Rattentanz. Michael Tietz
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Название: Rattentanz

Автор: Michael Tietz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Edition 211

isbn: 9783937357447

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СКАЧАТЬ herum.

      »Wenn Mama kommt, nehmen wir ihn mit zu uns! Dann darf er in meinem Bett schlafen!«

      »Und wo willst du dich verkriechen, du Zwerg?«, fragte Bubi.

      »Ich schlaf in Papas Bett. Papa kommt erst morgen zurück. Er bringt mir Muscheln mit.«

      »Wo ist dein Papa?«, fragte Martin Kiefer, Evas erster Mann. Er hatte bisher etwas abseits gestanden und sich aufs Zuhören beschränkt.

      »Papa ist in Schweden. Er kauft gaaanz viele Fische. Und für mich Muscheln.«

      Faust nahm Assauers Arm. Ohne Widerstand, ohne eine Regung, ließ der sich zu Fausts Pick-up führen und stieg ein.

      »Was kochst du, Susanne? Ich hab solchen Hunger!«

      Bubi und sein Vater brachten Assauer in die Küche und drückten ihn auf einen Stuhl. Susanne folgte den Männern und sah sich um. War dies hier wirklich ihre Küche?! So wie jetzt hatte die Küche noch nie ausgesehen! Sie hatte gemeinsam mit Lea das Haus kurz nach dem ersten Flugzeugabsturz verlassen und war seitdem nicht wieder hier gewesen. Im Spülbecken stapelte sich noch das Frühstücksgeschirr und vor dem riesigen Kühlschrank hatte sich eine große Wasserlache gebildet. Faust und Bubi hatten den Fremden mitten durch diese Lache geführt und nur zu gern, so schien es, löste das Wasser den Schmutz aus dessen Schuhsohlen.

      Ohne sich weiter um die Menschen in ihrem Haus zu kümmern, packte Susanne einen Lappen, ging auf die Knie und rutschte über den Küchenboden. Die braunen Schuhabdrücke verschwanden und langsam ging es ihr wieder besser. Peinlich, einen Fremden in eine solche Küche zu führen! So etwas war ihr noch nie passiert!

      Am Küchentisch angekommen, zog sie Eckard Assauer die Schuhe aus und trug sie vor das Haus in die Sonne.

      »Machst du mir ein Brot, Onkel Frieder?«, fragte Lea. Sie hatte wie die anderen seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.

      »Ich mach dir gleich etwas«, sagte Susanne als sie zurückkam.

      »Wollt ihr auch etwas?«

      »Lass das mit den Broten«, entgegnete Faust. »Wir haben noch Fleisch im Gefrierschrank im Keller. Das muss jetzt weg, bevor es verdirbt.«

      Susanne ging zum Herd und probierte die einzelnen Schalter aus. An und aus, an und aus, als erinnere sie dieses Ritual an eine bessere Zeit.

      »Ich werf’ den Grill schon mal an«, sagte Faust. Seine Frau nickte und ließ den Herd in Ruhe.

      »Wie heißt der Mann, Susanne? Darf ich Opa zu ihm sagen? Oder Onkel?«

      »Wir wissen nicht, wie er heißt«, antwortete stattdessen Bubi. Er hat te eine Flasche Wasser vor sich und betrachtete stolz die Bilder im klei nen Display seiner Kamera. Er war zum ersten Mal in seinem Leben wirklich stolz auf sich! Heute hatte er etwas vollbracht, etwas wirk lich Einmaliges und Großes! »Er hat weder Papiere noch einen Reisepass bei sich. Wahrscheinlich kann er nicht einmal unsere Sprache.«

      »Ist doch egal, wie der Mann heißt«, sagte Susanne. »Es gibt nun wirklich Wichtigeres.« Sie leerte zwei Flaschen Mineralwasser in das Spülbecken und begann das Geschirr vom Morgen zu reinigen.

      »Wirklich Wichtigeres.«

      »Dann sag ich eben Opa zu ihm«, entschied Lea. Sie setzte sich ihm gegenüber, stützte das Gesicht in beide Hände und betrachtete Assauer.

      »Aber du hast doch schon zwei Opas«, murmelte Bubi. »Wie heißen sie?«

      »Opa Willi und Opa Gerhard. Aber die sind nie da. Und sie erzählen mir auch nie eine Geschichte.«

      Evas Eltern waren vor vier Jahren an den Bodensee gezogen. Altersruhesitz, mein Kindchen. Da ist das Klima um so vieles angenehmer als hier oben in den Bergen. Eva hatte es nicht bedauert.

      »Der sieht aber auch nicht gerade so aus, als ob er dir viele Geschichten erzählen will«, sagte Bubi. Das Bild des weinenden Assauers, mit seinem Enkel im Arm und den Flugzeugtrümmern im Hintergrund, war das Beste. Reif für ein Titelbild.

      Susanne hatte den Abwasch bewältigt und ging auf die Toilette. Während sie dort saß, fiel ihr Blick auf die heutige Zeitung, die ihr Mann nach dem Frühstück immer mit hierher nahm und dann liegen ließ. 23. Mai, las sie. Dieses Datum wird also jetzt für immer mit den Flugzeugkatastrophen in Verbindung stehen. Und mit dem Tag, an dem der Strom ausfiel. »Und das Wasser!«, murmelte sie, als sie spülen wollte.

      »Oder wie wäre es mit Samson?« Lea hielt den Kopf schräg und betrachtete ihr Gegenüber. Dessen Blick ging ins Leere. Lea sprang vom Stuhl und stellte sich vor Assauer, hoffte, dass er sie doch noch wahrnahm und seine Pupillen bewegte. Aber umsonst, er sah durch das Mädchen hindurch als wäre sie ein Geist, ein Schatten am Abend.

      »Ich bitte dich, Lea! Samson!«, rief Susanne aus dem Bad, wo sie sich kämmte. »Er ist doch kein Zottelbär aus dem Fernsehen!«

      »Dann vielleicht Freitag? So wie in der Geschichte von Robinson, die Papa mir erzähl …« Lea brach mitten im Satz ab. Sie schlug beide Hände vor den Mund und schluckte schuldbewusst. Ihre Ohren glühten. Papa hatte gesagt, dies sei ihr beider Geheimnis, denn Mama würde wahrscheinlich ein bisschen schimpfen, wegen der Kannibalen und so.

      »Was? Dein Papa erzählt dir Robinson Crusoe? Bist du dafür nicht noch ein bisschen zu klein?«

      »Nein. Außerdem hat er das mit den Menschenfressern weggelassen!« Oje, nächster Fehler!

      »Oh ihr zwei«, schimpfte Susanne mit gespielter Entrüstung. Es ging sie nichts an, was ihr Nachbar seinem Kind für Geschichten erzählte. Das war deren Sache. Trotzdem fand sie, dass man einer Siebenjährigen nicht unbedingt diese Geschichte erzählen musste. Sie kannte sie selbst nur aus dem Fernsehen, Bücher gab es in ihrem und Frieders Haus keine. »Dein Vater behandelt dich wie einen Jungen«, sagte Susanne und hatte damit nicht ganz unrecht. Hans Seger hatte sich immer einen Sohn gewünscht, einen Lausbuben mit Zahnlücke und wildem Haar, aufgeschlagenen Knien und jedem Tag einen anderen Streich im Kopf. Und so behandelte er Lea tatsächlich oft wie einen Jungen, erzählte ihr von Tom Sawyer und Huck Finn und ihren Abenteuern mit Indianer-Joe. Meist schlief Lea dabei ein oder spielte mit einer Puppe. Aber (Achtung: Wichtig!) Papa war da!

      »Freitag?«, fragte Lea noch einmal, nachdem Susanne und Bubi ihr versprochen hatten, nichts von ihrem Geheimnis am Abend an Leas Mutter weiterzusagen.

      »Heute ist Mittwoch, Zwerg. Wenn, dann müsstest du ihn Mittwoch nennen und das klingt blöd, oder?«

      »Onkel Mittwoch?«

      Susanne schüttelte den Kopf.

      »Herr Mittwoch! Bitte, Susanne!«, jubelte Lea und tanzte um den Küchentisch. »Wir nennen ihn Herr Mittwoch, nur bis er wieder sprechen kann! Bitte, bitte!«, flehte sie und klammerte sich an Susannes Bein.

      »Wir fragen Onkel Frieder, was er dazu meint. Und Bubi, der hat ihn schließlich gerettet.«

      »Is mir egal, wie ihr ihn nennt. Is mir ganz egal«, sagte Bubi ohne aufzusehen.

      Frieder Faust stand im Unterhemd und mit einer Flasche Bier in der Hand an seinem selbst gemauerten Grill. Auf dem Rost brutzelten Steaks und mehrere Scheiben Speck. Ein Bild, wie aus den besten Zeiten geordneter Kleinbürgerlichkeit. Wäre nicht СКАЧАТЬ