Das Öl, die Macht und Zeichen der Hoffnung. Klaus Stieglitz
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СКАЧАТЬ zwischen den beiden Einheiten gut sei, auch wenn man bis zum 9. Januar 2005 verfeindet war. Manchmal würden die Kommandeure sogar gemeinsam essen. »Spannungen zwischen den Soldaten der JIU gibt es nicht«, sagt er, »allenfalls, wenn sie betrunken sind.« Eine aus Spielern beider Bataillone zusammengesetzte Fußballmannschaft trete gelegentlich gegen andere Mannschaften aus Raga-Stadt an, erzählt er uns weiter, als wolle er illustrieren, wie normal der Alltag nach dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg schon ist. Das Fursan-Problem beschäftigt auch ihn, ebenso der Umstand, dass ihre Anwesenheit und ihre Finanzierung durch Khartum gleichermaßen eklatante Verstöße gegen das Friedensabkommen sind. Allerdings haben die JIUs kein Mandat, Milizen zu entwaffnen.

      Die erfolgreiche Weigerung der Fursan-Miliz, sich entwaffnen zu lassen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Staatsgewalt in diesem Teil des Sudan mit ihrem legitimen Gewaltmonopol nicht wirkt. Der friedliche Abzug der Miliz würde einen Beitrag zur Stabilisierung der Region leisten. Dramatisch aber sind die immer noch aktiv kämpfenden Dschandschawid-Reitermilizen in Darfur. Die Regierung in Khartum hat die arabischen Nomadenstämme mit modernen Waffen ausgerüstet und ausgebildet und sie zu Mitkämpfern auch gegen die rebellischen schwarzafrikanischen Stämme, die – aus Sicht des Nordens – unbotmäßigerweise Teilhabe und eigene Rechte im und am Land einfordern. Die Dschandschawid kämpfen nicht nur gegen bewaffnete Rebellen, sondern gegen die gesamte Bevölkerung. Massenmord, Plünderung und Vergewaltigungen sind die Regel.17

      In Khartum werden bei unzähligen Menschenrechtsverletzungen, die an missliebigen Volksgruppen begangen werden, beide Augen zugedrückt. Man kennt dort die traditionelle Verachtung der arabischen Nomadenstämme für die andersgläubigen und andersfarbigen Ackerbauern im Süden und nutzt sie rücksichtslos für die eigenen Interessen. Nun soll offenbar das traditionell sowohl von arabischen als auch schwarzafrikanischen, christlich-animistischen Volksgruppen bewohnte Darfur von den Missliebigen »gesäubert« werden. Die Rückendeckung durch den Staat setzte alte Konfliktlösungsmuster der verschiedenen Ethnien aus der vornationalstaatlichen18 Zeit außer Kraft. Im Norden konnte man ruhig die Hände in den Schoß legen, während im Süden nur dem Anschein nach unkontrollierbare Gewalt gegen die Zivilbevölkerung entfesselt wurde. Kurz gefasst: Die Regierung gab Menschen zum Abschuss frei.19

      Bei unseren Gesprächen im Flüchtlingslager in Boro treffen wir auf zahlreiche Augenzeugen von anhaltenden Übergriffen sowohl der regulären sudanesischen Armee als auch von deren paramilitärischen Verbündeten. Mehrere Frauen berichten, dass sie am 12. Mai 2007 in der Ortschaft Dafak aus der Luft von sudanesischer Luftwaffe bombardiert worden seien und deshalb flohen.

      Eine 25-Jährige ist mit ihren vier Kindern hierher geflohen und erst seit 25 Tagen im Camp. Sie gehört der Ethnie der Meziriyah an und lebte in einem Dorf im Bezirk Buram. Ihr Dorf Jokan habe sie in einer Montagnacht in der ersten Januarwoche verlassen. In dieser Nacht sei das Dorf angegriffen worden. »Sie kamen in den späten Abendstunden zu Fuß und in Autos. Sie töteten die meisten Bewohner des Dorfs mit ihren Gewehren und steckten das Dorf in Brand. Wir waren alle auf uns allein gestellt. Ich nahm meine Kinder und lief weg. Die Angreifer schossen auch auf mich.« Als wir fragen, ob sie die Angreifer näher beschreiben könne, erzählt sie, dass sie eine schwarze Hautfarbe gehabt hätten, grüne Uniformen mit Rangabzeichen und dunkelblaue Mützen getragen hätten. Abgesehen hätten sie es besonders auf Angehörige der schwarzafrikanischen Ethnie der Zaghawa. Bei dem Überfall seien ihr 30 Stück Vieh und sämtliche Getreidevorräte geraubt worden.

      Kurz nach dem Interview mit der Mutter können wir auch mit ihrer etwa achtjährigen Tochter sprechen. Das Kind erinnert sich, dass es nachts an der Hand seiner Mutter weggelaufen sei und Schüsse gefallen seien.

      Einige Tage später, am 18. Januar 2008, sei das Dorf Malaaka in der Nähe von Rudom überfallen worden, erfahren wir von einer anderen jungen Mutter, die mit ihren drei Kindern ins Lager floh. In den frühen Morgenstunden hätten Dschandschawid das Dorf überfallen und in Brand gesetzt: »Sie kamen um drei Uhr morgens. Ich hörte sie schießen. Da nahm ich eines meiner Kinder auf den Rücken, das zweite vor die Brust, das dritte nahm ich an die Hand und rannte davon.« Später erfuhr die 22-Jährige, dass ihr Bruder bei dem Überfall durch einen Schuss in den Oberkörper verletzt wurde.

      In unserem Bericht für den Human Rights Council der Vereinten Nationen über andauernde Menschenrechtsverletzungen durch die Milizen und das reguläre Militär werden die Augenzeugenberichte wichtige Beweismittel sein.

      *

      Was macht das Salz im Trinkwasser? Erste Spurensuche im Ölfeld Thar Jath: Am 12. Februar 2008 fliegen wir von Raga aus nach Leer, wo wir unser neues Basislager einrichten. Von hier aus beginnen wir unsere Recherche über die Wasserverschmutzung. Noch am Ankunftstag fahren wir von Leer aus in den Nilhafen Adok, der die Erdölfelder verkehrstechnisch an den Wasserweg nach Norden anbindet. Von Adok aus gibt es eine wetterfeste Schotterstraße in ausgezeichnetem Zustand mindestens bis nach Bentiu, der Hauptstadt des Teilstaats Unity. Für den Bau dieser Straße, die die Ölfelder zugänglich macht, mussten die früheren Bewohner der Gegend einen hohen Preis zahlen. Im Jahr 2000 hatte die mit Probebohrungen beschäftigte schwedische Firma Lundin Oil sich bei der Regierung in Khartum darüber beschwert, dass es wegen der schlechten Straßenverhältnisse in ihrem Konzessionsgebiet zu Arbeitsverzögerungen komme. Die nächsten militärischen Aktionen der Regierungstruppen in der Trockenzeit richteten sich gegen die Bevölkerung vor Ort, deren Ansiedlungen einen Straßenbau behinderten. Ganz gezielt wurde für den Straßenbau die Gegend »gesäubert«. Zehntausende Menschen wurden getötet oder zur Flucht gezwungen, ihre Dörfer zerstört20 Bereits im Jahr 2003 legte Human Rights Watch einen fast 600-seitigen Report über diese Zusammenhänge und Hintergründe des Bürgerkriegs im Sudan vor.21 Es hat einen seltsamen Beigeschmack, dass wir es nun auf dieser Straße nach all den holprigen Pisten geradezu genießen, gut und schnell voranzukommen.

      Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg in das Ölfeld von Thar Jath, in dessen Umgebung die Umweltverschmutzungen vorkommen sollen. Wir fahren auf der breiten Straße nach Norden und lassen uns vom Anblick der absolut unberührt wirkenden Natur überwältigen. Das Gebiet, an dessen Rand wir nun unterwegs sind, ist eines der größten zusammenhängenden tropischen Feuchtgebiete der Erde. Der Nil verzweigt sich hier in kaum wahrnehmbarer Fließgeschwindigkeit in ein riesiges Delta. Je nach Niederschlagsmengen und Zufluss durch die Quellseen des Flusses nimmt der Sudd eine Fläche von bis zu 5,7 Millionen Hektar ein, was der Größe Belgiens entspricht. Während der Trockenzeiten weiden Hirten ihre großen Rinder- und Ziegenherden auf dem fruchtbaren Grasland, das hier entsteht. Meterhoch steht dann das Gras. Der natürliche Tierreichtum des riesigen Sumpf- und Überschwemmungsgebiets hat Experten zu einem Vergleich mit der Serengeti veranlasst.22 Vögel in buntesten Farben begleiten uns, ein Weißkopf-Seeadler sitzt direkt an der Straße.

      Uns unbekannte Vogelarten – eine farbenprächtiger als die andere – vermitteln einen ebenso interessanten Einblick in die Artenvielfalt wie eine etwa einen Meter lange Echse, die gelangweilt in der gleißenden Sonne liegt.

      Am Weltumwelttag 2006 wurde der Sudd in Khartum in einer feierlichen Zeremonie als zweite sudanesische Landschaft im Rahmen der internationalen Ramsar Convention23 in die Liste der Feuchtgebiete von weltweiter Bedeutung aufgenommen.24 Damit wurde die außerordentliche Bedeutung dieses viertgrößten Sumpfgebietes der Erde manifestiert. Der Sudd erfüllt alle Kriterien, die für eine Klassifizierung nach der Ramsar Convention vorgesehen sind.25 Einen Schutzgebietsstatus im engeren Sinn bedeutet die Aufnahme jedoch nicht. Für den Schutz ist der Sudan zuständig, der nun gehalten ist, entsprechende Regelwerke und Kontrollmechanismen zu schaffen.26

      Ökologisch besteht das riesige Feuchtgebiet aus zahlreichen verschiedenen Ökosystemen, von offenem Wasser mit Unterwasservegetation, schwimmender Randvegetation, klassischen Sumpfgebieten bis hin zu saisonal überfluteten Wäldern, von Regen- und Flusswasser genährten Grasniederungen, Auen und Buschland. Hier überwintern Vögel, die nicht nur für den regionalen, sondern auch den internationalen Naturschutz von Bedeutung sind, darunter der Rosapelikan, der eine Flügelspannweite von 3,60 Meter СКАЧАТЬ