberhaupt zu kontaktieren. Gegen etwas Entgelt hat er sich bereit erklärt, über einen engen Verwandten in Hongkong Verbindung mit dem Piratenchef Weng aufzunehmen.“
„Was, den?“, ruft Sir Charles entgeistert aus.
„Sind Sie vollkommen von Sinnen? Der ist doch der meistgesuchte Piratenkönig in der Umgebung von Hongkong. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir ein nicht unbeträchtliches Kopfgeld auf den Kerl ausgesetzt. Der greift auch immer wieder unsere Handelsschiffe an.“
„Genau den meine ich, Sir Charles. Er ist - nun wie soll ich sagen - sehr zuverlässig in bestimmten Dingen.“
„Sie sind wahnsinnig geworden, Burton.“
„Nicht unbedingt, Sir Charles. Nur effektiv. Wie immer, in aller Bescheidenheit. Wollen Sie den Geheimbericht haben oder nicht, Sir Charles?“, fragt Francis Burton mit betont ruhiger Stimme und fährt fort: „Sir Charles, alles, was Sie nur tun müssen, ist, ein streng vertrauliches Telegramm an Ihren Gouverneurskollegen Sir Henderson in Hongkong zu senden und darum zu bitten, dass er Anweisung erteilt, dass unsere Kriegsschiffe drei Tage im Hafen von Hongkong bleiben und in dieser Zeit nicht auf Piratenjagd gehen. Den Rest überlassen Sie mir. Was können wir dafür, wenn Iltis auf seinen Weg nach Hongkong in eine Falle gelockt und ganz überraschend Opfer von einer chinesischen Piratenflotte wird? Nur der Geheimbericht überlebt und gelangt auf wundersame Weise zu Ihnen nach Singapur. Natürlich entrüsten wir uns ob der barbarischen Attacke auf ein deutsches Schiff, kondolieren und bieten unsere uneingeschränkte Unterstützung im Kampf gegen diese Unholde der Meere an. Ja, machen sogar den Vorschlag, eine internationale Streitmacht zur Befriedung der Gewässer im Südchinesischen Meer aufzustellen. Vielleicht sogar unter deutschem Kommando. Wie wär´s damit? Da sagt der geltungssüchtige deutsche Kaiser nie und nimmer nein. Und alles ist in Butter.“
Mit diesen Worten endet Francis Burtons Vortrag.
Wieder Stille im Büro. Nur draußen stimmen Millionen von Zikaden ihr Sägen an, als ob sie dem Vorschlag von Francis Burton Beifall zollen wollen.
Mit seinen eng beieinanderliegenden Augen sieht Sir Charles seinen Stellvertreter direkt an.
„Das bewundere ich an Ihnen, Francis. Keine moralischen Skrupel. Ganz und gar erfolgsorientiert.“
Dann nickt Sir Charles und fährt fort: „Das Telegramm an Sir Henderson werde ich sogleich absenden. Von allem anderen weiß ich nichts.“
„Selbstverständlich, Sir Charles. Wie immer.“
3. KAPITEL: DIE FALLE
Auf seinen kräftigen Oberarmen prangen schwarzgeschwungene Drachen mit offenen Mündern und heraushängenden Zungen vor rotem Hintergrund. Sein gedrungener Körper mit dem runden Kopf und den kleinen strichförmigen Augen strahlt förmlich vor Energie. Beim Erteilen der Befehle schwingt sein kahlgeschorener Kopf mit dem langen Zopf am Hinterkopf wild hin und her. Kapitän Weng erteilt seiner Mannschaft den Befehl zum Auslaufen. Sofort macht sich eine rasante Aktivität bemerkbar. Niemand möchte unter den martialischen Blicken des Kapitäns unliebsam auffallen. Um keinen Preis. Dann lieber vor Erschöpfung tot ins Meer stürzen. Zugleich ist auf dem ein Dutzend anderer Schiffe die gleiche Hektik zu beobachten.
Weng ist Chef der berühmt-berüchtigten chinesischen Triade der Roten Bande, die ihren Ursprung in der Hafenstadt Shanghai hat. Kein Verbrechen ist ihnen fremd. Neben der Kontrolle des Opiumhandels und der illegalen Prostitution widmen sie sich vornehmlich der Piraterie. Aber auch vor Auftragsmorden und anderen Schandtaten schrecken sie nicht zurück. Wohlwissend, dass sie sich auf ihre Partner, die britische Handelsfirma Jardine, Matheson & Co. in Hongkong und die britische Geheimpolizei, verlassen können. Währenddessen arbeiten ihre Rivalen von der Grünen Bande mit den Franzosen im Rauschgift- und Geheimdienstgeschäft zum gegenseitigen Nutzen zusammen.
Doch für den aktuellen Auftrag hat Piratenkapitän Weng nicht nur auf die Engländer gesetzt. Natürlich sind diese rotbramsigen Rundköpfe wie immer bereit, ein schönes Sümmchen Silber zu zahlen. Doch dieses Mal ist der Auftrag wirklich außergewöhnlich und extrem heikel. Seine Flotte soll ein deutsches Kriegsschiff in eine Falle locken und um jeden Preis an einen Geheimbericht seines Kapitäns gelangen. Wie sie das anstellen, ist den Brits vollkommen egal. Deshalb bieten ihm die Engländer eine Summe an, die exorbitant ist. Obwohl er sich selbst als verliebt in Silber bezeichnen würde, hätte er diesen Auftrag normalerweise nie angenommen. Ein deutsches Kriegsschiff abfangen. Ein Himmelfahrtskommando.
Aber dann traf quasi zeitgleich mit dem Angebot der Rundaugen ein dringendes Hilfeersuchen von den lieben Vettern der Heng Wan Chu Kaufmannssippe aus Singapur ein. Der verdammte deutsche Kapitän dieses Kriegsschiffes soll die Tochter des Clanoberhaupts Heng gegen deren Willen geschwängert haben.
Wie niederträchtig! erregt sich Weng.
Ihm wurde glaubhaft versichert, dass der Clan alles, aber auch wirklich alles unternommen habe, um diesen schändlichen Verführer in Singapur zur Strecke zu bringen. Doch alle Tricks hätten versagt. Chang, der Schreiber der bedeutenden deutschen Handelsfirma Behn, Meyer & Co. hat versucht, den Deutschen in Chinatown in eine Falle zu locken. Resultat war, dass es zahlreiche Tote auf Seiten der Chinesen gegeben hatte. Der verfluchte Deutsche konnte entkommen. Selbst das letzte Mittel von Onkel Chu, den deutschen Kapitän zu verfluchen, hat wohl nicht richtig funktioniert.
Merkwürdig, denkt Weng, das klappt doch sonst immer.
Nur diese Kombination, dass eigentlich nicht ausschlagbare finanzielle Angebot der Briten und zugleich die Bitte des Familienclans zu helfen, hat den Ausschlag gegeben. Das wird nicht einfach. Darüber ist er sich im Klaren. Es wird viele Verluste in den eigenen Reihen geben. Die finanzielle Kompensation an die Familien muss er in seine Kalkulation einbeziehen. Aber viel wichtiger ist es, einen vernünftigen Plan zu haben. Ein direkter Angriff auf ein stählernes Kriegsschiff mit überlegener Feuerkraft kann eigentlich nur fatal enden.
Nein, ein besonderer Plan muss her. Es gilt, das deutsche Schiff in die vielen verwirrend kleinen Inseln mit ihren Untiefen vor der chinesischen Küste zu locken, kurz bevor es Hongkong erreicht. Dafür haben die Engländer ihre Unterstützung zugesagt.
Auf Kommando von Wengs Flaggschiff beginnen nun auch die anderen mehrmastigen Dschunken langsam ihre Segel zu setzen. Die Besegelung besteht aus Dschunkensegeln, die mit Bambus-Stangen durchgelattet sind. Diese durchgelatteten Segel sind von Deck aus leicht zu bedienen. Die kurzen Pfahlmaste sind üblicherweise nicht durch Wanten und Stage verspannt, so dass die Segel rundum geschwenkt werden können.
Die kastenförmigen Boote besitzen keinen Kiel. Ihre flachen Böden und die Seitenwände sind fast senkrecht hochgezogen. Dadurch scheinen sie über das Wasser zu fliegen und schneiden nicht hindurch. Der Rumpf ist aus weichem Holz gebaut, das sich leicht biegen lässt und trotzdem seine Form bewahrt. Die Dschunken zeichnen sich durch ihre hochgezogenen Enden aus, die ihnen eine fast bananenähnliche Form verleihen.
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