Die dünne Frau. Dorothy Cannell
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Название: Die dünne Frau

Автор: Dorothy Cannell

Издательство: Автор

Жанр: Ужасы и Мистика

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isbn: 9783867549929

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СКАЧАТЬ die Bestimmungen halten.‹ Ich halte mich an meinen Instinkt und ich irre mich nie. Dadurch bin ich ja überhaupt erst in diese Branche geraten. Ich verstehe mich auf Menschen. Mein lieber verstorbener Mann sagte immer, ich wäre die geborene Ehestifterin, und als er von mir ging … was hatte ich schon anderes zu tun?«

      Sie setzte vorübergehend aus wie eine zu schwach aufgezogene alte Uhr, und ich murmelte, es ginge mir eigentlich nicht um etwas so Dauerhaftes wie einen Ehemann.

      Mrs. Swabucher strahlte mich an. »Man kann nie wissen! Nehmen Sie ein Konfekt, alle mit Cremefüllung. Meine Spezialmarke.«

      Ich beäugte sie gierig, lehnte aber dankend ab.

      »Sie machen sich Sorgen wegen Ihrer Figur, stimmt’s? Sollten Sie nicht. In Ihrem Alter ist das wahrscheinlich nur Babyspeck.«

      »Ich bin siebenundzwanzig.«

      »Oje, oje! Sie sterben gleich an Altersschwäche!« Mrs. Swabucher kicherte kehlig. »Kommen Sie, seien Sie kein Frosch! Amüsieren Sie sich! Ach, Sie haben Angst – Sie denken, das ist wieder ein Test wie der Mumpitz da draußen. Lassen Sie mich etwas klarstellen, Miss Simons. Ich bin nicht doppelzüngig, dazu bin ich einfach nicht schlau genug. Jetzt essen Sie, und dann kommen wir zum Geschäft. Erzählen Sie mir alles über sich.«

      Es war gar nicht schwer. Ich aß ein Konfekt, ich aß noch eins. Mrs. Swabucher gab mir die ganze Schachtel und sagte, ich sollte sie auf dem Schoß behalten. Sie goss mir immer wieder Kaffee ein. Ich erzählte ihr von der Einladung in Merlins Schloss, beschrieb Vanessa und wie grässlich minderwertig ich mir in ihrer Gegenwart vorkam, wie ich mein Gewicht hasste, aber unfähig war, es unter Kontrolle zu halten, und wie ich glaubte, selbst eine vorgetäuschte Beziehung würde mir genügend Selbstvertrauen geben, um das große Wochenende zu überstehen.

      Am Ende meines Vortrages hatte Mrs. Swabucher Tränen in den Augen und putzte sich mit einem rosa Seidentaschentuch geräuschvoll die Nase. »Wie schade, dass mein Jüngster, der arme William, nie Gelegenheit hatte, Sie kennenzulernen.«

      Mir gingen Bilder von einem frühen und tragischen Tod durch den Kopf. Doch Mrs. Swabucher erklärte, letzten Juni habe ihr Sprössling eine unmögliche, emanzipierte Person geheiratet, die für getrennte Ferien sei und gegen Kinder.

      Ich aber war die Gegenwart, mir konnte geholfen werden. Die liebe Frau machte sich umfangreiche Notizen in einer sonderbaren Kurzschrift, die mit Kringeln und Pfeilen durchwoben war: Arbeitsstellen, Hobbys, Vorlieben und Abneigungen, alles kam in einen Topf, wo es eine Weile schmoren sollte, wie Mrs. Swabucher sich ausdrückte. In der Zwischenzeit würde sie ihre Kartei durchgehen und ihre Grübelkappe aufsetzen. Irgendwo da draußen war der Mann, dessen Leben kurz das meine berühren würde.

      »Fahren Sie nicht in ein paar Tagen zu einer Konferenz?«, fragte ich, denn mir fiel plötzlich auf, wie spät es war. Seit zwei Stunden saß ich in diesem Zimmer.

      »Das Mädel ist unfähig, die Wahrheit zu sagen, selbst wenn ihr Leben davon abhinge. Konferenz! Hört sich großartig an, was? In Wirklichkeit besuche ich ein paar Tage meine Enkelkinder. Aber vor dem Vergnügen kommt die Pflicht. Bevor ich irgendwohin fahre, werde ich diesen Mann für Sie finden.«

      Wir erhoben unsere Kaffeetassen und tranken auf Mr. Tadellos, egal, wo er war.

      In der Woche nach meinem Besuch bei der Kultivierten Herrenbegleitung versuchte ich mich damit zu trösten, dass keine Neuigkeiten gute Neuigkeiten sind, aber selbst in meinen Ohren hatte der Spruch einen falschen Klang. Entweder war Mrs. Swabucher übertrieben wählerisch oder ihre Suchexpedition war kläglich gescheitert. Ich hatte ihr Jills Nummer gegeben, denn mein eigenes Telefon, das einem Trappistenkloster Ehre gemacht hätte, war längst abgeschafft. Jedes Mal, wenn ich Jills Schritte auf der Treppe hörte, hielt ich die Luft an, bis ich Sternchen sah. Meistens kam sie nur rauf, um sich von mir ein Ei zu borgen. Ihre neueste Masche war, eins in Salzwasser zu verrühren und damit um Mitternacht zu gurgeln. Ansonsten berichtete sie nur von drei obszönen Anrufen einer Dame aus dem vornehmen Knightsbridge, die Jill für ihren Zeitungsjungen hielt. Am Mittwoch endlich rief sie mich herunter und drückte mir den Hörer in die Hand. Er klinge traumhaft! Falscher Alarm, es war nicht er, sondern nur Mr. Green von der Reinigung an der Ecke, der mir überglücklich verkündete, er habe den Gürtel von meinem blauweiß gepunkteten Seidenkleid gefunden. Ich war drauf und dran, ihm zu sagen, er solle ihn als Wäscheleine behalten, aber er war ein freundliches Männlein und pflegte eine alte Mutter.

      Der Samstag kam herauf und Jill bestand auf einem Einkaufsbummel. Ich müsse unbedingt neu eingekleidet werden für das Wochenende. All mein Jammern, sobald ich den Rücken drehte, werde er anrufen, half nichts und so trottete ich hinter ihr her nach Soho in eine schmuddelige Boutique. Die Besitzerin, eine Schlampe mit verfilztem schulterlangem Haar und einem tätowierten kopflosen Huhn auf dem linken Unterarm, begrüßte uns überschwänglich. Sie, Serena, werde mich verwandeln! Fragte sich nur, in was. Trotz passiven Widerstandes wurde mir ein bodenlanger purpurroter Seidenkaftan aufgezwungen, dessen Ausschnitt mit Perlenstickerei prunkte, während Ärmel und Saum von Goldborte glänzten. Serena und Jill behaupteten, ich sähe märchenhaft aus. Ich hätte es anders ausgedrückt: der Schrecken Arabiens. Aber ein Quäntchen Rückgrat bewahrte ich und verweigerte die Schnabelpantoffeln aus Goldbrokat.

      »Was gluckert denn da so?«, fragte ich, als wir endlich Jills Tür erreicht hatten, völlig durchnässt, denn auf dem Weg von der U-Bahn hatte uns ein Wolkenbruch überrascht. »Hört sich an wie Tobias. Er ist irgendwo eingesperrt. Er erstickt!« Sie nahm ihren Schlüssel raus. »Das ist nicht Tobias. Du weißt ja, wie Miss Renshaw im Souterrain sich aufregt, wenn den ganzen Tag das Telefon klingelt und keiner rangeht. Deshalb schieb ich’s immer, wenn ich länger weg bin, unter den Sitzsack.«

      Ihre Hand verharrte vor dem Türschloss. Wir blickten uns an. »Das Telefon!«, kreischten wir im Chor. »Es klingelt!«

      Ich grapschte nach dem Schlüssel. Jill ließ ihn fallen und mit leisem, metallischem Klackern trudelte er über das dunkle Linoleum. »Rindvieh«, sagten wir gleichzeitig. Auf allen vieren krabbelten wir im Kreis herum, in unserer Panik prallten wir aufeinander.

      »Zu spät!«, schrie Jill.

      »Ist er in eine Spalte gerutscht?«

      »Nein, du Trampel! Das Telefon hat aufgehört. Ah! Hab ihn!« Sie hielt den Schlüssel so weit wie möglich von mir weg und verbot mir, mich zu rühren, bevor sie die Tür aufgeschlossen hatte.

      »Soll ich vielleicht ewig hier kauern? Ich kriege einen Krampf in den Knien.«

      Jill knurrte nur kurz, als ich mich aufrappelte und ihr in die Wohnung folgte. Da standen wir nun in unseren tropfnassen Mänteln traurig mitten im Zimmer; das Telefon hockte da und sagte keinen Ton.

      »Klingle, du schwarze Kröte«, befahl ich und es gehorchte.

      »Geh du ran.« Jill schälte sich aus ihrem Mantel. »Und wenn das wieder diese Labortante ist und fragt, ob ich meinen Körper für Versuchszwecke spende, sag ihr, geben tu’ ich nur im Leben.«

      »Riverbridge 6890«, krächzte ich. Wie kann einer Frau mit siebenundzwanzig schon die Stimme brechen?

      »Ellie Simons?«, kam es vorwurfsvoll vom anderen Ende.

      »Em, äh, was, ah, wer …?«

      »Bentley Haskell. Den ganzen Vormittag versuche ich, Sie telefonisch zu erreichen. Ich habe Mrs. Swabucher im Büro so verstanden, dass es sich um eine Art Notfall handelt. СКАЧАТЬ