Mars. Asja Bakić
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Название: Mars

Автор: Asja Bakić

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: kurze form kf

isbn: 9783957324887

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СКАЧАТЬ Teppichboden auf.

      »Ich musste es wissen.«

      »Wir hätten es dir bald gesagt, du hättest dich noch ein wenig gedulden müssen.«

      »Das konnte ich nicht. Die zweite Phase hat mich gequält.«

      Die Sekretärinnen setzten sich an den Tisch. Es gab keinen dritten Stuhl, daher musste ich stehen. Tristessa knipste die kleine Lampe an, und das schwache Licht beleuchtete ihre grimmigen Gesichter. Doch ihre schlechte Laune hielt nicht lange, Tristessa begann zu lachen und mit der Faust auf den Tisch zu schlagen.

      »So ist das also, du musstest es wissen!«, sagte sie.

      Sie lachte laut auf, als wäre ihr Mund gefüllt mit fremdem Lachen – als hätte sie sich mit Lachen anstelle von Kuchen vollgestopft.

      »Du gefällst mir«, sagte sie. »Ich weiß, dass du auch Zubrovka gefällst, deshalb werde ich dir alles erzählen.«

      »Die Situation sieht folgendermaßen aus«, legte sie los. »Unsere Aufgabe besteht darin, interessante posthume Texte zu sammeln, ein großes rituelles Feuer anzuzünden, Papier in das Feuer zu werfen und …« Sie hielt inne. Ihre Arme hatte sie angehoben, sie wollte die Spannung erhöhen. »… bumm!«, rief sie aus. »Das Beste vom Tod wird ans Tageslicht kommen.«

      »Du meinst, die Toten werden zu den Lebenden kommen?«, fragte ich verwirrt.

      »Nicht alle Toten, nur die Toten, die gut schreiben.«

      Zubrovka, die zuvor still dagesessen hatte, mischte sich in das Gespräch ein.

      »Die Literatur«, sagte sie, »ist die Hauptverbindung zwischen Tod und Leben.«

      Ich hatte den Eindruck, dass die beiden das Schreiben allzu romantisch betrachteten, ich wollte sie aber nicht unterbrechen.

      »Wir brauchen das Feuer des geschriebenen Wortes, um einen winzigen Riss an der Oberfläche der Wirklichkeit entstehen zu lassen, um so in sie eintreten zu können. Du hast doch Märchen gelesen, du weißt, wie das funktioniert.«

      »Märchen sind aber Hirngespinste«, sagte ich.

      »Märchen ja, der Tod nicht. Mit dem Tod ist nicht gut Kirschen essen«, sagte Tristessa.

      »Der Tod dringt auch an schwer erreichbare Orte vor, aber nur mit Hilfe der Literatur. Sonst kann er gar nichts.«

      »Und die anderen Künste? Was ist mit Malerei, Bildhauerei, Musik?«

      »Das interessiert uns nicht«, sagten sie. »Sie können nützlich sein, aber das Schreiben bewegt uns viel mehr.«

      Ich schloss die Augen. Ich stellte mir meinen Freund Sebastian vor.

      »Hörst du, was diese beiden Idiotinnen erzählen?«, fragte ich ihn.

      »Ich höre, ich höre«, wieherte er. »Erinnere dich an Heraklit«, fuhr er fort. »Wenn die Menschen sterben, erwartet sie das, worauf sie nicht hoffen und woran sie nicht denken. Zähle bis fünfzig, um dich zu beruhigen.«

      »Ich habe die Zahlen vergessen«, sagte ich nervös. »Ich komme nur bis zehn.«

      In dem Augenblick, in welchem ich wieder die Augen öffnete, zeigten Tristessa und Zubrovka auf einen Karton.

      »Dort sind Manuskripte, die besonders wertvoll sind.«

      »Wer hat das alles für euch geschrieben?«, fragte ich.

      »Das ist ein Geheimnis«, sagte Zubrovka. »Du wirst es erfahren, wenn wir in das Leben hinaustreten.«

      »Jetzt musst du weiterschreiben«, sagte Tristessa, »wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Bedingung für unser Hinaustreten ist eine vollständige Sonnenfinsternis.«

      »Das oder Vollmond. Es ist eigentlich egal. Es müssen nur Elemente des Grauens sein.«

      »In Ordnung«, sagte ich.

      Ich verließ das Zimmer, und im Flur kam mir der Gedanke, dass ein Banküberfall im Vergleich zu dem Unsinn, den die beiden Sekretärinnen erzählten, eigentlich eine gute Idee sei.

      »Gold ist wertvoller als das Leben«, dachte ich.

      Woher weiß ich, dass Gold und andere Edelmetalle mehr wert sind? Ich weiß es, weil ich einst gelebt und mich davon überzeugt habe. Man musste das Nachdenken über soziale Fragen beiseitelegen. Die Sekretärinnen wollten ins Leben zurückkehren, und sie wollten mich mitnehmen. Ich hatte eigentlich nicht den dringenden Wunsch, wieder Luft zu atmen und zu sehen, was auf der anderen Seite geschieht, aber die Idee, dass die Literatur Macht hat, erfasste mich vollständig. Alles, was ich zuvor geschrieben hatte, endete in der Heimatbibliothek, zwei dünne Poesiebände, die niemand mehr lesen wird. Das Schreiben, das Staub ansetzt, gegenüber jenem Schreiben, das von den Toten erweckt. Es gab keinen Zweifel daran, welche dieser beiden Schreibarten mir besser gefiel.

      Ich schrieb Tag und Nacht, ununterbrochen. Tristessa und Zubrovka brachten mir Getränke und Essen, manchmal wischten sie mir den Schweiß von der Stirn. Nach dreißig Tagen kam die Stunde der Wahrheit. Sie saßen an dem Tisch und lasen das Geschriebene. Sie glitten mit ihren Blicken schnell über Binde- und Fürwörter, sie lachten.

      »Das ist es!«, sagten sie. »Es wird Zeit loszugehen.«

      Sie stopften mein Manuskript in einen offenstehenden Karton, verschlossen ihn mit Paketband und stellten ihn zur Seite. Ich reckte meinen Hals, um zu sehen, ob sie mich in die »besonders wertvoll«-Kiste abgelegt hatten, glaube aber, dass diese bereits verschlossen war. Als hätte sich all das Beste in der Literatur schon in der Vergangenheit abgespielt, in der Zeit vor mir. Das ärgerte mich. Zwei dünne Gedichtbände, okay, aber dennoch von Bedeutung. Egal, wie dünn sie sind.

      »Schließe dich in einem der Zimmer ein«, sagte Zubrovka. »Du darfst das Zimmer nicht verlassen, bevor du spürst, dass dich so etwas wie ein Lasso zur Ausgangstür zieht.«

      »In Ordnung.«

      Ich schloss mich in jenes Zimmer ein, in dem ich geschrieben hatte. Der Stuhl war unbequem, mein Leben war ebenfalls unbequem gewesen, und auch mein Tod war unbequem. Ich war schon an Druckstellen gewöhnt. Im Raum verbreitete sich eine große Hitze. Ich dachte, dass ich zusammen mit meinen posthumen geistigen Produkten verbrennen würde. Ich saß ruhig da, ich erwartete nicht, dass das, was die Sekretärinnen angekündigt hatten, eintreten würde. Plötzlich spürte ich, dass mich etwas an der Taille drückte, etwas presste meine Arme eng an den Körper und zog mich zur Tür.

      Mein Freund Sebastian erschien.

      »Wir gehen wieder zu den Lebenden«, sagte ich. »Kannst du es fassen?«

      »Heraklit sagt, dass die Unsterblichen sterblich und die Sterblichen unsterblich sind, denn das Leben von diesen ist der Tod von jenen, der Tod von jenen das Leben von diesen«, sagte Sebastian.

      »Schluss jetzt mit dem Heraklit«, rief ich.

      Sebastian sah mich ein wenig beleidigt an.

      »Was für eine Gans du bist. Mir wäre es lieber, Heraklits imaginärer Freund zu sein als deiner. Fein sein ist nichts für dich. Man sieht aus dem Flugzeug, dass du aus Bosnien kommst.«

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