Der Fremde: Ein Gleichniss. Hans von Kahlenberg
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Название: Der Fremde: Ein Gleichniss

Автор: Hans von Kahlenberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066116903

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СКАЧАТЬ oller Freund. Wer so schwach uff seine eijnen Beene steht, sollte man ja nich so forsch jejen Andre losziehen.“

      „Ick nich fest uff meine Beene! Ick bin Dein oller Freund nich. Ick will Dich lehren, mir Aujust zu heissen. Aujust Dir wat in Deine [pg 33]unjewaschne Schnauze. Du – Du – Hurenjäger Du!“

      Er hatte sich schwerfällig erhoben und griff nach der Stuhllehne, um sich daran festzuhalten. Der Tapezier lachte, er gehörte zu Frau Matzke’s eleganten Freunden, die den Haushalt im Gang erhielten. Der Mann in der braunen Weste rührte sich nicht.

      „Aber August! so lass doch!“ machte die Frau gelangweilt. Sie zwinkerte Wernicke zu, Hanne in ihrer sicheren Ecke am Büffet erstickte fast vor unterdrückter Heiterkeit. Sie fand das einen ausgezeichneten Spass.

      Nun wandte sich der Wüthende gegen sie, die Ehebrecherin, in den unfläthigsten Ausdrücken. „Ick will Dir ... Ick will Dir ... Hure ... Hure ... Hure!“ Er sah schrecklich aus mit den sabbernden Lippen, seinen blutunterschossenen Augen, von denen das eine, künstliche, immer gerade blieb, glotzend, ungeheuerlich. Das Wort in seinem dumpfen Laut des Stiergebrülls wiederholte sich. Er packte sein schweres Bierseidel; es flog dicht an ihrem Kopf vorbei in die Fensterscheibe, die splitternd zerbrach. Der Ton schien ihn vollends wahnsinnig zu machen. Er ergriff [pg 34]eins der Seidel nach dem andern und fensterte sie in das Glas. Leere und halbvolle Flaschen flogen nach. Man hörte die Scherben auf dem Strassenpflaster sich knisternd zusammenhäufen. Gleichzeitig drang die kalte, klare Winterluft ein. Der Tapezier weidete sich an seinem Heldenstück. Hanne kreischte, die Hände vor den Ohren, dachte aber nicht daran zu flüchten. Der andre Gast blieb ganz stumpfsinnig.

      „Das giebt ein nettes Christkindchen für morgen. Na, ich bin nur froh, dass ich die Rechnung nicht zu bezahlen brauche.“ Der junge Mann griff nach seinem Hut und Paletot, einem eleganten Paletot mit Sammetaufschlag und hellem Futter. Er hing ihn immer so, dass man das Futter sah. „Ich gehe jetzt, Frau Matzke. Adieu auch. Ich werde erwartet.“

      Sie sagte nichts. In der Thür drückte sie ihm die Hand sehr stark, ihre Nüstern bebten. „Nimm Dich in acht!“ ...

      Durch den Thürspalt nach der Kammer guckten die beiden Kinder. Der Lärm des klirrenden Glases hatte sie aufgeweckt. Sie witterten eine Scene, und waren nun dabei, neugierig, erwartungsvoll.

      [pg 35]

      Matzke hatte seine letzte Bierflasche dem Abgehenden gegen die Thür nachgeschleudert. Sie zerbrach auf dem Fussboden in ihrer braunen Sauce. Frau Matzke fing ruhig an, die Unordnung des Fensters zu repariren. Sie steckte eine weisse Bettplane auf; sie kannte das schon.

      „Nanu? Hier is wohl Polterabend heut’?“ sagte eine lustige Stimme.

      Es war ein Mädchen. Sie trug gescheitelte Haare und ein einfaches Umschlagetüchelchen. An einer gewissen Unordnung des lose gewundenen Nackenknotens, der zerschlissenen, rothen Seidentaille erkannte man die Leichtfertigkeit ihres Berufs.

      „Ich konnte nicht früher kommen, habe auch den Kindern noch was mitgebracht.“

      „Ach Lene! Lenchen!“ In ihren Hemden drängten sie sich um sie. Das Mädchen küsste sie leidenschaftlich. Frau Matzke sah zu.

      Fritz Kuhlemann lachte. „Geht’s Geschäft auch heut’ Abend?“ fragte er boshaft. Der Fuhrmann starrte sie an. Lene Hoff war der eigentliche Grund, weshalb er jeden Abend kam. Er hätte nie gewagt, es ihr zu sagen, ausserdem wusste er ja, dass sie unter Sittenkontrolle stand. Die grosse Hanne zog eine höhnische Fluntsch. Sie [pg 36]hatte das Mädchen nicht begrüsst, als sie eintrat, stand jetzt, einen Arm in die Hüfte gestützt, und musterte sie von oben bis unten. Dann drehte sie sich nach der Thür zu: „Ich muss jetzt raufgehen. Es ist meine Zeit.“ Sie beschäftigte sich sehr viel mit der jungen Prostituirten, ihren Toiletten, ihrem Thun und Lassen. In ihren Gedanken stand sie weit unter ihr; sie war ein anständiges Mädchen.

      Lene pustete sich in die Finger. Sie war immer ein bischen genirt, so lange die Grosse da war. „Kalt ist’s. So’n Weihnachten! Lustig sein! Wir wollen Klavier spielen.“

      Sie hatte sich an’s Klavier gesetzt. Ein Tanz wirbelte hervor unter ihren flinken Fingern.

      Niemand tanzte.

      „Das ist nichts.“ Sie stand wieder auf, schloss den Deckel. Sie näherte sich Fritz Kuhlemann, kraute mit der Hand den untern Teil seines rothen Schopfes: „Na Du?“ ... Die ganze gewerbsmässige Schmeichelei ihres Berufs lag in dem Ton, vielleicht noch mehr. „Bist so eklig heut’, geh! Spendirst mir nicht mal was?“

      „Seh’ ich Dir nach Spendiren aus?“ Man hörte die Leidenschaft aus seiner Stimme. Diese [pg 37]Liebkosung einer Frau stachelte ihn. Er verschlang sie mit den Augen.

      Sie hatte sich auf seinen Schoss gesetzt. „Armer Kerl! Keine Chance. So viel Pech gehabt.“ Er zerdrückte ihr die Lippen mit einem brutalen Kuss. „Du – frech biste!“

      Sie sah den Fuhrmann an. Dieser Mann hätte sie geheirathet. Er hatte vier Kinder zu Haus. Aber ihr graute vor der Langeweile. Ihr Vogelgehirn arbeitete schon auf einer andern Spur wieder, sie hatte den Fremden entdeckt.

      „Wer is denn der?“ fragte sie Frau Matzke.

      Die Frau zuckte die Achseln.

      „War der Josef hier heute?“

      „Er ist eben fort.“

      „Ach darum ...“ Das Mädchen kannte die Leidenschaft der Freundin. Der schöne Tapezier hätte ihr auch gefallen. Sie seufzte.

      „Oed’ ist’s heute. Ich bin vorher gegangen und hab’ mir die Christbäume angesehen. Christbäume, das ist so rührend. Einen ganz grossen sah ich mit Lametta wie Haare. Das möcht’ ich haben.“

      Sie hatte sich wieder an’s Klavier gesetzt. Ein Weihnachtslied klang aus den Tasten.

      [pg 38]

      „Hübsch war das, die Engelchen und Schäfchen in der Krippe. Ich hab’ das mal gesehen, wie ich klein war. In der Kirche.“

      Sie wandte sich wieder an Kuhlemann. „Sag’ mal, Du hast nicht einen Nickel für mich? Zu einer neuen Schleife für den Ball am Sonntag. Kommste mit zum Ball, Schätzchen?“

      Er drehte ein zerfetztes Portemonnaie um vor ihren Augen: „Da sieh.“ ... Der Fuhrmann warf einen Thaler auf den Tisch. Hart klang das Metall auf der Holzplatte. Alle sahen auf. Frau Matzke hatte ihren Besen, mit dem sie die Scherben zusammenfegte, hingestellt.

      Die Lene war näher gekommen wie ein naschhaftes Kind. Der Thaler lag da, und blinkte – brutal, schmutzig gleissend. Sie sog lang den Athem ein.

      „Du rührst nicht dran!“ schrie Fritz Kuhlemann.

      „Wenn man selber keinen Pfennig hat, hat man nichts dreinzureden,“ entschied Frau Matzke schneidend.

      Der Andre wartete, schwerfällig, lauernd, wie ein Jäger, der das Wild in der Falle hat.

      „Ich schlag’ ihn todt!“

      [pg 39]

      Ein scharfes Lachen der Frau traf den Burschen wie ein Hieb.

      Das Mädchen war wie ein lüsternes Mäuschen СКАЧАТЬ