Löwenfisch. Rudolf Trink
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Название: Löwenfisch

Автор: Rudolf Trink

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Löwenfisch - Eine Rumpler Rosamunde Krimi

isbn: 9783960743781

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СКАЧАТЬ Kurzatmigkeit, die ihm zuvor noch zu schaffen gemacht hatte, war wie weggeblasen. Oben am Grat angekommen, genoss er den freien Blick. Er fühlte sich unbesiegbar. Allen würde er es zeigen, allen. Er musste diesen wunderbaren Moment mit einem Foto festhalten.

      Zargl hörte noch das schwache Geräusch hinter sich, konnte es aber nicht zuordnen. Als er sich umdrehen wollte, war es schon zu spät. Der wuchtige Stoß traf ihn genau zwischen den Schulterblättern und ließ ihn ins Bodenlose stürzen.

      Der Angreifer zog einen Feldstecher aus dem Rucksack. Zargls zerschmetterter Kopf stand in einem völlig unnatürlichen Winkel zu seinen Schultern. Es hatte bestens geklappt. Jetzt war auch der Dritte tot und damit die Gefahr gebannt. Obwohl – da waren noch die Frauen. Die Schwester vom Eisenreh konnte was wissen und vielleicht auch die andere. Er würde sich darum kümmern.

      *

      2.

      Es dauerte bereits über eine Stunde. Für einen kleinen Eingriff eigentlich viel zu lange. Vielleicht hatte es Komplikationen bei der Narkose gegeben. Johann Rumpler, während seiner Dienstzeit als stellvertretender Leiter der Mordkommission berühmt für seine eisernen Nerven, spürte, wie sich Angst in ihm breitmachte. Er hatte sich lange gegen die Operation gesträubt und war erst nach längerem Zureden von ihrer Sinnhaftigkeit überzeugt worden. Endlich. Die Tür, die von der Ordination ins Wartezimmer führte, ging auf und die Blicke sämtlicher Wartenden richteten sich auf die junge Tierärztin.

      „Alles in Ordnung, Herr Rumpler. Der Zahn war nur ein bissl schwierig zu entfernen, weil er zerbrochen ist, aber letztlich hat alles gut geklappt. Sie ist jetzt noch in Narkose und wird in einer halben Stunde aufwachen.“

      Rumpler strahlte die Tierärztin aufgrund der guten Nachricht an wie eine Lichtgestalt. „Danke. Vielen Dank. Ich bin so froh, dass alles gut gegangen ist.“

      Die Besucher des Wartezimmers zeigten das übliche tiefe Verständnis einer kleinen, schicksalhaft zusammengeführten Gemeinschaft, hatten doch so gut wie alle von ihnen schon ähnliche Sorgen durchgestanden, um einen Hasso etwa oder eine Senta, vielleicht den Hamster Ramses oder die Schildkröte Thusnelda oder eben, wie im gegenständlichen Fall, um eine ältere Katze namens Rosamunde.

      Während der Heimfahrt lag sie noch ganz benommen in ihrem von Rumpler sorgfältig mit weichen Tüchern ausgepolsterten Transportbehälter und nahm kaum wahr, was er ihr zu sagen hatte.

      „Bist eine tüchtige Maus. Gut gemacht. Hast es wieder geschafft, Alte. Später gibt’s dann ein Futter.“

      Als er mit ihr leicht schnaufend in seiner im zweiten Stock – ohne Lift – gelegenen Altbauwohnung in der Josefstadt angekommen war, legte er zunächst sein Wohnzimmer mit Decken und Polstern aus, damit sie sich noch unter Einwirkung der Narkose nicht etwa an seinen Möbeln stieß. Ihre ersten Schritte waren tapsig und taumelig wie die eines späten Heurigen-Heimkehrers. Nach ungefähr einer Stunde, während der sie auch immer wieder Ruhepausen eingelegt hatte, ging sie bereits ziemlich sicher und nach drei Stunden erklomm sie mithilfe des stabilen Kartons, den ihr Rumpler als Aufstiegshilfe zu seinem Schreibtisch gestellt hatte, dieses Möbel und forderte von dem erhöhten Platz aus lautstark eine Mahlzeit.

      Rumpler strahlte. Zur Feier des Tages richtete er ihr eine kleine Portion fein aufgeschnittenen Schinken. Sie fraß ihn zu seiner großen Freude nicht nur mit gutem Appetit, sondern auch ohne sichtbare Vorsichtsmaßnahmen. In den letzten Wochen hatte sie beim Fressen den Kopf etwas schief gehalten, das Kauen wegen des schmerzenden Zahns immer wieder unterbrochen und manchmal ihr Futter sogar einfach stehen lassen, ein für Rosamunde unerhörter Vorgang. Rumpler kannte sie nämlich eigentlich nur heißhungrig noch aus der Zeit, als er sie als verwahrloste Streunerin in Kärnten gefunden hatte oder genau genommen sie ihn, um bei der Wahrheit zu bleiben. Damals hatte Rumplers Frau Elsa noch gelebt und sie war dabei gewesen, als Rosamunde auf einer längeren Wanderung in den einsamen Wäldern der Wimitz, die von manchen der Einheimischen auch das Tal der Gesetzlosen genannt wird, weit entfernt von jeder menschlichen Behausung, plötzlich zerzaust und miauend vor ihnen gestanden war. Elsa hatte sofort mit der völlig verwahrlosten Katze gesprochen und sich um sie gekümmert, während Rumpler sich zunächst sehr zurückgehalten hatte. Wie sich aber schnell herausstellte, hatte Rosamunde, die damals für ihn noch eine namenlose Katze gewesen war, ihn höchstpersönlich zu ihrem Lebensmenschen erwählt und ihm das nach kurzer Zeit auch unmissverständlich klargemacht.

      Während diese Erinnerungen durch Rumplers Kopf zogen, inspizierte er seinen Kühlschrank auf der Suche nach einer Kleinigkeit für sich selbst. Die bevorstehende Operation hatte sich ihm auf den Magen geschlagen und er hatte, abgesehen von einem Kaffee zur Frühstückszeit, untertags überhaupt nichts zu sich genommen. Umso größer war jetzt am frühen Abend sein Appetit. Er fand einige mit Schafskäse gefüllte Oliven, drei Blatt Prosciutto und ein kleines Stück Parmesan. Dazu öffnete er eine Flasche eines schweren Deutschkreuzer Rotweins, den ihm ein befreundeter Münzhändler unlängst anlässlich eines Besuchs mitgebracht hatte, schenkte aber noch nicht ein, um ihn etwas zu belüften. Während Rumpler seine kleine Mahlzeit in der Küche genoss, hatte sich Rosamunde bereits ins Wohnzimmer begeben, auf den ihr vorbehaltenen Liegeplatz zwischen seinen prachtvollen Orchideen. Nach dem Essen übersiedelte er mit dem Wein zu ihr, füllte sein Glas, hielt es gegen das Licht und beschaute und beroch seinen Wein mit größter Sorgfalt. Schließlich hob er das Glas und trank auf Alma, die vor etwa drei Jahren aufregend und beruhigend zugleich in sein Leben getreten war, und natürlich auf seine Rosamunde.

      „Schön, dass es dir wieder gut geht, Maus.“

      Rosamunde fand das auch.

      *

      3.

      Am nächsten Morgen machte Rumpler wie gewohnt einen ausgiebigen Spaziergang im Volksgarten. Es war ein klarer Frühsommertag und die unzähligen Rosenstöcke mit ihren vielversprechenden Knospen erzählten ihm ihre Geschichten, durch die liebevoll und sorgfältig gestalteten Widmungstafeln, die an ihren Stützen angebracht waren. Auch der Tempel des Theseus, jenes griechischen Helden, der den stierköpfigen Minotaurus in seinem Labyrinth aufgespürt und getötet hatte, sprach zu ihm. Vordergründig betrachtet war die Sage denkbar einfach – ein Held begegnete einem Ungeheuer und tötete es. In seinem Inneren fühlte Rumpler aber, dass das nicht die eigentliche Geschichte war, sondern dass darunter noch etwas anderes war, in viel tieferen Schichten, etwas ebenso Faszinierendes wie Bedrohliches. Der Minotaurus, halb Tier, halb Mensch, stand für das Animalische und war wohl genau deshalb eingesperrt worden. Wer sich also auf den Weg ins Labyrinth machte, um den Minotaurus zu treffen, der musste damit rechnen, einem weggesperrten Stück von sich selbst zu begegnen. Aber auch weggesperrt stimmte nicht ganz. Das Labyrinth war ja kein Gefängnis, sondern ein kunstvoll angelegter Irrgarten. Er war offen und trotzdem konnte man ihm nicht entrinnen. Zumindest nicht aus eigener Kraft – es bedurfte dazu der Hilfe einer Frau – Ariadne, die den richtigen Weg wies. Oftmals, wenn Rumpler es mit einem neuen Fall zu tun bekommen hatte, hatte er wohl unbewusst den Theseustempel aufgesucht, vielleicht um sich klar darüber zu werden, dass von jedem einzelnen der Mörder, die er auf verschlungenen Wegen verfolgte, immer auch in ihm selbst etwas enthalten war, das ihn gleichermaßen erschreckte und faszinierte.

      Dem Denkmal des von ihm hochgeschätzten Franz Grillparzer stattete er ebenfalls einen kurzen Besuch ab, quasi als Gegengewicht, verließ dann den Volksgarten und erreichte schließlich nach einem flotten Marsch über die sogenannte Zweierlinie die Mariahilfer Straße. Er ging die breit angelegten Stiegen der sehr kurzen Rahlgasse hinunter und dabei fielen ihm die in seiner Kinderzeit alljährlich wiederkehrenden Besuche der Wiener Verkehrsbetriebe ein, bei denen dort nach langem Warten und unter großem Gedränge СКАЧАТЬ