Die dünne Frau. Dorothy Cannell
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Название: Die dünne Frau

Автор: Dorothy Cannell

Издательство: Автор

Жанр: Ужасы и Мистика

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isbn: 9783867549929

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СКАЧАТЬ werden: skelettfarbene Wände, Bambusrollos und sparsamster Einsatz ausgesuchter Utensilien. Optischer Mittelpunkt des Raumes war eine silikongepolsterte, geschickt als Empfangsdame getarnte Blondine. Sie saß hinter einem sichelförmigen orangefarbenen Kunststoffschreibtisch, feilte ihre bereits rasierklingenscharfen Nägel, kaute affektiert Kaugummi und blies niedliche kleine Blasen, die genau zu ihrem bonbonrosa Lippenstift passten. Sie sah nicht auf, als ich auf den Wogen einer Engelbert-Schnulze eintrat.

      Ich räusperte mich und schluckte vernehmlich. »Entschuldigen Sie.«

      »Ja?« Goldlöckchen sog den kleinen Ballon ein und schaute noch gelangweilter drein als vorher. »Wenn Sie wegen der Stellung gekommen sind«, die Nagelfeile schmirgelte weiter, »die ist schon weg. Bedaure, aber wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«

      »Welche Stellung?«

      Sie hielt mich für begriffsstutzig. »Na, Putzhilfe, männlich oder weiblich, Berufserfahrung nicht erforderlich, keine Nebenleistungen, Alter Mitte vierzig …«, sie unterbrach sich, »oder wollten Sie die nicht?«

      Konnte ich innerhalb weniger Stunden derartig gealtert sein? Das versprach ja heiter zu werden mit dieser chemieblonden, zuckerlasierten Pute. Ihrem Röntgenblick nach hätte ich eine Raupe sein können, die gerade von einem Silbertablett mit hübsch dekorierten Gurkenschnittchen kroch. Nerven hin, Nerven her, ich würde mich nicht behandeln lassen wie Katzenfutter.

      Ich nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in die Tasche. »Ich bin als Kundin hier, nicht als Ganztagsangestellte. Vielleicht erinnern Sie sich«, ich blickte mich in dem leeren Wartezimmer um, »ich habe heute Nachmittag angerufen und Sie sagten, ich könne ohne Termin vorbeikommen. Hoffentlich habe ich meine Zeit nicht verschwendet. Ich habe nämlich auch Kunden, die deswegen zurückstehen mussten.« Das schluck mal, dachte ich, während ich spürte, wie ihre verschlagenen Äuglein mich langsam von oben bis unten musterten, meinen fallschirmförmigen Mantel, mein solides Schuhwerk. Warum tat ich mir das an?

      »Die Anforderungen der Geschäftsleitung sind, fürchte ich, recht hoch –«

      »Wie hoch? Hätte ich gewusst, dass Sie 92 – 61 – 89 verlangen, hätte ich kein Mittagbrot gegessen.«

      »Schauen Sie, Fräulein, ich hab die Regeln nicht gemacht. Das Leben ist nicht immer fair.« Der Tiefsinn des Tages.

      »Wenn ich so aussehen würde, wie ich Ihrer Meinung nach sollte, wäre ich nicht hier. Also, können Sie mir helfen oder ist jemand zu sprechen, der es kann?«

      Ihr Seufzer ließ die Büroklammern scheppern. »Ich treffe hier nicht die Entscheidungen … Na schön, Mrs. Swabucher will die ausgefüllt haben, bevor Sie reingehen.« Ein Bündel Aufnahmeformulare, deren obere rechte Ecken die unvermeidlichen Herzchen zierten, wurde mir in die Hand gedrückt. »Gehen Sie in das Kabuff neben dem Fenster.«

      Goldlöckchen machte sich nicht die Mühe, aufzustehen; sie winkte lediglich mit einem Kaugummipäckchen. »Da finden Sie, was Sie brauchen, Kugelschreiber, Bleistifte und einen Taschenrechner.« Ich hörte, wie eine Tür am anderen Ende des Raumes auf- und wieder zuging, dazwischen schnappte ich die Worte auf: »Puuh, wir haben Miss World im Wartezimmer.«

      Bis dahin hatte ich Bewerbungsformulare stets gerne ausgefüllt. Sie bescheinigen einem schwarz auf weiß, dass man eine Person ist, die Leistungen, Pläne und Ziele aufzuweisen hat – fein säuberlich tabelliert. Kreuzen Sie Kästchen A, B oder C an und unterschreiben Sie. Kein Platz für Seelenbekenntnisse.

      Ich habe keine Vorstrafen, nicht in Bigamie gelebt und keiner obskuren exotischen Sekte angehört. Aber dieser Fragebogen war offensichtlich das Geisteskind eines Freudianers, der wollte, dass ich mir mein eigenes Grab schaufelte und mich dann auch noch hineinlegte.

      Ob ich bei Benutzung des Badezimmers immer die Tür schloss.

      Ob ich anderer Leute Zigaretten rauchte.

      Welche Art von Nachtgewand ich bevorzugte.

      Irgendwo zwischen diesen kunstgerecht punktierten Linien waren Bomben versteckt, die bei der geringsten Unvorsichtigkeit hochgehen konnten. Ich hatte bereits die Enden von zwei Bleistiften zerkaut und musste befürchten, wenn nicht von diesem Schwachsinn, dann von Bleivergiftung dahingerafft zu werden. Also übersprang ich zwei Zeilen und kam zu einer Frage in größerer Schrift, die mehrmals unterstrichen war. Offensichtlich das Kernstück. »Was war mir im Leben am wichtigsten?«

      A. Eine sexuell befriedigende Beziehung.

      B. Geld.

      C. Die Achtung meiner Mitmenschen.

      Ich war versucht zu antworten: »Bratfisch und Pommes mit viel Majo und Erbsen, eine große Cola und ein Schokoladeneisbecher mit extra Sahne, zwei Kirschen, keine Nüsse.«

      Eine Alarmglocke schrillte, dass mein rechtes Trommelfell platzte. Goldlöckchen war wieder da, fachmännisch hielt sie eine poppige Stoppuhr in ihren kirschroten Krallen.

      »Am besten gehen Sie gleich zu Mrs. Swabucher rein. Sie verreist übermorgen zu einer Konferenz.« Dem blöden Grinsen nach war ich für Goldlöckchen der Witz des Tages. Haltet euch den Bauch und wälzt euch am Boden vor Lachen, hier kommt Miss Wollene Unterwäsche auf der Suche nach Mr. Tadellos.

      Das innerste Heiligtum glich einer gigantischen Puderquaste, kuschelig und rosa und dezent duftend. Alles war rosa – der Teppich, die Tapete, die Vorhänge, der Lampenschirm in Form eines Sonnenschirmchens; sogar der große Schreibtisch in der Mitte des Zimmers war perlmuttrosa und natürlich herzförmig. Hinter dem Schreibtisch saß eine kuschelige ältere Dame, die selber ein bisschen wie eine Puderquaste aussah. In dem rosigen Licht hatte ihr Haar einen rosa Schimmer.

      »Miss, äh, Ellie Simons.« Goldlöckchen knallte meine Testformulare auf den Schreibtisch und stöckelte auf ihren Zwanzig-Zentimeter-Pfennigabsätzen hinaus.

      »Kommen Sie, kommen Sie, meine Liebe. Ach je, Sie sehen ja zu Tode erschrocken aus, Sie Arme.« Mrs. Swabucher kam hinter ihrem Schreibtisch hervorgewatschelt. Zu meiner Überraschung entdeckte ich an ihren Füßen bequeme Pantoffeln mit dicken rosa Seidenpompons, die die Wirkung ihres rosa Wollcomplets zunichtemachten.

      Sie fing meinen Blick auf und zwinkerte mir heftig zu. »Ich weiß, ich sehe damit aus wie eine alte Miezekatze, aber meine Füße machen mir so zu schaffen und meine Tochter Phyllis hat sie mir zu Weihnachten geschenkt. Sie ist das hochgewachsene Mädchen hier auf dem Foto neben dem Jungen mit dem Hamster – meinem Enkel Albert. Geben Sie mir Ihren Mantel, meine Liebe, und ziehen Sie sich den Stuhl heran, damit wir gemütlich plauschen können. Wie wär’s mit einem Kaffee?«

      Das sollte nun der führende Kopf hinter allem sein? Zu meinem Erstaunen merkte ich, dass meine Hände nicht mehr zitterten. Ich war in der Lage, die zierliche Kaffeetasse mit dem zarten Rosenknospenmuster ruhig zu halten. Das Zimmer war wunderbar warm, trotz des Regens, der draußen niederprasselte. Es hätte ein behaglicher Abend bei einer älteren Freundin oder Verwandten sein können, nur dass meine Verwandten alle so behaglich waren wie Giftschlangen.

      »Hat das Mädchen Sie schikaniert?« Mrs. Swabucher nahm wieder hinter den Fotos Platz und nippte an ihrem Kaffee. »Ich wusste vom ersten Moment an, sie ist die Falsche. Aber was soll man machen? Heutzutage ist es absolut unmöglich, gute Kräfte zu finden: schlampig, unverschämt und schrecklich ungebildet. Aber Sie, Miss Simons, Sie sind eine Dame, das sehe ich sofort.«

      »Und der Test?«

      »Ach, zerbrechen Sie sich bloß nicht den Kopf über diesen Unsinn. Das war СКАЧАТЬ