Nacht über der Prärie. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Nacht über der Prärie

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305607

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СКАЧАТЬ Haltung angenommen, mit der er sich gegen das Misstrauen und die Verdächtigungen abschirmte, die er von seinen Mitmenschen erwartete. Queenie aber ging unbefangen neben ihm her, als ob sie dies schon gewohnt sei. Sie wusste nicht, wo er hinstrebte, aber sie ging mit, ohne zu fragen.

      »Sie haben mir eine Art Bewährungsfrist gegeben, ehe sie mich wieder verhaften«, sagte Stonehorn, als er sicher wusste, dass niemand mithören konnte. »Ich gebe denen auch Zeit. Wenn sie fruchtlos abgelaufen sein wird, hast du keinen Mann mehr, Tashina. Dann werden sie Joe King erst kennenlernen.«

      »Was tun wir nun zuerst, Inya-he-yukan?«

      »Wir gehen jetzt noch einmal zu der Stelle, wo ich das Kettchen gefunden habe. Ich muss mir das genau ansehen. Wenn Harold ein Bandit gewesen wäre, könnte ich dir wahrscheinlich schon sagen, wo er steckt – tot oder lebendig. Aber er ist ein guter Mann, und mit den Gewohnheiten von guten Männern und ihren sonderbaren Einfällen weiß ich nicht genug Bescheid. Ich muss mich in den Dummkopf erst hineindenken. – Nachher – ja, nachher suche ich Quartier für uns und Arbeit für mich. Es wird weder das eine noch das andere leicht zu finden sein. Dein Vater nimmt uns nicht auf. Das steht fest.«

      »Und dein Vater?«

      »Der nimmt uns auf, aber das kannst du nicht ertragen.«

      Stonehorn brach ab.

      Lauras braunhäutige Finger mit den rotlackierten Nägeln glitten über die Tasten. Sie hatte für den Superintendenten zu schreiben; es war ein amtliches Schriftstück, und nicht der geringste Fehler durfte es verunstalten.

      Ein Besucher trat ein. Ein Klopfen hatte sie nicht gehört. Als er nun vor ihr stand, erkannte sie ihn. Es war Joe King.

      »Ich bitte, den Superintendenten zu sprechen«, sagte er, als ob dies die einfachste Sache der Welt sei, obgleich nicht einmal der Häuptling, jetzt genannt Chairman oder President, gewagt hätte, einfach zu dem Superintendenten, dem obersten der Aufsichts- und Verwaltungsbeamten der Reservation, vordringen zu wollen.

      »In welcher Angelegenheit?« fragte Laura.

      »Das werde ich ihm selbst vortragen.«

      »Wenn es sich um eine Wohlfahrtsangelegenheit handelt, bitte Mrs Carson, Ökonomie, Mr Haverman … Schulwesen brauchen Sie wohl nicht mehr.«

      »Danke, ist bekannt. Ich wünsche den Superintendenten zu sprechen.«

      »Der Superintendent nimmt nur Vorlagen an, die bereits von den Fachdezernenten und von seinem Stellvertreter, Mr Shaw, bearbeitet sind.«

      »Wenn Sie mir das als die Auffassung des Superintendenten schriftlich geben können, sehe ich von meiner Bitte ab.«

      Laura fuhr mit der Zungenspitze über die rotbemalten Lippen. Was für ein frecher Mensch! Und wie er sich auszudrücken verstand. Sie war gewohnt, dass Indianer, die abgewiesen oder an eine andere Stelle verwiesen wurden, stillschweigend wieder verschwanden. Aber Joe King hatte wohl von Anwälten und Richtern in seinen Strafprozessen gelernt.

      Laura kämpfte mit sich. Dann nahm sie das Schriftstück, mit dem sie zu ihrem Vorgesetzten zu gehen hatte, und begab sich in das Zimmer des Superintendenten.

      Er war allein und studierte eben Rundschreiben, die die einzelnen Reservationsverwaltungen über die Distriktsverwaltungen von der Regierungszentrale für Indianerangelegenheiten zu erhalten pflegten. Der höchste Chef drückte darin seine Unzufriedenheit mit dem bisherigen Zustand aus. Alle Superintendenten wurden ermahnt, ein vertrauensvolleres Verhältnis zwischen den Indianern und deren vorgesetzter Verwaltung herzustellen und den Kampf gegen die Armut energischer und einfallsreicher zu führen. Der Lebensstandard der Indianer, der weit unter dem Durchschnitt liege, müsse gehoben werden. Alle bisherigen patriarchalischen Vorstellungen seien abzulösen durch die allgemeine Devise: Help to help themselves – den Indianern helfen, sich selbst zu helfen. Peter Hawley las und wusste wohl, dass dies die neue Linie seit dem Zweiten Weltkrieg war und dass der neue Hohe Kommissar für Indianerangelegenheiten, der Hawley vor kurzem auf die schwierige Reservation versetzt und damit aus seinem gewohnten Lebenskreis herausgerissen hatte, diese neue Linie schneller und wirkungsvoller zur Geltung bringen wollte. Die Worte wirkten alle wohlmeinend und wohldurchdacht, aber wenn Buchstaben zu Menschen wurden, begannen die Schwierigkeiten.

      Auch das war Peter Hawley bekannt. Der Superintendent Hawley, mit dreißig Prozent Indianerblut in den Adern, seit zwanzig Jahren im Dienst, legte die Rundschreiben achtsam und respektvoll beiseite. Er nahm aus Lauras Hand das Schriftstück in Empfang, las Wort für Wort, fast Silbe für Silbe, fand alles ohne Tadel und freute sich, von seinem Vorgänger eine so gute Sekretärin übernommen zu haben. Er unterzeichnete.

      Da das Mädchen sich nicht gleich wieder entfernte, schaute er sie fragend an.

      »Joe King ist im Vorzimmer und wünscht den Superintendenten persönlich zu sprechen. Ich wollte ihn an die Fachdezernate verweisen, aber er besteht darauf, Mr Hawley selbst zu sprechen … oder«– und dies fügte Laura mit besonders spitzer Stimme hinzu –»oder er wünscht, die Ablehnung schriftlich zu erhalten.«

      Der grauhaarige Superintendent lächelte ein wenig.

      »Er soll hereinkommen.« Es war der erste praktische Fall auf Grund der jüngsten Rundschreiben: Vertrauen gegen Vorurteile.

      Als Joe King eintrat, wurde ihm ein Stuhl angeboten.

      »Bitte – was führt Sie her?«

      Joe King war verwirrt. Er kannte seit Jahren kein Entgegenkommen, sondern nur Krieg, und als er die Worte des Superintendenten hörte, verlor er etwas das Gleichgewicht wie ein Mensch, der bereit gewesen ist, sich entgegenzustemmen und auf einmal keinen Widerstand findet.

      Laura hatte die Polstertür geschlossen und dachte draußen über das wetterwendische und unberechenbare Wesen von Vorgesetzten nach. Dieser Joe King wurde empfangen! Sie ärgerte sich, dass er sich gegen strikte Dienstanweisungen durchgesetzt hatte. Sie war fest entschlossen, sich zu rächen und dem Superintendenten in den nächsten Tagen einige Besucher mit unnützen Anliegen auf den Hals zu schicken.

      Im Zimmer des Superintendenten hatte Joe King zu sprechen begonnen: »Ich war vor zwei Wochen bei Mr Haverman, aber er hat keine Chance für meine Pläne gesehen. Ehe ich sie aufgebe, wollte ich Sie selbst sprechen.«

      Der Superintendent wiederholte sein »Bitte« durch eine einladende Handbewegung.

      »Der Zustand der Reservation ist unbefriedigend.« Stonehorn sprach schnell, gehetzt, wie jemand, der lange nachgedacht hat und eine einmalige Gelegenheit, seine Gedanken vorzutragen, nicht genügend zu nutzen fürchtet.

      »Wir haben sehr dürren Boden, wir haben viele Arbeitslose, wir haben viele Trinker, wir haben sehr wenig und sehr schlechtes Wasser und noch weniger Brunnen, mit denen wir Grundwasser heraufholen können. Die meisten von uns sind falsch ernährt oder unterernährt, viele sind krank. Die Sterblichkeit, besonders unter den Kindern, ist immer noch sehr groß. Unser Land hier ist abgelegen vom Verkehr; es ist schwer, Industrie herbeizuziehen, und Ihre Unternehmer trauen dem indianischen Arbeiter nicht. Der Staat, in dem auch wir Indianer Bürger und Soldaten sind, gibt jährlich Millionen und vielleicht Milliarden an Völker in anderen Kontinenten, damit sie, wie es heißt, ihre Wirtschaft entwickeln können. Wir aber haben eine teure Verwaltung auf dem Hals, und das Geld, das wir erhalten und das uns immer hingeworfen wird, wie man dem Bettler das Almosen hinwirft, ist nur ein Cent gegen die СКАЧАТЬ