Название: Muster für morgen
Автор: Frank Westermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Andere Welten
isbn: 9783862871834
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»Moment!« unterbrach Lucky ihn. »Das ist etwas viel auf einmal. Ich für meinen Teil brauche eine kleine Atempause, um das Gehörte zu verdauen. Da kann man doch nicht einfach in fünf Minuten drüber weggehen. Niemand auf der Erde hat so etwas geahnt. Und ich glaube, auch niemand kann sich so eine Gemeinschaft vorstellen – wir eingeschlossen. Habt ihr denn die ganze Zeit hier gelebt, ohne zu wissen, was sonst auf der Erde vor sich geht?«
»Es hat uns auch nicht weiter interessiert«, antwortete ein anderer Mutant – oder war es eine Frau? »Wir waren froh, dass uns keiner störte und hofften, dass sich die überlebenden Menschen vielleicht gewandelt hätten. Dass diese Hoffnung mehr ein Wunschdenken war, hätten wir eigentlich schon an der Existenz der Roboter erkennen müssen.«
»Es wurde uns dann deutlich, als wir vor kurzem wieder mit ihnen zu tun kriegten«, übernahm unser Gastgeber erneut das Wort. »Vor einiger Zeit ebbte die Radioaktivität in diesem Gebiet ab, die bisher verhindert hatte, dass die Menschen sich überhaupt näher mit der Gegend befassten, geschweige denn hierher vordrangen. Wir vermuteten schon lange, dass uns die Pflanzen vor einem Teil der Strahlung abgeschirmt haben. Wären wir ihr auf Dauer ausgesetzt gewesen, wären wir bestimmt irgendwann ebenfalls gestorben. Wir waren ja sowieso immer weniger geworden, obwohl wir eine gewisse Immunität erreicht hatten. Als die Roboter uns mitteilten, dass die Strahlung aufgehört hatte, machten wir auch dafür die Pflanzen verantwortlich. Irgendwie haben sie es geschafft, sie ohne Schaden für sich aufzunehmen und zu verarbeiten. Und prompt landete vor ein paar Monaten – wenn ich mich nicht in eurer Zeiteinteilung irre – an der Küste eine Abteilung dunkelhäutiger Soldaten und begann, einen Stützpunkt zu errichten. Wir zögerten zunächst einzugreifen, da wir keine Konfrontation wollten. Als sie aber versuchten, weiter vorzudringen und ihre Absichten deutlicher wurden, nämlich dass es ihnen darum ging, dieses Land für sich zurückzuerobern – aus welchen Gründen auch immer -, mussten wir handeln. Wir haben sie zurückgedrängt und ihre Antwort war: Flammenwerfer und Napalm. Das Ganze eskalierte schnell und bisher konnten wir die Oberhand behalten, schafften es jedoch nicht, sie ganz zu vertreiben. Sie wissen bestimmt überhaupt nicht, womit sie es zu tun haben, aber wir sind sicher, dass sie bald schwerere Geschütze auffahren, denn dieser Landstrich scheint sehr wichtig für sie zu sein. Anders lässt sich ihre Hartnäckigkeit nicht erklären.«
Es herrschte für eine Weile Ruhe in der Runde. Alle waren von der Erzählung tief beeindruckt, selbst die Mutanten, die ja vieles davon am eigenen Leib miterlebt hatten.
War es schon kaum zu glauben, dass in einem radioaktiv verseuchten Gebiet überhaupt »Menschen« überlebten, so war es noch viel phantastischer, was sich aus ihnen entwickelt hatte. Selbst jetzt fiel es Lucky schwer, an diese bizarre Symbiose von Mensch, Natur und Maschine zu glauben, obwohl er mitten drin war. Es tat sich die Frage auf, ob es an anderen Stellen der Erde, die bisher als unbewohnbar galten, vielleicht ähnlich aussah. Oder ob es vielleicht sogar noch ganz andere »Überlebensformen« gab.
»Wir können doch auf keinen Fall untätig herumsitzen, bis euch die Soldaten direkt angreifen«, knüpfte er schließlich an den Bericht des Mutanten an. »Wahrscheinlich handelt es sich um eine Kommandoeinheit von den Südlichen Inseln, wenn du von dunkelhäutigen Menschen sprichst. Aber das ist ja auch nebensächlich.«
»Welche Chancen rechnet ihr euch denn gegen sie aus, wenn ihr versucht, sie zu verjagen?« mischte sich Kortanor ein.
Auch er schien also zu überlegen, wie der Symbiose-Gemeinschaft geholfen werden konnte.
»Wir sind dabei, so ein Vorgehen zu beraten«, erwiderte eine Mutantin. »Wie gesagt, bisher hatten wir damit keinen Erfolg. Aber wahrscheinlich werden wir um einen erneuten Versuch nicht herumkommen. Wenn ihr uns helfen wollt ... Lucky, Sonnenfeuer und Kortanor sahen sich an. Sollten sie wieder in Kämpfe verwickelt werden? Seit sie ins Sonnensystem eingeflogen waren, hatten sie keine ruhige Minute gehabt. Dieser Planet schien von gewalttätigen Auseinandersetzungen zu leben. Und schließlich standen sie nicht neutral davor. Es ging genauso um ihr Leben, um ihre Zukunft.
»Wir werden sehen, was wir tun können«, fasste Sonnenfeuer die unausgesprochenen Gedanken der drei zusammen. »Aber dazu ist es nötig, dass wir genauer Bescheid wissen über euch und das, was ihr vorhabt.«
»Wir wollen uns morgen zusammensetzen und die verschiedenen Vorschläge diskutieren«, informierte sie die Mutantin. »Aber vorher solltet ihr uns vielleicht erzählen, wie ihr hierhergekommen seid.«
Die drei berichteten abwechselnd in Kurzform über ihre Erlebnisse der letzten Zeit und lösten nun ihrerseits Erstaunen und Verwunderung aus.
Nachdem nun beide Seiten genug Stoff zum Nachdenken hatten, löste sich die Runde schnell auf und alle gingen wieder ihren Beschäftigungen nach.
Sonnenfeuer, Kortanor und Lucky erhielten eine geräumige Pflanzenbehausung zugewiesen, in der sie die Nacht bequem verbringen konnten. Eine Frage von Lucky, ob die Mutanten etwas über den Verbleib Speedys, Sucherins und der Helfer wussten, erbrachte kein Resultat. Alle drei waren nach den Erlebnissen todmüde und fielen sofort in einen langen Schlaf, obwohl die Sonne noch ihre letzten Strahlen durch die Baumwipfel schickte.
10.
SONNENFEUER
Sonnenfeuer war die erste, die am nächsten Morgen aufwachte. Sie stand sofort auf, um sich ausgiebig zu waschen und ein wenig zu essen. Danach suchte sie sich ein ruhiges Fleckchen, wo sie nicht so schnell gestört werden konnte. Die angekündigte Besprechung sollte erst gegen Nachmittag stattfinden. Und das war auch gut so, denn sie brauchte unbedingt Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen und neue Kräfte zu sammeln. Der Anfang gestern hatte sie dabei etwas ermutigt.
Hier etwas abseits von den Robotern und Mutanten konnte sie wenigstens versuchen, sich ein ungeschminktes Bild der Lage zu verschaffen, in der sie sich befand. Es konnte immer noch keine Rede davon sein, dass sie sich besonders wohl fühlte, obwohl dieser Ort natürlich eine Verbesserung gegenüber der Raumstation darstellte. Aber die Umweltbedingungen waren wohl nirgends auf dieser Welt dazu angetan, ein Wohlbefinden bei ihr herzustellen.
Andererseits, sagte sie sich, hatte sie beim Verlassen ihres Heimatplaneten in etwa gewusst, auf was sie sich einließ. Sie war schließlich freiwillig mitgekommen, obwohl der Gedanke an einen Arbeiter-Planeten ihr Schauer über den Rücken jagte. Trotzdem hatte sie es für notwendig befunden, ihren Eingebungen zu folgen, selbst als die Invasion ihrer Heimat bevorstand. Sie war sich nach wie vor sicher, dass ein Kontakt mit Traumschwester für sie unumgänglich und lebenswichtig war, obwohl er zur Zeit in weite Ferne gerückt schien, da die Trennung von Sucherin es nahezu unmöglich machte, einen Realitätswechsel zu Traumschwesters Ebene vorzunehmen. Es war ihr auch nicht klarer geworden, was genau dieser Kontakt mit Traumschwester bewirken sollte, aber sie zweifelte nicht daran, dass er vollzogen werden musste.
Sie dachte an die Tage des Weltraumfluges zurück: ihre anfängliche Neugier, besonders Speedy gegenüber, hatte sich schnell reduziert, als ihr bewusst wurde, in was für einer (Gedanken)-Welt er und Lucky lebten. Sie wussten rein gar nichts СКАЧАТЬ