Fritz und Alfred Rotter. Peter Kamber
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Название: Fritz und Alfred Rotter

Автор: Peter Kamber

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894878313

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СКАЧАТЬ waren, abzureisen, meldeten sie sich auf dem Bezirkskommando an. Ihre Post ließen sie sich dann irgendwohin nachsenden. Dort aber – so äußerten sie – möge sie liegen. Sie sagen einfach, sie haben [den] Gestellungsbefehl nicht bekommen. So erhielt ich eines Tages einen Gestellungsbefehl für Schaie ins Feld hinausgesandt, weil sie meine Feldadresse als Nachsendungsort für ihre Post angegeben hatten.“41

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      Zirkus Sarrasani in Dresden, Postkarte von 1916

      In den Tagen unmittelbar vor und auch nach der Festnahme und militärischen Kasernierung von Fritz arbeiten sie noch einvernehmlich zu dritt – Julius Blumenthal selbst ist bis dahin der Einberufung entgangen.

      Für das „sogenannte Wagnerkonzert“ soll Fritz vor Ort in Dresden mit dem Verwalter des Zirkus Sarrasani-Gebäudes verhandeln, Johannes Winkler, Baumeister von Beruf, neununddreißig Jahre alt. Der überlässt dem Trio Schaie-Blumenthal gegen eine Pachtsumme von 1200 Mark am 31. Oktober 1915 das Gebäude des Zirkus Sarrasani für einen Abend. Gewisse Dinge machen den Verwalter aber stutzig. Sowohl Blumenthal als auch Alfred Schaie, beide kurzfristig aus Hamburg hergekommen, hätten sich für die beim Telefonamt bestellten Ferngespräche nur mit „Bl.“ für Blumenthal oder „L.“ für Langenfeld – dem damaligen Theaternamen der Brüder Schaie – angemeldet.

      In seiner Kaserne hat Fritz offensichtlich Ausgang bekommen. Verwalter Winkler: „Am 31.10. wohl schon vormittags waren Blumental und die beiden Schaie da, zuerst kam Fritz, dem ein Trainsoldat einen Karton nachtrug; Fritz Schaie sagte mir selbst, es seien seine Zivilsachen drin. Fritz übernahm die Kasse, verhing die vier Kassenfenster alle so, dass nur eine Öffnung von etwa 30 zu 20 zum Durchreichen der Billette übrig blieb; er blieb auch dabei, obwohl ich dagegen protestierte. Außerdem stand er noch auf einer Kiste, so dass man seine Brust und seinen Kopf nicht sehen konnte. Er wollte sich offenbar unsichtbar machen.“42 Winkler wird misstrauisch: „Nach meiner Überzeugung haben sie alles mögliche getan, um ihren wahren Namen zu verschleiern […].“ Weiter: „Während des Konzertes, und während sich Fritz Schaie in der Kasse befand, ging ich mit Blumenthal und Alfred Schaie im sogenannten Reitergang, der hinter dem Zuschauerraum liegt, auf und ab, und dabei frugen sie mich, ob ich wohl geneigt oder in der Lage wäre, ihnen den Zirkus auf eine längere Zeit, wohl auch bis zu einem Jahr zu fortgesetzten Aufführungen zu verpachten […].“ Mit einem solchen Pachtvertrag hätten sie allenfalls vom militärischen Dienst freigestellt werden können. „Ich antwortete ihnen, dass das vielleicht nicht ganz unmöglich sein würde, um den Angestellten Brot zu schaffen, habe aber auch gleich hinzugesetzt, dass von einem ganzen Jahr dabei keine Rede sein könne.“ Sie einigten sich auf eine vorerst sehr viel kürzere Pachtdauer: „als Endtermin war anfangs der 28.11., bei den späteren Verhandlungen der 31.12. […] in Aussicht genommen“43 worden.

      Da die musikalische Vorführung ausreichend Publikum anzieht, verhandelt Winkler weiter mit Alfred Schaie, der am 8. und 14. November 1915 erneut anreist und unter dem Namen „Rechtsanwalt Dr. Fränkel aus Hamburg“ in „Schillers Hotel“ absteigt,44 zusammen mit einer Frau. Vermutlich ist das schon seine spätere Gattin Gertrud, die Hochzeit findet knapp zwei Jahre später am 10. Juli 1917 statt. Währenddessen erlebt Fritz den Drill der militärischen Grundausbildung.

      Alfred spricht mit Winkler über Theateraufführungen, aber auch über den Plan „eines Lichtspielprogramms im Zirkus Sarrasani“ – er will Kino machen. Winkler fällt aber an Alfred unangenehm auf, dass „er mir stets seine Wohnung verheimlichte und mir auf meine Frage nach seinem Militärverhältnis stets ausweichende Antwort gab“.45 Wie Fritz zuvor gibt sich auch Alfred dem Verwalter gegenüber nur unter dem Bühnennamen Langenfeld zu erkennen.

      Im November 1915 bröckelt die Fassade des Lessing-Verlags. Blumenthal kann die Einberufung nicht länger vermeiden und muss sich am 13. November 1915 in Leipzig stellen. Alfred in Dresden versucht noch am Vorabend das Unmögliche – den Verwalter Winkler vom Zirkus Sarrasani dazu zu bewegen, beim verantwortlichen Major Schwannike zu intervenieren, das heißt die Freistellung von Blumenthal zu verlangen. „Als Begründung sollte ich anführen, sie hätten für die Aufführung das ganze Personal schon engagiert und ohne die Anwesenheit und Mitwirkung Dr. Blumenthals könnten die Aufführungen nicht stattfinden.“46 Der Pachtvertrag „für theatralische Aufführungen“ war abgeschlossen, aber vorerst bis 28. November 1915 befristet. Das Brüderpaar hätte sich eine „längere Dauer“ gewünscht, aber darauf geht Winkler nicht ein. Zwar verwendet er sich für Blumenthal, doch vergeblich.47

      Alfred und Fritz scheinen Winklers wachsendes Misstrauen zu spüren. Sie wissen, dass er von Beruf Baumeister ist. „Mich frugen sie, was ein großes Theater in Berlin zu bauen koste, womit sie mich beauftragen wollten.“ Doch Winkler wendet sich innerlich von ihnen ab. Alfred indes ist bereits damit beschäftigt, Verträge für den Kartenvorverkauf im Zirkus abzuschließen, und zwar mit dem Kaufhaus Herzfeld in Dresden. Er und Fritz machen einem Kassierer mit Namen Liebe das Angebot, „ihn als Geschäftsführer mit einem ganz bedeutenden Gehalt und Gewinnanteil zu engagieren“.48 Sie sehen durchaus die Möglichkeit, das leerstehende Zirkusgebäude den ganzen Winter über zu bespielen. Es sind keine leeren Worte – nach dem Krieg stellen die Rotters regelmäßig genau auf diese Weise frühere Partner ein. Nur ein Theater in Berlin werden sie sich nie bauen lassen.

      In eben diesem Kaufhaus Herzfeld in Dresden wird Alfred am 24. November 1915 verhaftet – fünf Wochen nach Fritz. Er hat Winkler noch erklärt, er werde „voraussichtlich in den Nachmittagsstunden an der Vorverkaufskasse von Herzfeld anzutreffen“ sein. Winkler erscheint inzwischen die „Heimlichtuerei“ von Alfred „in hohem Grade verdächtig“: „trotz wiederholter und dringlicher Fragen nach seiner Wohnung“ verweigert Alfred „deren Angabe […] mit allerhand Ausflüchten“. Zu den letzten Verhandlungen nimmt er sogar eigens seinen Bruder mit: „Fritz Schaie war in Uniform dabei. Ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, dass eine Hinterziehung der Militärpflicht vorliegen würde, weil Blumenthal und Alfred Schaie doch wiederholt von Reklamation vom Militär“ – erbetener Freistellung – „gesprochen hatten. […] Ich nahm deshalb die Hilfe der Polizei in Anspruch […]“.49

      Die Denunziation nimmt der Dresdener Polizeiinspektor Fischer entgegen. Nach der Verhaftung wird Alfred von „Kriminalgendarm Töpfer“ verhört; diesem „soll er sein ganzes Geld angeboten haben, was er bei sich habe, wenn er ihn laufen ließe“50, will Winkler danach erfahren haben. Unter den Wertsachen, die Alfred „im Untersuchungsgefängnis abgenommen“ wurden, befinden sich 670 Mark – Betriebskapital des Lessing-Verlags, das die Bespielung des Zirkusgebäudes hätte sichern sollen. Erst nachträglich bekennt Fritz dem Verwalter Winkler in dessen Wohnung entschuldigend, „Langenfeld sei nur“ der „Künstlername, sie könnten doch ihres Berufes“ – als Juristen – „und der Familie wegen beim Theater nicht unter ihrem wirklichen Namen auftreten“.51 Damals sind solche Künstlernamen weit verbreitet.

      Der Krieg fordert auch unter Theaterleuten seine ersten Opfer. Im Deutschen Bühnen-Jahrbuch 1915 werden auf einer „Ehrentafel“ die Namen von „Bühnen-Angehörigen“ genannt, die „auf dem Felde der Ehre“ fielen: es sind 42; weitere 113 sind verwundet und 77 „mit dem Eisernen Kreuz“ ausgezeichnet worden – von insgesamt 900, die „unter der Fahne stehen“. Ein Jahr später sind es schon 96 Gefallene, 181 Verwundete sowie 160 mit dem Eisernen Kreuz Geehrte unter den 1600 eingezogenen „Bühnen-Angehörigen“. Auch der spätere Ehemann der jüngsten Schwester Ella Schaie, Albert Ullmann, wird 1916 in Frankreich als Arzt im Krieg schwer verwundet und erhält dafür das Eiserne Kreuz. Später wird er Theaterarzt an den Rotterbühnen.

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      Ella, die Schwester von Fritz und Alfred, СКАЧАТЬ