Paganini - Der Teufelsgeiger. Christina Geiselhart
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Paganini - Der Teufelsgeiger - Christina Geiselhart страница 8

Название: Paganini - Der Teufelsgeiger

Автор: Christina Geiselhart

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783708105222

isbn:

СКАЧАТЬ Moment, als Niccolò sie so emsig intonierte, dass Antonios träge Augen den flinken Fingern kaum folgen konnten und der Junge ans Ende der Etude einen blitzschnellen Lauf der chromatischen Tonleiter setzte, sperrte der Vater auch den Mund auf.

      „Wie alt bist du, verdammt noch mal?“

      „Verzeihen Sie, Padre, aber ich weiß es nicht mehr. Ich kann es mir nicht merken, weil wir die Geburtstage nicht feiern.“

      „Wozu soll ich den Geburtstag eines Taugenichts feiern?“

      Niccolò sah ängstlich zu seinem Vater hoch. Die zusammengepressten Lippen und der drohende Blick verliehen diesem etwas Furchterregendes. Wie um ihn gnädig zu stimmen, spielte Niccolò nun mehrere Tonleitern, einmal von der G-Saite, einmal von der E-Saite ausgehend, aber verzierte sie mit Trillern. Die Töne waren lupenrein und klangen harmonisch. Signore Paganini ließ Milde walten, denn in seinem Kopf arbeitete es. Der Genueser rechnete. Er kalkulierte, überschlug, addierte und zog ab. Als die Kasse in seinem Kopf klingelte entspannte sich sein Gesicht und er sagte:

      „Was sich bezahlt macht, sollte gefeiert werden. Wann ist dein nächster Geburtstag?“

      „Im Herbst, Padre!“

      „Im Herbst, im Herbst“, schrie Antonio, „was für eine Antwort! Jetzt haben wir November und es ist immer noch Herbst. Wann im Herbst?“

      „Es ist noch nicht sehr kalt, aber auch nicht mehr so warm und die Blätter fallen von den Bäumen. Der Himmel ist grau und in der Wohnung muss man heizen.“

      „Dummes Geschwätz!“, brummte der Vater. Dann hob er die Stimme und brüllte: „Signora Paganini? Weib, komme es auf der Stelle!“

      Teresa erschien in einem grauen Tageskleid. Wie üblich hing Paola an ihrem Rockzipfel. „Was wünscht Signore Paganini von seinem Weib?“

      „Wann kam dieser Lümmel zur Welt?“

      „Im Herbst vor …“, sie zählte an ihren Fingern ab, murmelte die Zahlen und fuhr fort,“ … vor acht Jahren.“

      „Das heißt, der Junge ist heute acht Jahre alt?“

      Teresa nickte und schickte sich an, hinauszugehen.

      „An welchem Tag im Herbst ist der Kerl geboren?“

      Nun schaute Teresa betreten. Antonio sah, wie es in ihrem Kopf arbeitete.

      „Ich vergesse die Zahl immer wieder, weil wir seinen Geburtstag nicht feiern.“

      „Geht mir zum Teufel mit eurem Geburtstagsfeiern. Bin ich ein Goldesel? Ich will verdammt noch mal endlich den Tag seines Geburtstags wissen oder muss ich dazu das Stammbuch suchen? Hier in diesem unordentlichen, schmutzigen Haus?“

      Während er schrie, stand Niccolò geduckt daneben, Geige und Bogen hingen an seinem Körper herunter, links die Geige, rechts der Bogen. Teresa runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach.

      „Es war Ende des Herbstes. Der Himmel war grau, es regnete ein wenig und der Wind …“

      „Neiiiiiiin, das hab ich schon mal gehört. Per favore! Man suche mir das Stammbuch.“

      „27. Oktober!“, schoss es da plötzlich aus Teresas Mund.

      „27. Oktober!“, wiederholte Antonio erleichtert. „Na endlich. Der Junge wurde also vor einem Monat acht Jahre alt. Das ist ausgezeichnet. Wer mit acht Jahren so flink spielt, der wird mit 10 Jahren ein ausgezeichneter Kirchenmusikant sein und Geld verdienen. Noch feiern wir deinen Geburtstag nicht, denn du hast ja bis jetzt nichts verdient, aber nächstes Jahr wird gefeiert. Versprochen.“

      Niccolò durfte hinausgehen. Teresa folgte ihm, die scheue Paola am Rockzipfel.

      5

      Sechs Monate später musste sich Antonio eingestehen, dass er dem Jungen nichts mehr beibringen konnte, und suchte Maestro Giacomo Costa auf. Der dreißigjährige Genueser spielte die erste Geige bei Kirchenmusikstücken und schien Antonio genau der Richtige. Niccolò sollte ein angesehener Kirchenmusiker werden. Unter Costas Anleitung wuchsen Niccolò Flügel. Seine Finger füllten sich mit Leben –

      was ihnen beim Unterricht seines Vaters nicht ganz gelungen war – ,

      sie strafften sich, bogen sich. In seinen Fingerkuppen pochte wild das Blut, so dass sie wie Hämmerchen auf die Saiten niederstürzten. Sein linker Arm wuchs und wuchs und endete an der Spitze seines Geigenbogens. Im April 1791, knapp neunjährig, spielte er beim Gottesdienst das Konzert für Violine und Orchester Op. 17 von Pleyel. Von da an übernahm er Costas Rolle als erster Geiger bei Kirchenstücken. Antonio konnte seine Freude über den Erfolg nicht vollständig auskosten, denn noch kam kein Geld herein, außerdem beschwerte sich Giacomo Costa. Der Junge sei wohl begabt und unschlagbar in seinem musikalischen Ideenreichtum, sein Kopf allerdings, der sei nicht nur groß, er sei auch stur. Niccolòs Bogenführung sei haarsträubend und widersetze sich jeglicher seriöser Methode des Geigenspiels. Antonio versprach Costa, den Jungen mit ein paar Backpfeifen zur Vernunft zu bringen. Vermutlich sei ihm der Erfolg in seinen großen Kopf gestiegen.

      Als er am späten Nachmittag zu Hause eintraf und Niccolò folgsam beim Geigenüben vorfand, milderte sich die unterwegs angestaute Wut keinesfalls, nein, sie steigerte sich noch, da er nicht begriff, was an Niccolòs Bogenhaltung falsch sein sollte. Seine Geige zeigte in spitzem Winkel nach unten, als sei ihr Steg ein Opfer der Erdanziehung, und sein rechter Arm, der den überlangen Bogen führte, streifte dabei fast seinen Körper. Was konnte an einer Haltung falsch sein, die so kraftvolle, reine Töne produzierte?

      „Leg dein Instrument weg!“, herrschte er den Jungen an. Verständnislos starrte der Kleine auf den Vater. Was ist geschehen, dass der Vater das Gegenteil von dem wünschte, was er üblicherweise mit strengster Härte verlangt, schien er sich zu fragen. Kaum lagen Geige und Bogen sicher auf der wurmstichigen Kommode, machte Antonio zwei dröhnende Schritte und schlug Niccolò schallend auf die rechte Wange. Sein Kopf flog nach links, da schlug Antonio noch mal so kräftig auf die linke Wange. Der Kopf flog nach rechts.

      „Ich hab alles richtig gemacht!“, stotterte der Kleine zwischen den Ohrfeigen.

      „Du wagst es, mich anzulügen?“ brüllte der Vater. Sein Zorn war nun aufs höchste angestachelt. Heftig atmend packte er den Jungen, riss ihm die Hosen herunter und drosch auf den armen, dürren Hintern ein, bis dieser so krebsrot war wie Niccolòs Gesicht in Zeiten des Scharlachfiebers und bis Teresa rasend vor Empörung ins Zimmer stürzte.

      „Francesco Antonio Paganini, warum verprügelst du unseren armen Sohn so schrecklich? Was hat er getan, dass du ihn klopfst und drischst wie Waschweiber ihre schmutzige Wäsche am Waschtag?“

      „Er führt den Bogen falsch und wirft sich damit Steine in den Weg einer erfolgreichen Zukunft.“

      „Ich halte ihn richtig“, krächzte der Sohn, worauf Antonio zu neuen Schlägen ansetzte. Teresa warf ihren kleinen, doch korpulenten Körper zwischen die beiden und zeterte dabei ohrenbetäubend. Wie ein Schutzwall baute sie sich vor ihrem Kind auf. Sie schleuderte Antonio Schimpfwörter, untermischt mit Fragen und Klagen, ins Gesicht. Antonio erreichte Niccolòs Hintern nicht mehr und hätte auf seine Frau dreschen müssen, was ihm seine Erziehung untersagte. In seiner Familie wurden Frauen nicht geschlagen. Inzwischen hatte sich Niccolò in eine enge Nische im Treppenhaus geflüchtet, wo ihn Antonio nicht fassen konnte.

      „Was СКАЧАТЬ