Das Öl, die Macht und Zeichen der Hoffnung. Klaus Stieglitz
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СКАЧАТЬ Frau Angelina Teny, die seit 2005 in der gemeinsamen Übergangsregierung von Nord und Süd Energieministerin in Khartum ist. Ein merkwürdiges Zusammentreffen. Machar plaudert freundlich ein paar Worte mit uns, fragt auch nach unseren aktuellen Erkundungen. Trotzdem haben wir den Eindruck, gegen eine Wand zu reden. Was wir sagen, interessiert ihn nicht wirklich, hat es den Anschein. Vielleicht denken wir beim Anblick seiner ostentativ zur Schau gestellten Macht auch zu sehr an das Leid der Menschen im Südsudan.

      Seine Frau, die hoch angesehene südsudanesische Politikerin, lässt er nicht zu Wort kommen. 2006 sagte sie auf einer Konferenz in Juba, dass es Probleme mit dem Prozesswasser gebe, das bei der Ölförderung anfällt. Diese seien bei den älteren Bohrstellen im Norden besonders problematisch, die Firmen, die im Süden gerade beginnen, seien hingegen auf einem guten Kurs.41 Möglicherweise schweigt sie auch deshalb, als wir von unserem Verdacht erzählen.

      Am nächsten Tag fliegen wir zurück nach Nairobi. Am Tag darauf halten wir eine Pressekonferenz ab, in der wir den Medien die vorläufigen Ergebnisse unserer Erkundungsreise vorstellen. Dabei fordern wir nachdrücklich die Regierung Sudans zum Handeln auf. Schon allein die von uns gesammelten Zeugenaussagen belegen massive Gesundheitsbeeinträchtigungen und schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt.

      Zurück in Deutschland, übergeben wir am 18. Februar die Wasserproben zur wissenschaftlichen Analyse an ein renommiertes Labor. Das Ergebnis bestätigt die Vermutungen: Das Wasser aus dem Brunnen von Rier erweist sich als stark kontaminiert. Die Analyse ergab einen Gesamtsalzgehalt von 6600,50 Milligramm pro Liter Wasser (mg/l) und eine Belastung mit Strontium in Höhe von 6,7 mg/l. Zudem weist das Wasser dieser Probe einen Nitratgehalt in Höhe von 81,6 mg/l auf. Der von der US-Umweltbehörde EPA empfohlene Grenzwert42 für den Gesamtsalzgehalt von Trinkwasser liegt bei 500 mg/l. Dieser Wert wird bei der untersuchten Probe um das mehr als 13-Fache überschritten. Der Grenzwert für Nitrat liegt bei 10 mg/l und ist damit um das 8-Fache überschritten. Eine Nitratkonzentration in dieser Höhe kann bei Säuglingen schwere Erkrankungen hervorrufen, die bei Nichtbehandlung zum Tode führen können. Die Befunde aus den weiter entfernten Entnahmestellen sind unauffällig.

      Das Ergebnis ist erschütternd. Die kommerzielle Ölförderung in diesem Gebiet hat ja gerade erst begonnen und läuft noch gar nicht mit voller Kraft.43 Hier bahnt sich eine furchtbare Umweltkatastrophe an, wenn nicht gegengesteuert wird. Der Befund der Wasserproben wird mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gegeben. Zahlreiche Medien im In- und Ausland berichten.

      *

      → Exkurs: Woher kommen die

      Verunreinigungen?

      In der Bohrtechnologie ist Wasser als Grundstoff für Spüllösungen von elementarer Bedeutung.44 Die generelle Bedeutung von Bohrspülungen in der Bohrtechnik liegt in der Stabilisierung eines reibungslosen Ablaufs des Bohrprozesses. Bohrspülungen sind während des Bohrvorgangs im Bohrloch umlaufende Flüssigkeiten, die das sogenannte Bohrklein nach oben befördern, den Meißel und das Bohrgestänge kühlen sowie die Bohrlochwand gegen Einsturz absichern. In nicht verfestigten Sedimenten, wie sie in dem betroffenen Gebiet vorkommen,45 werden der Spülung Stoffe zugesetzt, die eine Filterkruste bilden und damit die durchlässigen Schichten des Gebirges46 verschließen, um einen Kollaps des Bohrlochs zu verhindern. Eine gering zu haltende Menge Spülung tritt bis zur Krustenbildung in die durchlässigen Schichten ein und verschließt diese. Die Bohrspülung soll andererseits ebenso ein unkontrolliertes Eindringen von Fluiden oder Gasen aus dem Gebirge ins Bohrloch verhindern. Auch aus Kostengründen ist die Zusammensetzung der Spülung an die jeweiligen geologischen Bedingungen anzupassen.

      Um die Korrosion des Bohrgestänges zu verhindern, wird stets auf ein sauerstoffreduziertes Milieu geachtet. Bei pH-Werten zwischen 10 und 12,5 ist die Korrosionsgefahr für Stahl vernachlässigbar gering. Um den pH-Wert zu erhöhen, werden Natrium, Calcium und Kalium-Alkalien zugesetzt. Bei niedrigeren pH-Werten in der Spülung müssen zum Korrosionsschutz Phosphate, Borate, Chromate oder spezielle Tenside eingesetzt werden. Zu den Alkalien zählen unter anderem KCI (tonstabilisierend) und Pottasche (K2CO3).

      Viele Spülungszusätze haben mehrere Aufgaben zu erfüllen. Dementsprechend ist für Festgestein, Lockergestein, Sedimente oder Sedimentgestein die Bohrspülung jeweils unterschiedlich zusammengesetzt. In Ton und Tonsteinen, wie sie in und um Thar Jath vorkommen, werden z.B. die Bohrlöcher mithilfe von Zugabe von Kaliumchlorid, Kalziumchlorid oder Kaliumsulfat stabilisiert. Dabei werden die in den Tonen vorkommenden Natrium-Ionen durch Kalium oder Kalzium ersetzt, und der Ton nimmt dadurch weniger Wasser auf. Insbesondere Kaliumspülungen haben eine große Bedeutung bei Bohrungen in Ton und Tonsteinen, da sie vor allem in unbekannten Formationen durch die antiosmotischen Eigenschaften des Kalium-Ions die Aufnahme von Wasser optimal verhindern.

      Die Verwendung von Chemikalien in Bohrspülungen unterliegt wegen ihres extrem hohen Gefährdungspotenzials strengen international gültigen Richtlinien. Zudem werden bei der Förderung von Öl konzentrierte salzhaltige Lösungen in die Öl-Lagerstätten injiziert, um so den Druck in der Lagerstätte zu erhöhen. Rohöl wird zusammen mit den vorher injizierten Salzlösungen an die Oberfläche gepumpt. Dort wird das Rohöl vom sogenannten Prozesswasser getrennt. 3 bis mehr als 9,5 Liter Prozesswasser fallen bei jedem geförderten Liter Rohöl47 an, eine unglaubliche Menge. Oftmals salzhaltiger als Meerwasser, kann dieses Prozesswasser auch giftige Metalle und radioaktives Material enthalten.48 Üblicherweise wird das Prozesswasser über ein weiteres Bohrloch in trinkwasserferne Schichten in großen Tiefen zurückgepumpt.49 Wird es über das Oberflächenwasser abgeführt oder mit zu seichten Bohrungen in grundwasserführende Schichten injiziert, besteht das Risiko, dass dieses verseuchte Wasser über Brunnen in den Nahrungskreislauf des Menschen gelangt.

      Im Sudan ist dieses Problem bekannt: Es war bereits im Jahr 2006 Thema einer Konferenz in Juba, in der es um die Neuausrichtung der Ölförderung nach dem Friedensabkommen und der nun möglichen Beteiligung des Südsudans ging.50 Bei dieser Konferenz wurde darauf hingewiesen, dass der US-Multi Chevron, der bis 1983 die ersten Ölquellen erschloss, das erprobte, aber teure Verfahren zur sicheren Entsorgung des Prozesswassers anwendete: Chevron injizierte das verseuchte Abwasser zurück in tiefe Bodenschichten. Erst die Nachfolger entwickelten die Methoden, die die ersten für alle sichtbaren Folgen für die Umwelt zeigten.51 Die Ölreserven im Ölfeld von Thar Jath werden auf 149,1 Millionen Barrel geschätzt.52 Ein Barrel Öl sind 159 Liter. Überschlägig mit einem Mittelwert von sieben Litern Prozesswasser pro Liter Öl hochgerechnet bedeutet das, das 1 659 483,3 Millionen Liter Abwasser zu entsorgen sein werden.

      *

      Am 18. März 2008 bittet Hoffnungszeichen in einem Brief an den Betreiber der Raffinerie in Thar Jath um eine Stellungnahme zu den Testergebnissen. Das in Khartum ansässige Betreiberkonsortium White Nile Petroleum Operating Company Ltd. (WNPOC) gehört zu 67,875% der zum malaysischen Staatskonzern Petronas gehörenden Gesellschaft Petronas Caligari Overseas, zu 24,125% der indischen Oil and Natural Gas Corporation (ONGC) Videsh Ltd. und zu 8% der staatlichen sudanesischen Sudapet (Sudan National Petroleum Corporation).53 Die Zweidrittelmehrheit in dem Konsortium entstand, als Petronas im Jahr 2003 die Anteile der schwedischen Firma Lundin übernahm, die die Quellen erschlossen hatte.54 Als wichtigster Partner der sudanesischen Regierung bei der Ölförderung und -aufbereitung in allen Lizenzgebieten ist Petronas der einflussreichste Stakeholder in Sachen Öl im Sudan.55

      Hoffnungszeichen fordert in diesem Schreiben die Betreiber höflich auf, die Ergebnisse der Wasserproben zu kommentieren und zu erläutern, wie die Abfälle des Produktionsprozesses entsorgt werden und welche Maßnahmen sie planen, um die Bewohner von Rier mit genießbarem Trinkwasser zu versorgen. Eine Antwort kommt nicht.

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      Am 28. März veröffentlicht der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine auf Betreiben Spaniens und Deutschlands entstandene Entschließung zur weiteren Diskussion über das in den Katalog der Menschenrechte zu integrierende Recht auf sauberes СКАЧАТЬ