Paganini - Der Teufelsgeiger. Christina Geiselhart
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Название: Paganini - Der Teufelsgeiger

Автор: Christina Geiselhart

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783708105222

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      Und er zupft, wie eine Katze ihr Fell zupft. Er rupft an den Saiten wie Mama das Huhn am Samstag rupft. Er reißt an der Saite wie Paola an ihrem Haar reißt, wenn sie Flöhe hat.

      „Hörst du, Niccolò?“, fragt er grimmig. Oh ja ich höre sehr wohl und sehr gut. Ich habe kein unharmonisches Ohr wie Sie, böser Padre! Und ängstlich sehe ich zu ihm hoch. Ich kneife die Augen zusammen, und er denkt, ich tue es, weil ich ihn fürchte. Aber es ist die Sonne, die meine Augen blendet.

      „Hörst du, kleiner, nichtsnutziger Kerl, was dein Vater sagt?“

      Ich nicke und er meint, ich sei einverstanden, aber ich denke ganz fest, dass ich nie so zupfen und nie so spielen werde wie Vater, weil ich nicht so spielen und zupfen kann. Niemals! Dieses Instrument, diese Mandoline ist doch kein Acker, auf dem man pflügt, keine Straße, auf der Kutschen fahren, aber vielleicht ist es ein Meer, in dem Tiere schwimmen und das durch eine leise Bewegung des Windes aufgewühlt wird.

      4

      Ein Jahr später ergatterte Antonio am Porto Franco eine Violine. Es war kein wertvolles Instrument, nicht stark im Holz und sehr im Klang beeinträchtigt. Niccolò musste sie vorerst genügen, denn der Vater wünschte dringend, dass sein Sohn die Mandoline gegen ein höheres Instrument eintauschte. Das Mandolinenspiel galt nicht mehr viel, jeder Hanswurst in Genua verstand sie, die wie eine Gitarre mit sechs Saiten bespannt war, zu handhaben. Niccolò war kein Hanswurst, ließen seine langen Gliedmaße auch an eine Marionette denken. Niccolò war der Sohn des Francesco Antonio Paganini und der einfältigen Maria Teresa Paganini, die den blassen Jungen mit Liebe und Volksliedern fütterte. Die sorglos dahin geträllerten Volkslieder der Mutter spielte Niccolò mittlerweile fehlerfrei, ja, er hatte sie im Handumdrehen erweitert, sie mit Trillern ausgeschmückt und durch Ritornelle verlängert. Antonio sah sich als waschechter Genueser veranlasst, noch mehr Geld in diesen Jungen zu stecken. Die Anlage schien gewinnträchtig, deshalb musste er aus dem Kerlchen so schnell wie möglich Können und Talent herauspeitschen. Wunderkinder fallen vermutlich vom Himmel, aber wird der ungewöhnliche Stern nicht gefeilt, poliert und notfalls zurechtgehauen, erlischt sein Strahlen. So dachte Antonio und entwickelte ein Dragonerrezept: Täglich sechs Stunden Violinunterricht. Vorbei die unnötigen Spaziergänge in der Bucht, keine sinnlosen Spiele in der schmutzigen Passo del Gatto mit nichtsnutzigen Gassenbuben und sehr sparsame Liebkosungen von Seiten der stupiden Mutter.

      „Du überforderst das Kind, Antonio. Es wird wieder krank werden und womöglich sterben.“

      „Sei still, dummes Weib! Krank wird er in der verseuchten Gasse, wenn er sich mit liderlichen Spitzbuben herumtreibt.“

      „Niccolò mag keine Spitzbuben.“

      „Und eines sage ich dir: Wird er nicht Musikant, so wird er Bettler. Dann ist es schon besser, er stirbt in jungen Jahren!“

      Teresa wand sich entsetzt von ihm ab. Solange es sich um seine Einsätze handelte, kannte Antonio keine Gnade. Und auf Niccolò setzte er nicht nur Geld, sondern auch seine Zeit, seine Energie und sein Können.

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      In den kommenden Monaten lernte Niccolo eifrig und wagte er es, Müdigkeit zu zeigen, strich ihm der Vater das Mittagessen. Der Alte kannte kein Mitleid, denn er unterstellte dem Knaben eine zähe Natur. Zweimal hatte er den Tod von der Bettkante gewiesen. Der schmächtige Kleine trotzte den porösen Wänden, aus denen feuchte Blasen drangen und Schimmel bildeten, er trotzte den sonnenarmen, stickigen Räumen und dem Gestank des osmanischen Klos im Treppenhaus, der das gesamte Haus verpestete. Tapfer absolvierte er ein klägliches Pensum an Schulstunden, um Schreiben, Lesen und Rechnen zu können, lernte dabei etwas über die Geschichte seines Landes und erfuhr von seinem Lehrer, einem Freund des Dottore, dass nicht nur in Genua italienisch gesprochen wurde, sondern auch in den Kirchenstaaten, in den Herzogtümern Toskana und Parma, im Königreich Sizilien, auch in der Republik Venedig. Dieser Lehrer verriet Niccolò auch, warum die Straßen in allen Teilen des großen Landes schlecht waren, überall Räuberbanden lauerten und es schlimmste Armut, Dreck und Gleichgültigkeit gab. „Weil die Österreicher und andere Eroberer überall ihre Finger drin haben“, erklärte der Erzieher. Den Jungen kümmerte dies nicht. Er freute sich auf das Ende des Unterrichts und das Spiel auf seiner Geige. Er übte mit feurigem Ernst, dennoch ließ er ab und zu die Geige ermattet sinken. Sieben bis acht Stunden täglich erschöpften ihn. Manchmal war er so schwach und taumelig, dass er schwankte. Sein Vater kannte kein Mitleid. Er zog ihm die Ohren lang, bis der Kleine aufschrie und wieder kerzengerade stand.

      „Wie oft hast du die Etude vom Blatt gespielt?“

      „Fünf Mal, Padre!“

      „Was höre ich?“ Er schlug dem Jungen ins Gesicht. „Das ist zu wenig.“ Er schlug ein zweites Mal, weil Niccolò die Ohrfeige reglos hinnahm. „Gib zu, dass es zu wenig ist. Hörst du nicht? Bist du taub?“

      Zögernd schüttelte Niccolò den Kopf. Die Geige hing plötzlich an seinem Arm, als sei sie zentnerschwer. Der Bogen glitt ihm fast aus der Hand. Der Vater schlug ein drittes Mal zu.

      „Natürlich bist du taub. Ich hab dir unzählige Male befohlen, sie so lange zu spielen, bis du sie aus dem Effeff beherrschst.“

      „Das habe ich getan, Padre.“ Der Junge duckte sich, denn drohend schwebte die Hand des Vaters über ihm.

      „Und die Tonleiter? Hast du sie gespielt?“

      „Auf jeder Saite habe ich sie gespielt, Padre!“ Wohlweislich bedeckte Niccolò seine Wange.

      „Wie oft auf jeder Saite?“

      „Zehnmal, Padre!“

      „Die Etude von Tartini hast du fünfmal gespielt und die Tonleiter zehnmal auf einer Saite, ja?“

      „Genau, Padre!“ Niccolò reckte sich vorsichtig. Er war mit sich zufrieden. Nicht so der Vater. Seine Augen traten aus ihren Höhlen.

      „Du wagst es, mir Unfug zu erzählen?“

      „Ich habe gespielt, bis ich sie beherrschte, Padre! Genau wie Sie mir befohlen haben.“

      „Du lügst!“, schrie der Alte und schlug Niccolò auf den Kopf.

      „Du behauptest also, du könntest diese schwierige Übung nach so kurzer Zeit fehlerlos spielen? Behauptest du das?“

      Niccolò nickte sehr zaghaft, nicht ohne dabei seinen Kopf mit der Hand, die den Bogen hielt, zu schützen.

      „Zeig es!“

      Zitternd schob Niccolò die Geige unters Kinn und setzte ganz langsam den Bogen an.

      „Beeile dich, du Nichtsnutz!“ Antonio zerrte an ihm herum. „Los, los, mach endlich. Zeig es mir, du Lügner!“

      Und Niccolò spielte die Etüde von Tartini so langsam, als wolle er jeden Ton auskosten. Er spielte sie fehlerlos, hätte sie gerne ausgeschmückt, traute sich aber nicht. Der strenge Ausdruck im Gesicht des Vaters milderte sich nur wenig. Ein höhnisches Grinsen flackerte in seinen Augen.

      „Das ist nicht schlecht. Aber ich wünsche sie schneller, du kleiner Schwindler. Und das wirst du nicht können, weil du zu wenig geübt hast. Wer mit so dünnen Fingern nur fünfmal diese Etude spielt, kann sie noch lange nicht, selbst wenn er begabt ist. Du bist ein Besserwisser und Aufschneider.“

      Niccolò СКАЧАТЬ