Der Fremde: Ein Gleichniss. Hans von Kahlenberg
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Название: Der Fremde: Ein Gleichniss

Автор: Hans von Kahlenberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066116903

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СКАЧАТЬ sind und mit [pg 61]den Händen in der Luft zeichneten. Nun, ich habe die Königin Luise gesehen. Sie ist zu mir gekommen am Weihnachtsabend und hat mir eine weisse Rose geschenkt. Eine weisse Rose, die duftete. Sie kommt oft zu mir. Der Kaiser Friedrich kommt auch, und Napoleon und der Kaiser Alexander. Ich weiss nicht, warum sie zu mir kommen. Aber sie kommen.“

      Er lachte, ein kleines, ungewisses, eitles, ungläubiges Lachen. Es sollte um Entschuldigung bitten für ihn. Im Grunde war er stolz. Es gab so viel Dinge. Er wusste nicht ...

      „Man fühlt sie, wenn man nicht viel gegessen hat. Und Jeder fühlt sie auch nicht. Manche Menschen schlafen auch die ganze Nacht. Ich zum Beispiel, ich kann sehr oft nicht schlafen. Dann denke ich über Alles nach. O, es giebt sehr viele Sachen! Wenn man wüsste ... Vielleicht ist es auch nicht gut. Man muss essen.

      „... Die Thiere sind klug. Und die Kinder. Sie wissen alles Mögliche, diese Kleinen. Aber sie können nichts sagen. Die Todten können auch nichts sagen. Viele glauben nicht, dass es ein Leben nach dem Tode giebt. Nun, diesen kann man auch nichts sagen. Das ist Alles Gnade, [pg 62]wem es gezeigt wird. Und Viele wollen auch nicht sehen. Ich, ich glaube zum Beispiel an eine Seele.“ ...

      Nervös, schüchtern sagte er das, mit einer schweren, etwas singenden Stimme. Er war wohl gewöhnt, dass man ihn oft für verrückt hielt. Vielleicht war er auch etwas blödsinnig. Aber das waren seine Geheimnisse. Er war stolz auf sie andrerseits. Oft erfüllte ihn eine schlechte Eitelkeit. Er kam sich dann besser wie andre Leute vor, eine strahlende und durchgeistigte Persönlichkeit. Häufig war er auch traurig und verachtete sich. Er hatte oft nichts zu essen. Der Hunger und die Gedanken hielten ihn wach des Nachts.

      Sie waren so auf einem freien Platz angelangt, wo die Strasse aufhörte. Gerade über diesem Platz stand der Mond. Aber er war hinter den Wolken. Die Wolken umwellten ihn, zogen rasch über ihn her. Manchmal versteckten sie ihn ganz. Dann war es noch dunkler, wo er stand. Oder er war am Rande ein heller Fleck. Selbst wenn er ganz von ihnen befreit war, zeigte sein Rund schwarze Flecken wie Wollfasern, hingeworfene Schwämme. Diese Wolken zogen sehr rasch und wechselten ihre Form fortwährend. Manchmal waren sie [pg 63]Kameele, hüpfende Känguruhs oder grosse Schildkröten. Oder auch nur Dämpfe, gezupfte Watte. Auf dem Trottoir kämpften die Laternenstrahlen. Aber das Gas war unruhig im Winde, flackerte hin und her. Metall blinkte zuweilen oder eine Fensterscheibe funkelte schwarz polirt. Weisse Kanten von Gesims oder Mauern leuchteten urplötzlich auf im Dunkeln. Festes schien zu gleiten und Unbewegliches bewegt. Ringsum schlief die Stadt, Dach an Dach und Schornstein über Schornstein. Aber das fratzenhafte, lügnerische Wesen liess sie nicht schlafen. Es webte und irrte.

      Eine letzte Pferdebahn hielt am äussersten Ende des Platzes. Die Pferde waren noch nicht eingespannt. Sie stand unbeweglich. Der Kutscher mochte wohl einen Schlaf halten im Innern des Wagens, bis seine Zeit war.

      Sie waren alle Drei stehen geblieben.

      Die beiden Männer sahen den Fremden an. Sie sahen ihn an, als ob sie warteten. Sie standen da und warteten, fröstelnd, etwas benommen, zwinkernd in das Halblicht ...

      Der Eine war halb aufgefressen vom physischen Leiden. Den Andern trieb die Rastlosigkeit vorbei und weiter.

      [pg 64]

      Alle Beide hatten dieselben cernirten, etwas blöden Augen von einem unbestimmten, sanften Grau mit grünlichen Lichtern, Augen von Nachtthieren, die man mit einiger Ueberraschung entdeckt, weil ihr Funkeln irreführte im Dunkeln, – Schultern, die getragen hatten, und zu hohe, weitoffene Stirnen über fliehenden, demüthigen Unterpartien gutartiger Hunde.

      Sie warteten.

      [pg 65]

       Inhaltsverzeichnis

      Er ging auf’s Land.

      Er kam durch Dörfer, die sich lang hinstreckten in einer einzigen Strasse. Oder eine andre zweigte sich ab vom Mündungsplatz, sehr ausgefahren, in einer flachen Tränke endigend am Waldrand, gleich sehr einfachen, primitiven Verdauungsorganen ganz untergeordneter Thiere. Es gab ärmliche Häuser, abseits im Koth stehend mit zerfallnen Stacketen und windschiefen Mauern, wohlgebaute, schmucke, die steinerne Treppen vor der Thür hatten; weisse Gardinen umrahmten die Fenster über blühenden Töpfen. Recht in der Mitte war die Kirche gebaut. Ueberall hatte man da zuerst die Todten begraben, eh’ man anfing sie hinauszutragen weit abseits in gleichgültiges Flachland. Uralter Epheu kletterte empor nach [pg 66]dem verwitterten Holzthurm. Eine runde Zifferscheibe zeigte die Stunde mit eingerostetem eisernen Finger. Des Abends riefen die Glocken und antworteten sich. Vor dem Wirthshaus stand irgend ein hundertjähriger Baum, eine Ulme oder Linde. Sehr oft war sie schon ganz zerfressen, eine Seite fehlte, dass man hineinsehen konnte, wie in einen hohlen Ring. Aber oben trieben die Aeste noch grüne Ruthen. Die Alten betrachteten sie sorgenvoll, aber die Jungen dachten, dass sie etwas Heiliges wäre und das Glück ihres Dorfes davon abhinge. Die Hühner scharrten in den Fahrgeleisen. Das Vieh wohnte friedlich neben den Menschen. Die Kühe tranken aus der steinernen Tränke am Brunnen. Sie auch waren heilig, freundlich, der Reichthum ihres Besitzers, und sahen mit ruhigen Augen wie Berechtigte, die ihren Weg kennen. Kleine Kinder liefen dem Wandrer nach in ihren Holzschuhen. Oder sie nahmen die Schuhe in die Hand und folgten so auf den blossen Füssen. Sie liefen mit, so lange sie Lust hatten, und kehrten dann um, wenn sie müde waren. Sie standen, den Finger im Mund, mit grossen Augen, sagten gar nichts, und sahen ihm nach.

      [pg 67]

      In den Feldern war man an der Arbeit. Männer stiessen die Pflugschar, langsam, sehr langsam hinter dem Pferdegespann, das sich wie ein Schattenriss abhob vom grauen Frühlingshimmel. Die Erde wellte sich hier in grossen Hügeln, wie Wogen eines Meers, das die Fluth verlassen hat. Man sah den Pflug mit dem Gespann aufsteigen und niedersinken. Manchmal war er in den Schluchten ganz verschwunden; er kroch langsam und steil hinan in runder Schwingung um die Schwellung des Bodens. Rhythmisch drehte und wandte er sich, dem stärkeren Rhythmus der Erdmassen folgend. Ins Graue, Harte schnitten die blanken Schaufeln, es aufwerfend in blanker, oben gekräuselter Scholle. Sehr dunkles Bauernbrot hat diese Farbe. Es duftete vom Frischgebacknen. Die Pferde schritten geduldig. Sorgsam, merkend auf Zahl und Curve der Furchen lenkte der Pflüger. – Sie waren geschritten so seit Jahren. Ihre Väter hatten gepflügt. Die Erde war da, und die Menschen waren vergangen, zur Erde gekehrt wieder.

      Geheimnissvoll in verschwiegenen Furchen keimte die Saat; kleine, schüchterne Hälmchen aus dem festen, lagernden Erdreich. Krähen strichen [pg 68]kraxend über die Felder. Ganz oben zogen Schwärme wilder Gänse in mystischer Keilreihe mit schrillem fernen Kreischen. Der Wind klang wie brauendes Tosen und Kollern, Kobolde und Trollen aus dem Norden, Vorgeborner, Eddabewohner.

      Er kam durch Bergland. Da waren die Menschen arm und wenige.

      Sie wohnten dicht zusammengedrückt in Thälern oder an den Abhängen. Die Berge reckten sich hoch, Kuppe an Kuppe. Runde, langgestreckte, mit breitem, fichtenbestandnem Rücken, oder sie trugen Laubwälder, braun und grün, die ihre Umrisse verbargen. Fast kahle gab es, von Gestrüpp, ganz jungen Hölzern bestanden, zwischen denen man Korn gesät hatte, um den Boden fruchtbar zu machen. Schneisen öffneten Ausluge in grüne Wirrnisse, neue Seitenthäler und auf hohe ernste Wände. Am Wege rankte Brombeergesträuch und man sah zwischen Farrenkräuter wie in grüne, niedrige Dome unter den hohen, wo Elfen hätten spaziren können, Thau schlürfen aus blauen Glockenblumenkelchen oder Honig melken aus den gelben Blüthenrüsseln der wilden Bienensaug. Holz schlug man da in grossen geschichteten Würfeln. Jedes [pg 69]Stück trug den Stempel, die Nummer. Manchmal aus einem verwachsenen Seitenweg zwischen den hohen Gräsern kam ein Arbeiter, der seiner Heimath zustrebte, СКАЧАТЬ