Die Stimme. Bernhard Richter
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Название: Die Stimme

Автор: Bernhard Richter

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783894878207

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СКАЧАТЬ rel="nofollow" href="#ulink_5494c22f-444b-5a83-9388-918e92d3d542">Abb. 66 a/b) zu sehen sind. Hierunter versteht man nach Seidner und Wendler eine breitbasige Verdickung, die sich in der Phonation vollständig abrollt und in Respirationsstellung wieder ausstreicht (Seidner u. Wendler 1997) (vgl. Kap. 9, S. 176f.).

      Auch einseitige Schwellungen, Ödeme, Polypen, Varizen etc. sind bei professionellen Stimmbenutzern nicht selten, welche die Tonproduktion oder den Stimmklang weder für den Künstler spürbar noch für den Hörer wahrnehmbar beeinträchtigen. So fanden sich in einer Untersuchung unserer eigenen Arbeitsgruppe von 36 professionellen Sopranistinnen bei über einem Drittel der Sängerinnen (15 von 36) verschiedene Veränderungen der Stimmlippen in der Stroboskopie, ohne dass perzeptiv eine Heiserkeit oder eine Einschränkung in der subjektiven Selbsteinschätzung im Voice Handicap Index (VHI) nachweisbar gewesen wäre (Traser et al. 2012). Die verallgemeinernde Bezeichnung »Knötchen« lässt zudem die Tatsache außer Acht, dass viele Veränderungen im Kehlkopf eher eine polypöse Struktur haben oder Ödemen entsprechen, die sich im zeitlichen Verlauf sehr stark verändern können. So bilden sich viele Befunde nach geeigneter medikamentöser Therapie oder durch Stimmübungen im Verlauf von wenigen Tagen oder Wochen vollständig zurück (vgl. Kap. 11, S. 215f.; Richter 2011a). Es erscheint deswegen sinnvoller, allgemein von »Verdickungen« zu sprechen, da in diesem Wort eine mögliche zeitliche Veränderung impliziert ist, während der Begriff »Knötchen« von manchen Patienten als eine unabänderliche Tatsache fehlinterpretiert werden kann.

      Die Magnetresonanztomografie (MRT), auch als Kernspintomografie bezeichnet, ist ein bildgebendes Verfahren, das vor allem in der medizinischen Diagnostik zur Darstellung von Struktur und Funktion der wasserhaltigen Gewebe und Organe im Körper eingesetzt wird. Es beruht auf einer resonanten, elektromagnetischen Anregung der Wasserstoffatomkerne in einem starken statischen Magnetfeld. Im Gegensatz zu Röntgenverfahren wie der Computertomografie, ist die MRT ein nichtinvasives Verfahren, das ohne den Einsatz ionisierender Strahlen auskommt.

      Abb. 67 a/b: MRT-Aufnahmen a) Lunge, b) Vokaltrakt

      Grundzüge der Anwendung von dynamischen MRT-Messungen bei der Artikulation von Vokalen wurden bereits z. B. von Kröger und Mitarbeitern (Kröger et al. 2004) beschrieben. Die Anwendung bei Sängern mit schnellen Sequenzen ist eine Entwicklung der in Freiburg bestehenden Arbeitsgruppe aus Musikermedizin, MR-Physik und Neuroradiologie (Echternach et al. 2008; 2010 a, b; 2011 a, b, c; 2012). Mit dem dynamischen MR können somit für Forscher und Praktiker gleichermaßen anschauliche und instruktive Bilder und Filme erzeugt werden, die dem Auge bisher verborgene Bewegungsvorgänge im Körper sichtbar machen. Bei Sprechern und Sängern können insbesondere die Atmungsorgane (Abb. 67 a) und die Resonanzräume (Abb. 67 b) dargestellt werden.

      Die quantitative Messung von Stimmparametern kann ebenfalls unter verschiedenen Blickwinkeln erfolgen: 1) Stimmfunktion, 2) Stimmgüte, 3) stimmliche Leistungsfähigkeit, 4) Vorhandensein bzw. Ausprägung einer Stimmstörung. Für alle Fragestellungen werden neben den oben beschriebenen Verfahren der Hörbeurteilung und der Visualisierung aktuell vornehmlich akustische Analysen sowie aerodynamische und elektroglottografische Verfahren eingesetzt (Michaelis 1999). Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen der Europäischen Laryngologischen Gesellschaft (European Laryngological Society, ELS), die als Basisprotokoll zur Stimmfunktionsdiagnostik vorschlägt, fünf Methoden anzuwenden (Dejonckere et al. 2001):

      1. auditive Beurteilung des Stimmklangs durch den Untersucher

      2. optische Beurteilung des Kehlkopfes mit Analyse der Feinschwingungen der Stimmlippen

      3. apparative Analyse des Stimmsignals

      4. Messung aerodynamischer Maße

      5. Selbsteinschätzung des Patienten durch normierte Fragebögen

      Die Vielzahl der messbaren Parameter ist verwirrend und es ist keine Schande, wenn man ob dieser Vielzahl manchmal etwas ratlos ist. Bei einigen Parametern ist ihre Wertigkeit für das Verständnis der Stimmfunktion nicht eindeutig geklärt. Ähnlich verhält es sich, wenn man sich die Frage stellt, wie bedeutsam die einzelnen Parameter für die Beurteilung der Stimmgüte bei stimmgestörten Patienten sind.

      Um diese Frage wissenschaftlich korrekt zu untersuchen, wurde von einer multizentrischen Arbeitsgruppe anhand der Daten von 387 Patienten eine Regressionsanalyse durchgeführt. Es zeigte sich, dass vor allem die Parameter Tonhaltedauer, höchste Frequenz, leisester Phonationsschalldruckpegel und Jitter – unter Hinzuziehung der Tonhaltedauer – eine verlässliche Einschätzung des Schweregrades einer Stimmstörung ermöglichen. Die vier Parameter wurden unterschiedlich gewichtet in einem Algorithmus3 aufgenommen, der als Dysphonia Severity Index (DSI) bezeichnet wird (Wuyts et al. 2000). Normale Stimmen entsprechen einem DSI-Wert von +5, ausgeprägt dysphone Patienten entsprechen dem Wert –5. Je kleiner der Zahlenwert umso schlechter ist die Stimmqualität.

      Auf die einzelnen Messparameter und die Programme detailliert einzugehen, würde den Rahmen des vorliegenden Abschnitts weit sprengen. Einen anschaulichen Überblick gibt der Physiker und Gesangspädagoge Josef Pilaj in seinem 2011 erschienen Buch »Singen lernen mit dem Computer« (Pilaj 2011).

      Das ELS-Protokoll und der DSI können nach den Erfahrungen unserer eigenen Arbeitsgruppe auch bei professionellen Sängern durchaus zur Beurteilung der Stimmfunktion und -leistungsfähigkeit herangezogen werden (Echternach et al. 2009; Richter u. Echternach 2010). Jedoch muss man beachten, dass Sänger speziell im DSI meist deutlich höhere Werte aufweisen als Nichtsänger.

      Darüber hinaus sind bei Sängern weitere Spezifika zu beachten, da nicht alle sängerisch wichtigen Parameter durch die standardisierten Protokolle erfasst werden. Zur Beurteilung der Sängerstimme sollte eine ausführliche musikermedizinische Anamnese unter Berücksichtigung der bisherigen Ausbildung, des Repertoires und der aktuell geplanten stimmlichen Anforderungen erhoben werden.

      Neben dem Jitter werden in wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit differenzierten Fragen der Stimmforschung beschäftigen, weitere Auswertungsverfahren wie Shimmer, Harmonic to Noise Ratio (HNR), Relative Average Perturbation (RAP), Normalized Noise Energy (NNE), Cepstral Peak Prominence (CPP) angewendet. Der an einer detaillierten Erklärung dieser Verfahren interessierte Leser sei auf die umfassende Darstellung in dem Buch »Clinical measurement of speech and voice« von Baken und Orlikoff verwiesen (Baken u. Orlikoff 2000).

      Das für die Stimmbeurteilung wichtigste aerodynamische Maß ist die Tonhaltedauer (vgl. Kap. 2, S. 32). Die Vitalkapazität und der aus dem Verhältnis der Vitalkapazität zur Tonhaltedauer zu bestimmende Phonationsquotient СКАЧАТЬ