Fritz und Alfred Rotter. Peter Kamber
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Название: Fritz und Alfred Rotter

Автор: Peter Kamber

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894878313

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      Fritz Rotter begeht den Fehler, ganz auf den Sieg der Revolution zu setzen. Mit der Bescheinigung des Vollzugsrats in der Tasche wagt sich sein Anwalt Grünspach am 26. November 1918 politisch weit nach vorn: Im Gesuch an den neuen Polizeipräsidenten werden die Verantwortlichen der Theaterpolizei, von Glasenapp und sein „Hilfsarbeiter“ Regierungsrat Klotz, schonungslos charakterisiert: Sie hätten „sich wie erbitterte Feinde dem Rechtsuchenden gegenüber benommen, ihn mit Denunziationen verfolgt […], versucht, eine Verhaftung des Gesuchstellers und seines Bruders herbeizuführen“ und „Scheingründe“ angeführt, um Fritz „die Konzession zu verweigern“. „Ein solches Verfahren ist nur in dem gestürzten Obrigkeitsstaate möglich gewesen.“

      Im revolutionären Eifer fordert auch Oskar Kanehl, „einen neuen Fachbeamten unserer Gesinnung neben oder besser noch an die Stelle des bisherigen Dezernenten der Theaterabteilung und seines Mitarbeiters Klotz zu setzen, um diesen typischen Vertretern polizeilicher Willkür endlich die so oft von ihnen missbrauchte Macht aus den Händen zu nehmen“.12 Doch der SPD-Mann Eugen Ernst, der im Januar 1919 für gut ein Jahr neuer Polizeipräsident von Berlin wird13, rührt die Theaterabteilung nicht an. Sofort klagt Glasenapps Untergebener, Regierungsrat Klotz, gegen Fritz Rotter wegen „Irreführung“ des Vollzugsrats.

      Auch die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger – durch Curt von Glasenapp insgeheim mit Akten über Fritz Rotter beliefert – meldet „Bedenken“ an und spricht Fritz Rotter die „finanzielle und moralische Zuverlässigkeit“ ab.14

      Mit dem Ende der Revolution im Januar 1919 schlägt auch in der Theaterpolitik das Pendel voll zurück. Der mächtige alte Gegner Curt von Glasenapp ist wieder unangefochtener Herr der Theaterpolizei und lässt sich selbst mit der untertänigen Anrede „Euer Hochwohlgeboren“ nicht mehr besänftigen: Der „Antrag des Theaterunternehmers Fritz Schaie, Bühnenname Rotter“ um eine Spielerlaubnis wird am 1. Februar 1919 von den neuen alten Leuten in der Theaterabteilung des Polizeipräsidium abermals „wegen Unzuverlässigkeit zurückgewiesen“.

      Der Lyriker Oskar Kanehl aber wird danach über lange Jahre Regisseur der Rotters. 1922 veröffentlicht Kanehl im Band Die Schande eine Auswahl seiner nach 1914 entstandenen Dichtung. „Was jubelt ihr und schwenkt bunte Tücher? Und brüllt den Krieg?“, lautet die erste und letzte Zeile des Gedichts Krieg. Auch in mehreren anderen Gedichten werden die Schrecken des Krieges und seine Folgen direkt, aufrüttelnd und berührend in Sprache gefasst:

      „[…] Dünne Haut zittert über Skeletten.

       Gähnen und Keuchen. Winseln

      und schauriges Wiehern.

       Und alle sind heiß, wo man sie anfasst;

       und riechen abscheulich. […]

      Ein Gaul ist krepiert.

       Ich werde die Nacht mit ihm schlafen.“

      (Wache im Krankenstall)

      „Bespannt von grauem Leichentuche ist der Himmel.

      Das Land schneeüberweht.

      Eiswind peitscht splittriges Glas in unser Fleisch.

      Kein Wetter hemmt den Befehl zum Vormarsch.

      Und kein Opfer.

      Auf gefrorenem Boden hallt unser Schritt hohl,

       als gingen wir auf Sargdeckeln riesiger Massengräber. […]

       Wegweiser zeigen mit schwarzer Hand

       in unbekannte Tode.“

      (Vormarsch im Winter)

      Die Wochenschrift Die Aktion, für die Kanehl seine Gedichte schreibt, ist radikal gegen den Krieg. Schon drei Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erkennt Herausgeber und Kanehl-Freund Franz Pfemfert den Nationalismus als Ursache von Kriegen: „Solange das Volk patriotisch bleibt, solange es an der sentimentalen Vorliebe für das Land, in dem der Zufall es geboren werden ließ, festhält, solange wird es auch glauben, dass sein Land viel mehr wert sei, als das danebenliegende; dass es ehrend sei, dafür zu sterben – solange wird es unmöglich sein, den internationalen Kriegen ein Ende zu bereiten.“15

      Von jetzt an nennen sich Fritz und Alfred nur noch Rotter, nicht mehr Schaie, behalten aber in Oberregierungsrat von Glasenapp ihren unversöhnlichsten Gegner. Möglicherweise gibt diese ernüchternde Begegnung mit der Sphäre der Macht den Ausschlag dafür, dass die beiden Brüder sich fortan nicht mehr politisch äußern.

      Aber sie spielen weiter. Nunmehr auch im Residenz-Theater, Blumenstraße 9, am Bahnhof Jannowitzbrücke, östlich vom Alexanderplatz. Am 18. März 1919 inszeniert Alfred Rotter dort Das höhere Leben, eine neue Komödie von Hermann Sudermann in vier Akten. Lola, die Hauptfigur, ist Pianistin; einst hat sie auf die Liebe eines bekannten Geigers verzichtet; nun lebt sie in Ehe mit einem eifersüchtigen Architekten, der glaubt, seine zwei Freunde hätten sich der Angetrauten „mit Liebesanträgen genähert“: „Ihr Männer“, sagt Lola im Schlussdialog, „seid wirklich nur im Plural zu gebrauchen – […] dazu da, die nötige Reibung abzugeben, damit unsere Persönlichkeit sich ihrer bewusst wird. Dann haben sie gelegentlich Blitzableiter zu sein für unsere seelischen – und auch unsere körperlichen Spannungen […]. Wir Weiber sind jahrtausendelang das Spielzeug des Mannes gewesen – sind genommen, betrogen und verlassen worden, wie’s jedem Narren und jedem Taugenichts beliebte. Jetzt haben wir gelernt, Rache an euch zu nehmen, indem wir den Spieß umdrehen. Jetzt nehmen, betrügen und verlassen wir euch – ganz wie’s uns nützlich scheint oder Spaß macht.“ Sudermanns Das höhere Leben steht unübersehbar unter dem Einfluss von Nietzsche und erscheint wie ein in die Komödie gewendeter Ibsen oder Strindberg. Ihrem Mann, der zu tragischen Gefühlen neigt, sagt Lola im zweiten Akt: „Ach, es ist so traurig. Was für Hoffnungen hab ich auf dich gesetzt! Was sollte das für ein Leben werden an deiner Seite! Ein Rausch – ein Empor zu den Gipfeln! … Und nun diese Plattheit des Alltags!“

      Fritz bleibt seit der Grippe-Erkrankung als Regisseur zunächst im Hintergrund. Für ein formelles Konzessionsgesuch bemüht er sich im Frühjahr 1919 noch um zwei ärztliche Zeugnisse – wegen der alten Lazarett-Geschichte 1916/17. Das eine Gutachten ist kulturgeschichtlich bedeutsam, da es von Magnus Hirschfeld stammt, „Spezialarzt für nervöse und psychische Leiden, Berlin-Moabit, In den Zelten 191“: „Die vorübergehende Triebstörung, an der Herr Fritz Schaie im März 1916 litt, beruhte auf einer durch die militärischen Verhältnisse bedingten seelischen Depression und war im übrigen in keiner Weise geeignet, eine Person in geistiger oder gar sittlicher Beziehung herabzusetzen. Das damalige Leiden ist jedenfalls jetzt völlig behoben.“16

      Der ältere Bruder Alfred leitet unterdessen die Bühnenarbeit. Sowohl im Trianon-wie neu auch im Residenz-Theater ist Direktor Arnim den finanziell beteiligten Rotters weiterhin gewogen. Doch das scheint wenig zu nützen. Einmal mehr greift von Glasenapp zu einem Manöver und droht Direktor Arnim den Entzug seiner Spielkonzession an, wenn es nicht zur „Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zwecke des Theaterbetriebes“ komme. So jedenfalls halten die Rotters den Sachverhalt in ihrer Klageschrift an СКАЧАТЬ