Fritz und Alfred Rotter. Peter Kamber
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fritz und Alfred Rotter - Peter Kamber страница 16

Название: Fritz und Alfred Rotter

Автор: Peter Kamber

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783894878313

isbn:

СКАЧАТЬ des Theaters seien“. Die Brüder beteuern, ein „behördlicher Eingriff“ sei nicht „erforderlich“, das beweise „der ausgezeichnete Gang derjenigen Theater, an denen wir künstlerisch und wirtschaftlich interessiert sind, nämlich des Trianon-Theaters und des Residenz-Theaters“.

      Den Rotters wird später die undurchsichtige Schachtelkonstruktion ihrer Bühnen stets angekreidet – diese ist aber, das zeigen die Akten, „auf Verlangen des Herrn Dezernenten der Theaterabteilung erfolgt“.17 Oberregierungsrat von Glasenapp beruft sich auf andauernde, möglicherweise auch nur vorgeschobene Klagen der Bühnengenossenschaft und droht am 11. April 1919, vier Tage vor der Einreichung der Klageschrift durch die Rotters, bereits mit der zwangsweisen Schließung des Trianon-Theaters.

      Der SPD-Polizeipräsident unterschreibt daraufhin nicht nur brav, dass die Bühne zum 28. April 1919 den Betrieb einzustellen habe, sondern verfügt auch: „Das Polizeirevier ist angewiesen, von diesem Datum an den Verkauf von Theaterbilletts und den Besuch des Theaters durch das Publikum zu verhindern.“ Ein beispielloser Akt für die Theaterstadt Berlin – nur wenige Wochen nach dem Ende der Revolution. Von Glasenapp hat dem Polizeipräsidenten erfolgreich eingeflüstert, dies geschehe „mit Rücksicht auf das Gemeinwohl, welches die Duldung eines ungesetzlichen Zustandes unzulässig erscheinen lässt“, deshalb werde „die Verfügung […] auch dann zur Ausführung gebracht“18, falls sie von den Rotters angefochten werde – und von Glasenapp bekommt auch für diesen Passus die Unterschrift des Polizeipräsidenten. Da aber meldet sich das von Arbeitslosigkeit bedrohte Ensemble zu Wort. In einem überraschenden Umschwung wird dem Trianon-Ensemble eine „Notkonzession“ für einen „von ihm präsentierten Vertrauensmann“ erteilt. Und das Ensemble wählt „als Vertrauensmann des Personals“ – Alfred Rotter.

      Der jüngere Fritz verschwindet in dieser Zeit von der Bildfläche, Alfred nimmt nach außen den Platz des anscheinend nicht mehr durchsetzbaren jüngeren Bruders ein. Beide aber wissen, dass die Zukunft noch vor ihnen liegt – und sie denken in weiten Zeiträumen: Im Juni 1919, eigentlich auf dem Tiefpunkt, schließen sie für das Jahr 1924 einen Pachtvertrag mit dem Besitzer des Lessing-Theaters, Victor Freiherr von Hartogensis. Bis dahin hat dort Direktor Victor Barnowsky „Hausrecht“.19 Diese Nachricht erreicht sogar das ferne Wien: „1924 ziehen Rotters ins Lessing-Theater ein – der Kreis ihrer Karriere schließt sich dort, wo er 1908 begonnen hat.“20

      Alfred Rotter führt am 1. Oktober 1919 im Trianon-Theater das Stück Maskerade von Ludwig Fulda auf. 1904 als „Schauspiel“ entstanden, wird es nun als Komödie gegeben – mit Käthe Dorsch, die „von der Operette zum Schauspiel übergesprungen ist“. „Man erhält viel zu lachen und einiges zu weinen. Tränen der Rührung wechseln mit Schmunzeln und Ausbrüchen der Heiterkeit […].“21 Käthe Dorsch wird von den Rotters als Schauspielerin entdeckt und mit dieser Aufführung groß gemacht. „Unverändert gesellschaftskritisch“ sei der Titel des Stücks, „der die Heuchelei“ meine – „in sexuellen Dingen“, fügt die BZ am Mittag in Klammern hinzu.22

      Mit einer Unterschriftensammlung vom 27. Oktober 1919 erzwingt das Ensemble des Trianon-Theaters die Umwandlung der Notkonzession Alfred Rotters in eine dauerhafte Spielerlaubnis. Auch Käthe Dorsch und Oskar Kanehl unterzeichnen. Der Deutsche Bühnen-Verein unter dem geschäftsführenden Direktor Baron zu Putlitz stimmt drei Tage später der Erteilung einer „Vollkonzession“ zu. Die Bühnengewerkschaft, die Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger unter Gustav Rickelt, unterschreibt ebenfalls. Rickelt gilt als sozialdemokratisch, hat aber unter dem Einfluss des Sperrfeuers von Glasenapps bislang gegen die Rotters Stellung bezogen. Nun die Kehrtwende: „[…] seit ca. 6 Monaten ist Nachteiliges über die Geschäftsführung des Alfred Rotter nicht bekannt geworden“, bescheinigen die Präsidenten beider Bühnen-Organisationen.

      Mit neuer Zuversicht sichern sich Alfred und der in den Hintergrund getretene Fritz im November 1919 bei Frau Baronin Tilly von Hartogensis, der Witwe des inzwischen verstorbenen Lessing-Theater-Besitzers, sogar ein Vorkaufsrecht auf dieses ins Auge gefasste Prestigeobjekt. Ihre Zeit, das spüren sie, hat eben erst begonnen.

      Wie sehr jeder der beiden als Person ein eigenes Profil entwickelt und sie beide sich doch als Bruderpaar ergänzen, hat der ehemalige Direktor des Deutschen Schauspielhauses, Alfred Lantz, gegenüber der Theaterabteilung im März 1918 so umschrieben: Er könne „nicht sagen, dass einer der beiden Brüder stark unter dem Einfluss des anderen gestanden hätte“.

      Das Publikum strömt in hellen Scharen zum Trianon- und zum Residenz-Theater der Rotters – diese wählen ihre Stoffe wie für den Film, und nichts scheint rückwirkend so bedauerlich wie die Tatsache, dass sie den Sprung zum Kino nicht geschafft haben. „Sie […] bringen die amerikanische Note in das Direktoren-Konzert hinein. Man gibt ihnen gern noch Unterhaltungstheater, weil sie die einzigen sind, die für die großen Preise im Nehmen und Geben Verständnis haben.“23

      Wie sehr sich die Stimmung in Berlin wandelt, zeigt auch ein Kabaretttext aus dem Jahre 1921, den der Schauspieler Curt Bois, glänzender Vertreter des komischen Rollenfachs, in seinem Buch Zu wahr, um schön zu sein zitiert: „Das ist ein Abend, was? Friedliche Zeiten. Der Krieg kommt so schnell nicht wieder. Die Revolution hat keinem geschadet – außer den Revolutionären. Jeder will sich amüsieren. Wer klug ist, steckt sein Geld in die Vergnügungsindustrie.“24

      Als Fritz Rotter nach längerer Pause wieder als Regisseur auftritt, mit Käthe Dorsch in der Hauptrolle, wählt er das Sturm- und-Drang-Stück Evchen Humbrecht von Leopold Wagner, das im Original Die Kindermörderin heißt. Die Premiere findet am 29. November 1919 unter gespannter Erwartung der Kritik im Residenz-Theater statt.25

      Der früh verstorbene Straßburger Goethe-Zeitgenosse Heinrich Leopold Wagner (1747–1779) hat sein Stück 1776 als ein Trauerspiel verfasst, das im Bordell beginnt und mit der Tötung des unehelichen Kindes durch Evchen endet. Dann schrieb er es um – die Bordell-Szene strich er und ersetzte den Kindsmord durch die Reue des Verführers und eine Hochzeit. Fritz Rotter verknüpft beide Fassungen und behält trotz der Verführungsszene – Evchen wird ins Bordell gelockt – das Happy End. Das Berliner Tageblatt meint ironisch, „die Regie“ mache „wunderliche Dinge: eine Ausstattung, die höchst elegant und höchst undenkbar ist; eine freche Kellnerin [gespielt von Olga Limburg] mit dem lieben Namen Mariannel wird in eine Kostümballkokotte verkleidet, natürlich halbnackt. […] Kät[h]e Dorsch, das arme Evchen, gibt dem brüchigen Abend den Zusammenhalt. […] Der Beifall, zuerst nur von der Claque besorgt, wurde dann stark.“26

      Jedenfalls bringt die Aufführung Käthe Dorsch den Durchbruch als Schauspielerin. Vorher ist sie in Operetten aufgetreten. Auch im Porträt von Käthe Dorsch aus dem Jahr 1949 im Magazin Der Spiegel heißt es: „Ihr Schauspiel-Debüt als tragisches Evchen Humbrecht wurde ein Riesenerfolg“.27

      Zunächst aber läuft ein Teil der damaligen Presse Sturm. Teils wegen Olga Limburg in ihrer Kellnerinnen-Rolle – vielleicht das früheste Beispiel für die Übertragung von Varieté und Cabaret aufs Theater in Berlin –, teils weil inzwischen bekannt ist, dass die Rotters anstreben, mit dem Lessing-Theater ein drittes Haus zu bespielen. Die Vossische Zeitung gibt sich entrüstet:

      „Schlimm ist, was die Regie ihrem Dichter raubt. Unerhört aber, was sie hinzufügt. Denn zur Aufmunterung lässt der Trust Rotter Brothers an pikanten Stellen ganze Dialoge im Berliner Schieberjargon einfügen! […] Eine Direktion, die nur mit dem Scheckbuch Regie zu führen weiß, kann gewiss gute Kräfte engagieren: […] Kät[h]e Dorsch als ein anmutiges Evchen ohne falsche Töne. […] Die Reklamepauke knallt über Berlin hin […]. СКАЧАТЬ