Paganini - Der Teufelsgeiger. Christina Geiselhart
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Название: Paganini - Der Teufelsgeiger

Автор: Christina Geiselhart

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783708105222

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СКАЧАТЬ Kleinen mit den Augen suchte.

      „So ein Unsinn! Wer sagt, sie sei falsch?“

      „Costa sagt es und Costa weiß es. Und ich will, dass der Junge spielt, wie es Costa verlangt.“

      „Warum soll der Junge anders spielen als er spielt, wo er doch besser spielt als alle Schüler Costas, die so spielen, wie es Costa verlangt? Seid ihr denn alle dümmer als ich? Ihr, die ihr lesen, schreiben und rechnen könnt!“

      „Halt den Mund, Weib! Du verstehst nichts.“

      „Mein Herz versteht mehr als dein gelehrter Kopf. Wenn du den Jungen noch einmal schlägst, zerschlage ich die Geige an deinem gelehrten Kopf. Dann kann er die Geige weder falsch noch richtig halten.“

      Der Ärger über sein Weib, gepaart mit dem Ärger über Niccolò, trieb ihn aus dem Haus. Er ging zum Landungsquai. Eine elende Gegend. Egal. Sie entsprach seinem momentanen inneren Zustand. Missgestaltete Häuser standen dicht gedrängt, verwahrlost und armselig. An den offenen Fenstern hingen schlammfarbene Kleidungsstücke zum Trocknen und aus den Wohnungen strömte modriger Geruch, der sich in den gewaschenen Kleidern festsetzte. Antonio strebte die Makkaroni- und Polentastände an, wo er Giorgio Servetto zu treffen hoffte. Seit in Frankreich der radikale linke Flügel der demokratischen Partei herrschte und vielen Adeligen, ob gut oder böse, die Guillotine drohte, nagten leise Zweifel an Giorgios Gesinnung. Er fürchtete, Fillipo Buonarotti beabsichtige, Italien auf ebenso blutrünstige Weise zu revolutionieren. Und so grübelte der einstige Musikstudent darüber, ob er nicht das schwierige Geschäft der Revolution anderen überlassen und in aller Ruhe sein früheres Leben wieder aufnehmen sollte. Heute als Hafenarbeiter, morgen als Geigenlehrer oder auch als Polenta- oder Fischverkäufer.

      Der junge Servetto saß auf dem Boden hinter einem Polentastand und starrte gedankenverloren an den flatternden, Staub und Dreck verteilenden Tauben vorbei, die ihre Schnäbel gierig in die Fleischabfälle stießen, als er plötzlich Antonio erkannte. Er grüßte ihn und winkte ihn heran.

      Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und betrachteten das rege Treiben. Die Händler feilschten mit krächzenden Stimmen oder zeterten unzufrieden einem davoneilenden Kunden nach. Giorgio war wie es den Anschein hatte, nicht zum Arbeiten hier. Er grübelte und träumte, nebenbei teilte er Antonio seine Bedenken mit.

      „Irgendwie möchte ich weiterhin unserer Sache dienen, denn auch ich wünsche die Fremdherrschaft zum Teufel. Allerdings muss das Ganze besser organisiert werden und darf nicht in ein Blutbad ausarten. Bis jetzt sind wir ein Haufen unzufriedener Intellektueller, Bürger, verbitterter Adeliger, Landarbeiter und hie und da stößt sogar ein Priester dazu. Das genügt nicht. Uns fehlt eine gemeinsame solide Basis und Hilfe in den maßgebenden Parteien. Wir haben noch nicht einmal einen Namen.“

      Antonio antwortete nicht. Seine Augen schweiften über die farbige Vielfalt von Gesichtern und vertieften sich in den Anblick eines jungen Mädchens.

      „Wie wäre es, wenn du dich nach einer jungen Frau umsähest, Giorgio? Du bist dreiundzwanzig und solltest an eine Familie denken!“, sagte er unvermittelt.

      „Mit meinen unsicheren Einkünften?“

      „Arbeite wieder als Geigenlehrer. Das bringt was ein. Du spielst doch ordentlich Geige, oder?“

      „Ich habe sie zehn Jahre lang gelernt und kenne mich aus.“

      Sein Satz lieferte Antonio das Stichwort und dieser konnte seine Frage stellen, wobei er mit funkelnden Augen auf den Sohn schimpfte. Kaum hatte er Luft abgelassen, richtete sich Giorgio auf und zwinkerte Antonio von oben herab zu. Warum er nie daran gedacht habe, ihn als Lehrer einzustellen, wollte er wissen.

      „Weil du Geld brauchst, und ich dich teuer bezahlen müsste. Costa macht es fast umsonst, da er Niccolò für eine Sonderbegabung hält, die unbedingt gefördert werden muss. Aber genug davon! Beantworte mir meine Frage.“

      „Bene!“ Giorgio zwinkerte. „An der Bogenführung ist nichts falsch, Antonio!“ Er fischte Tabak aus der Hosentasche, zerrieb ihn auf dem Handrücken und zog ihn durch die Nase. Bevor er weiter sprach, atmete er tief durch. „Lass den Jungen einfach in Ruhe. Wie es aussieht, schwört sein Lehrer Costa auf die französische Methode, weil der Geiger dabei ein elegantes Bild abgibt und sie vom berühmten Sevcik zum Nonplusultra erhoben wurde. Angeblich spielt man dabei auch besser.“

      „Ich hab mich um all das nie gekümmert. Wie sieht das Ganze denn aus, verdammt? Kannst du mir das erklären?“

      „Das Gewicht des Körpers ruht auf dem linken Bein, der rechte Fuß wird leicht nach vorn versetzt. Die Geige hält man zwischen Kinn und Schulter liegend, ohne Stütze der linken Hand, der Ellbogen nach innen, damit die Finger mit Kraft niedersausen …“

      „Das ist mir bekannt. Nur, Niccolò hebt immer eine Schulter etwas höher, so dass er schief aussieht, der Gimpel! Doch was ist mit dem Bogen?“

      „Der Daumen liegt leicht gebogen am Anfang des Frosches, das Ende des Zeigefingers gebogen auf dem Holz, sozusagen zum Ausbalancieren. Während des Spiels ruht die Violine im rechten Winkel zum Körper, das heißt, man hebt den rechten Arm so weit an, bis sich der Bogen mit den Saiten auf gleicher Höhe befindet. Capito?“

      Antonio wackelte mit dem Kopf, zuckte mit den Schultern, murmelte, er habe bei Niccolò nie auf diese Details geachtet und nie wäre ihm seine Haltung oder Bogenführung absonderlich vorgekommen. Im Gegenteil, auf alten Gemälden und Lithographien hielten die Geiger ihr Instrument immer mit einer leichten Neigung nach unten.

      „So lehrt die italienische Schule des 18. Jahrhunderts, doch das ist veraltet. Inzwischen gilt die verfluchte französische Schule, auf die Niccolò offensichtlich pfeift. Diese Franzosen wollen sich überall breitmachen, auch in der Musik, und Niccolò sträubt sich mit Recht dagegen. Sie entspricht ihm nicht. Er hat seine eigene Methode gefunden dank der er genial spielt. Was willst du mehr, Antonio? Fördere ihn, statt an ihm rumzumäkeln.“

      Ein wenig bereute er nun, den Jungen wegen jeder Kleinigkeit so schrecklich verprügelt zu haben. Seine Frau hatte recht gehabt, den schmalbrüstigen Kerl zu schützen. Sie hatte oft recht, obwohl sie ein einfältiges und dummes Weib war und seit der Geburt von Paola ziemlich hässlich geworden. Durch ihre Haare zogen Silberfäden, ihre Haut war bräunlich-gelb gescheckt, aber am schlimmsten sah sie aus, wenn sie zeterte. Jedes Kind hatte einen Zahn gekostet, und da Teresa mittlerweile sieben geboren hatte, fehlten ihr sieben Zähne, zwei davon in der vorderen oberen Reihe. Maria benedetta, hatte Teresa ein gutes Herz. Vielleicht liebte sie sogar ihren Mann. Jedenfalls liebte sie alle ihre Kinder, auch die gestorbenen. Die lebenden hütete sie wie eine Henne, bekochte sie gut, sang ihnen Lieder vor und salbte sie mit Olivenöl ein. Nur schade, dass sie von Hausarbeit nichts hielt. Dreck und Unrat verklebten die Winkel, Staub bedeckte die Möbel, Schimmel die Wände, schmierige Schlieren verunreinigten die Böden, Flecken die Fenster. Diese Wohnung ähnelte einem Hühnerstall. Und in diesen Hühnerstall kam Antonio als geschlagener Gockel auf allen Vieren zurück. Er würde sich seine Niederlage nicht anmerken lassen, stattdessen wollte er Niccolò bald mit einer neuen, besseren Geige überraschen.

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      Vater hat mich nie mehr wegen meiner Haltung geschlagen. Auch nicht wegen irgendetwas anderem. Noch immer ist er streng, manchmal gibt es eine Backpfeife, aber er ist nicht mehr ganz so finster und böse. Als letzten Winter ein englischer Admiral unsere schöne Stadt belagerte, wurde er sogar freundlich. Er versammelte uns Kinder im Wohnzimmer und erklärte, was die Engländer in Italien suchten. Er sagte: Sie wollen mehr Land, mehr Macht und mehr Geld. Ähnlich den Österreichern, СКАЧАТЬ