Flusenflug. Peter Maria Löw
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Название: Flusenflug

Автор: Peter Maria Löw

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783955102395

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СКАЧАТЬ Auf dem Todesstreifen

      Martin war auch schon wieder voller Tatendrang und hatte inzwischen weitere Firmen zum Kauf ausgemacht. Es war bereits Spätherbst, November 1995. Nach der doch etwas unguten Erfahrung bei der Akquisition der A + L und dem ständigen Terror durch die finanzierenden Banken, die einfach nicht verstehen wollten, wie wir unsere Geschäfte führten und uns stattdessen mit gutgemeinten, operativen Ratschlägen (von Bankern!) versorgten, entschlossen wir uns, unser Geschäftskonzept gründlich zu überarbeiten. Da die Kriegskasse mit einigen Millionen gut gefüllt war und wir mit den Firmen in Kassel, Lemgo, Erfurt und Osnabrück bewiesen hatten, dass wir in der Lage waren, ganze Unternehmen für einen symbolischen Kaufpreis zu akquirieren, kamen Martin und ich überein, dass wir uns nur noch auf solche Akquisitionen konzentrieren sollten. Wir wollten uns also ausschließlich um Gesellschaften kümmern, die wir aus eigenem Cashflow ohne Zutun der Banken finanzieren konnten. Die hatten sich ohnehin als völlig nutzlos erwiesen. Die beteiligten Banker waren ganz nette Kerle, aber nicht im Entferntesten in der Lage, etwas Hilfreiches beizutragen. Darüber hinaus hatten wir schon bei unserer ersten Akquisition feststellen müssen, dass sich der Finanzierungsvorgang entgegen unseren Erwartungen über Monate erstreckt hatte. Schon wegen dieser inhärenten Trägheit der Bankprozesse befürchteten wir, dass uns gute Deals durch die Lappen gehen würden.

      Beim Firmenkauf ist es nämlich ein wenig so wie auf einem Flohmarkt. Nicht derjenige erhält bei einer günstigen Gelegenheit den Zuschlag, der den höchsten Kaufpreis zu zahlen verspricht, sondern derjenige, der rechtzeitig an Ort und Stelle ist und einen akzeptablen Kaufpreis in bar auf den Tisch legen kann. Allein der Vorbehalt »nur noch« auf die Entscheidung eines Kreditausschusses warten zu müssen, konnte der Deal-Killer sein. Schon aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht stellte der Vorbehaltspreis für den Verkäufer gegenüber dem Sofortgeld einen deutlich geringeren ökonomischen Wert dar. Der vermeintlich hohe Kaufpreis musste vernünftigerweise mit dem Risiko des Versagens einer Finanzierung abgezinst werden. Damit wurde aus der formal besten Offerte häufig ein unattraktives Angebot. Das funkelnde Sofortgeld, das lernte ich bei vielen der folgenden Transaktionen kennen, war häufig zu verlockend.

      Aufgrund der uns selbst auferlegten Beschränkung der Bezahlung aus dem eigenen Cashflow konnten wir uns aber nur noch auf Unternehmen konzentrieren, für die ein geringer oder gar kein Kaufpreis zu bezahlen war. Und diese gab es in den Wirren der Privatisierungen der vormaligen DDR-Unternehmen zuhauf. So fuhren Martin und ich an einem Dienstagabend aus Lübeck kommend in Richtung der neuen Bundesländer zu einem der vielen Firmenbesichtigungstermine. Als wir uns von Westen der ehemaligen Zonengrenze näherten, die bei Selmsdorf ihr nördliches Ende in der Trave fand, erblickten wir inmitten des ehemaligen Todesstreifens, wahrscheinlich just dort, wo einst die Minen eingegraben waren, eine im Rohbau befindliche Halle von, wie sich herausstellen sollte, ca. 10 000 m2 Grundfläche. Das zugehörige Gewerbegrundstück von einigen Hektar war Teil eines voll erschlossenen Industrieparks, schon einige Meter auf dem Gebiet des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.

      Die Vollendung der Halle schien zum Stillstand gekommen zu sein. Die »Halle« bestand eigentlich nur aus Fundamenten, dem Industrieboden und riesigen Stahlträgern, die dem Ganzen das Aussehen eines erlegten Fossils gaben, einer unentdeckten Dinosaurierart von bisher unbekannter Größe. Von den zahlreichen Rippen hingen Plastikfolien herunter und wehten wild knatternd im Wind. Das Ganze machte einen verlassenen, ja sogar verwahrlosten und unheimlichen Eindruck. Würden Zombies den fahlen Gerippen entsteigen, wäre das auch nicht weiter verwunderlich gewesen. Spontan entschlossen wir uns also zu einer Spritztour der besonderen Art. Wir fuhren, inzwischen war es Nacht, mit Martins Wagen in das Industriegebiet und auf das Grundstück, vorbei an den Warnschildern in das leere Hallenskelett hinein, drehten dort die eine oder andere Runde und, nachdem weit und breit nichts von Zombies zu sehen war, entschlossen wir uns herauszufinden, wem diese Ruine wohl gehörte.

      Nach der Besichtigung einer Firma in der Nähe von Satow am nächsten Tag – aus dieser Akquisition war letztlich nichts geworden – kehrten wir nach Selmsdorf zurück. Der dortige Bürgermeister Detlef Hitzigrath, ein sehr redseliger und kumpelhafter Typ, der gleichzeitig das einzige Gasthaus »Zum Detlef« betrieb, konnte uns sofort und bereitwillig Auskunft erteilen. Ein westdeutscher Unternehmer, Herr Arndt, habe hier eine Produktionshalle errichten wollen. Dies hätte für ihn enorme steuerliche Vorteile gehabt, da er seine Haupttätigkeit in Lübeck hatte, die Halle sich aber bereits auf dem Gebiet des Landes Mecklenburg-Vorpommern befand. Denn so hätte er die Infrastruktur von Lübeck und Schleswig-Holstein nutzen können, aber nur die sehr viel niedrigeren Steuern des Landes Mecklenburg-Vorpommern zahlen müssen. Daher wollte er damals seinen Betrieb, eine Pappkartonfertigung, hierher verlegen.

      Aus ähnlichen monetären Gründen, also genauer der Gewerbesteuer wegen, habe er, der Bürgermeister, dann ohne jede Genehmigung auf dem geräumten Todesstreifen ein Gewerbegebiet anlegen lassen. Dies sei in der Tat ein wenig schwierig gewesen, denn dort an der Trave befand und befindet sich bis heute noch ein sehr wichtiges Biotop mit allen möglichen Arten von geschützten Vögeln, aber das Gemeinwohl, sprich die der Kommune zustehende Gewerbesteuer, sei eben vorgegangen und so sei der ganze Schwarzbau des Gewerbegebietes ja doch im Nachgang genehmigt worden.

      In diesem Gewerbepark habe nun Herr Arndt seine Halle errichten lassen. Da er sich zu dieser Zeit unglücklicherweise in Verteilungskämpfen mit seiner geschiedenen Ehefrau befand, hatte er nun die Befürchtung, dass seine »Ex« diese Halle und das Grundstück im Rahmen eines Güterausgleichs – jedenfalls zu Teilen – bekommen könnte. Deshalb hatte er die Halle bzw. die Grundstücksgesellschaft auf seine neue Ehefrau, Frau Arndt II sozusagen, – rein formal natürlich nur – übertragen und diese habe nun, nachdem sie die Ehe kurz darauf beendete, der Einfachheit halber alles behalten. Da die Halle wohl das wesentliche Vermögen des Herrn Arndt gewesen war, sei der ehemalige Eigentümer daraufhin dem Wahnsinn verfallen und der Bürgermeister warnte uns eindringlich, wir mögen uns in Acht nehmen, wenn wir uns in der Gegend der Halle befänden, denn es wäre jederzeit mit schweren Gewalttaten durch den Geprellten zu rechnen. Also doch Zombies!

      Frau Arndt II habe allerdings kein weiteres Geld erlangen können, auch nicht, um den Bau fortzusetzen, und somit sei die Halle nunmehr in diesem ruinösen Zustand. Der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Dr. Berndt Seite (CDU) habe ihn bereits persönlich auf diese abstoßende Bauruine angesprochen. Denn ein jeder Westler, der über Lübeck nach Mecklenburg-Vorpommern reise, müsse jetzt zwangsläufig an diesem plastiktütenbehangenen Skelett vorbeifahren und würde seine Vorurteile bestätigt finden, dass die ganzen schönen Fördergelder der Wiedervereinigung in sinnlosen Projekten vergeudet würden. Die Halle sei das Eintrittstor in das Bundesland und habe daher hohen repräsentativen Charakter. Ein Erwerber würde schon aus diesem Grund, so habe es ihm auch der Wirtschaftsminister Harald Ringstorff (SPD) versprochen, eine großzügige und unbürokratische Förderung erhalten, wenn er nur bitte dem Gebäude zu seinem geplanten Glanz verhelfen würde.

      Das roch nach einem Fall für uns. Eine etwas verworrene Ausgangslage, ein Bauvorhaben, in das offensichtlich bereits viel Geld geflossen war, das jedoch in seiner jetzigen Form keinen hohen Wert darstellen konnte, eine Verkäuferin, der keine Lösungen mehr einfielen, und ein Wirtschaftsminister, der ganz offen mit Fördermitteln winkte. Bereits am nächsten Tag trafen wir Frau Arndt II, die inzwischen wieder Opitz hieß, unter doch sehr konspirativen Umständen. Wir mussten uns mehrere Hundert Meter entfernt von der Halle hinter einer Scheune versammeln. Die Dame wurde von einem etwas dubiosen Berater begleitet, der mehrfach auf die hohe Gefahr durch ihren Ex-Mann hinwies. Einige Attentatsversuche sollte er schon verübt haben und es sei pures Glück, dass Frau Opitz/Arndt II überhaupt noch unter uns weile.

      Die Dame selbst berichtete, dass bereits ein paar Millionen in dieses Bauvorhaben geflossen seien, alles noch von ihrem Ex-Mann bezahlt. Sie müsse jetzt aber noch einige laufende Kosten tragen und dafür fehle ihr einfach das Geld. Die Halle bzw. das gesamte Grundstück seien Teil einer Gesellschaft, der Arndt Verpackung & Display GmbH, und sie könne die Gesellschaft nur als Ganzes verkaufen, sei aber zu einem Schnäppchenpreis bereit. Falls sie nur das Asset zu einem niedrigen Kaufpreis СКАЧАТЬ