Fritz und Alfred Rotter. Peter Kamber
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Название: Fritz und Alfred Rotter

Автор: Peter Kamber

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894878313

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СКАЧАТЬ der Schwester, ein Rechtsanwalt, den jungen Mann „in die Schule des Lebens schicken“ will und an seine Ex-Geliebte Hella verkuppelt – eine „muntere, von keiner Moral schlaflos gemachte, schillernde Dame“, die der Dichter Fulda „sehr gut gesehen, sehr gewandt mit neunundneunzig reizenden Lastern und einem einzigen Sehnsuchtsblick nach Reinheit ausgestattet hat“.76 Hella nimmt es mit der Wahrheit über ihr eigenes Leben nicht so genau und belügt Gert über die eigene Biografie. Später im Stück sagt Hella: „Ich bin, was man aus mir macht. Ein Engel oder ein Teufel, je nachdem. […] Du bist meine Kreatur, ein Jüngelchen, das ich zum Mann werden ließ. […] Keine, der nicht zu meinem Sklaven würde, falls ich ihn dazu haben wollte.“77

      Just an dieser Stelle hat Ludwig Fulda in der Originalfassung mit der Mobilmachung 1914 eine Deus-ex-Machina-Lösung gesucht. Diesen pathetischen Schluss lässt Fritz Rotter weg. Keine Soldatenlieder, die vom Sammlungsplatz in Leutra dringen, keine Phrasen über den „Grabgesang einer alten Zeit, das Wiegenlied der neuen“, keine Ankündigung: „Der Tag des Weibes ist zu Ende; der Tag des Mannes steigt herauf.“ Und Gert antwortet auch nicht: „Krieg! So weiß man wenigstens, wie man mit Anstand sterben kann.“ Gestrichen die letzte Regieanweisung: „Gert vernimmt in sich selber den großen Appell. Eine merkwürdige Veränderung geht mit ihm vor. Seine Züge werden stählern; seine Glieder straffen sich.“

      Der neue Schluss Fritz Rotters lässt den Ausgang des Spiels zwischen Hella und Gerd bewusst offen. Das Berliner Tageblatt fragt sich: „Lockt Hella, die Sirene, den reinen Jüngling Gert in sein Verderben? Oder ‚wird er sich wiederfinden‘, wie jetzt das Schlusswort des Schauspiels lautet? Genau erfahren wir es nicht.“78 Die Neue Zürcher Zeitung berichtet: „In einer früheren Fassung sollte der Krieg die Erziehung des Unerfahrenen zur Männlichkeit durchführen; jetzt wird ihm das Los aufgebürdet, sich in den Lauf der Welt zu finden.“79

      Fritz Rotter entzieht sich geschickt jeder Kriegspropaganda, und bezeichnenderweise kommen die beiden Brüder ausgerechnet mit diesem Fulda-Stück in der Schlussphase des Kriegs wieder hoch. Wenn das Stück in der abgeänderten Fassung in Berlin zum Zugstück wird, nachdem es in Hamburg untergegangen ist, dann wesentlich deshalb, weil am Trianon-Theater die Geschlechterbalance und der Eros in seiner weiblichen Form eine Rettung finden. Das wird, nach den Lehrjahren mit Strindberg und der unverwüstlichen Benedix-Hochzeitsreise, zum Rotter’schen Erfolgsrezept für Berlin.

      Alles bisher Geschilderte wäre vielleicht, so gesehen, nur ein Blick zurück, eine traumartige Schlaufe der Gedanken, wie sie Fritz Rotter 1932, zurückgelehnt, gleichsam bei angehaltenem Atem, durch den Kopf gegangen sein könnten, während sein kleingewachsener Friseur, das Faktotum Archibald, ihn am späteren Morgen in der Villa in Grunewald – etwa nach einer langen Probenacht mit Fritzi Massary für Eine Frau, die weiß, was sie will – mit scharfem Messer nass rasiert …

      Wer Haare schneiden und mit der langen Klinge rasieren kann, versteht sich auf Psychologie, reagiert auf den feinsten Wink. Archibald, der diskret bleibt, weiß mit Sicherheit mehr als die Presse, kennt auch die Gespräche der beiden Brüder untereinander – das „Man würde ja gern, man könnte auch, wenn man nicht müsste, sondern dürfte“ –, je nachdem, in welcher Stimmung Menschen gern oder ungern einen ereignisreichen neuen Tag beginnen.

      Wenn hingegen Uraufführungen bevorstehen, geht der Blick in den Rasierspiegel und nicht selten in die eigene Vergangenheit. Und möglicherweise wird der belesene Fritz Rotter bei Archibald dann und wann auch an die Bemerkung eines „Buckligen“ im Roman Modeste Mignon von Honoré de Balzac gedacht haben: „Ach, was Sie für meinen Buckel halten, ist das Futteral meiner Flügel.“80

      In solchen stillen Momenten im Haus hält Gertrud Rotter, wie zu vermuten ist, in ihrem Tagebuch die laufende Chronik fest. Nur zwei Einträge sind überhaupt erhalten. Am Sonntag, 24. April 1932, schreibt sie über eine Nachmittagsprobe mit ihrem Mann: „[…] Alfred alles geändert. 5 Uhr zuhause. Tauber mitgegangen. […]. Tauber dabei bis 7 Uhr.“ Und zum Ablauf des Montags, 9. Mai 1932, notiert sie: „Zu Tisch allein. Zum Café Dénes, Barsony, Bernhardy und verschiedene Leute zum Vorsingen. Ab 6 Uhr [18 Uhr] Lessing-Theater Generalprobe, klappte noch gar nicht. Bis [0]3 Uhr geprobt. Zu Hause noch viel geredet bis [0]4 Uhr.“81

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      Ida Wüst als Hella in Der Lebensschüler am Trianon-Theater, 1917

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      AKT II

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      Die Wohnung haben die Brüder Rotter um die Wende 1917/18 noch immer bei ihrem Vater am Kurfürstendamm 42. Fritz, der Jüngere, der als Regisseur im Rampenlicht steht, zeigt sich von überschäumendem Optimismus. Der Erfolg im Berliner Trianon-Theater ermöglicht ihm nicht nur eine Beteiligung an diesem Bühnenhaus, sondern auch gleich den Abschluss eines Pachtvertrags. Er braucht nur noch die Theaterkonzession, um die er sich offiziell im Polizeipräsidium bewirbt. Im Lebenslauf vom 14. Dezember 1917 schreibt er: „Trotz der großen Skepsis, mit welcher meinem Plan in Theaterkreisen begegnet wurde, ist mir in Gemeinschaft mit Herrn Direktor [Hans] Arnim die Ausführung meines Vorhabens in kurzer Zeit gelungen. Dank meiner persönlichen Beziehungen sind erste Künstler und Autoren für die Bühne gewonnen worden.“ Er selbst „halte dem Theaterunternehmen ein beträchtliches Kapital zur Verfügung, welches aber dank der ausgezeichneten Einnahmen nicht gebraucht wird und nur als Reserve dient“.1

      Als erste Schwierigkeiten auftauchen, reicht er am 2. Januar 1918 ein abgeändertes Gesuch ein. Es wirkt schon wie ein verzweifelter Appell: „Ich bitte hiermit ganz ergebenst, mir die Konzession für das Trianon-Theater zu erteilen.“ Sein „Eintritt in das Trianon-Theater“ bilde „den vorläufigen Abschluss meiner fast 10-jährigen Bühnentätigkeit“: „Werke erster Autoren wie: Strindberg, Hermann Bahr, Hans Müller, Eduard Stucken, Henrik Ibsen, Hermann Sudermann und Ludwig Fulda wurden zu diesem Zwecke erworben, Schauspieler von Rang wie: Ida Wüst, Erich Kaiser-Tietz usw. verpflichtet. Meine Bemühungen waren nicht erfolglos. Ludwig Fuldas Lebensschüler verschaffte dem Theater einen großen künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolg.“

      Zu diesem Zeitpunkt wirkt Fritz längst auch als künstlerischer Direktor. Der Konzessionsinhaber des Trianon-Theaters, Hans Arnim, hat den „Beteiligungsvertrag“ mit ihm schon fast ein Jahr zuvor, am 6. Februar 1917, abgeschlossen. Das Schriftstück ist zwar von einem Rechtsanwalt „beurkundet“, erweist sich aber als „unzulässig“, da Fritz eine eigene Konzession als „Schauspielunternehmer“ noch fehle: Eine „Verfügung“ der Theaterabteilung im Polizeipräsidium schließt für ihn „leitende Befugnisse“ kategorisch aus. Deshalb sieht er sich gezwungen, selbst um eine Konzession „gemäß den Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung (§ 32)“ zu „ersuchen“. Er legt kurze Empfehlungsschreiben bei, unter anderem ein undatiertes von Alfred Kerr, das sich offensichtlich auf die Vorkriegszeit bezieht: „Herr Fritz Schaie-Rotter hat als Bühnenleiter und Regisseur wertvolle dramatische Werke der Öffentlichkeit in ausgezeichneter Wiedergabe vermittelt. Von ihm ist an ersten Theater[n] Berlins ernste künstlerische Arbeit geleistet worden.“2 Auch eine Bestätigung des berühmten Altphilologen Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff fügt Fritz Rotter dem Gesuch hinzu: „Herrn Oberregisseur Sch[aie] СКАЧАТЬ