Название: Flusenflug
Автор: Peter Maria Löw
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783955102395
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Es war, als ob ein Fluch auf dieser Branche lastete. Diese Eigentümergeschäftsführer schienen recht wenig von Recht und Gesetz und schon gar nichts von einer korrekten Buchführung zu halten. Jedenfalls war für uns klar, die Gesellschaft war unter Berücksichtigung der wahren Verhältnisse bereits jetzt überschuldet und für die Geschäftsführer bestand Konkursantragspflicht. Zu retten war sie nicht. Die Verkäufer waren ob ihres großen Verkaufserfolges über das Wochenende schon in Feierlaune. Keiner war jedenfalls mehr telefonisch erreichbar. So ließen wir ihrem Anwalt am Montag mitteilen, wenn sie die Firma nicht innerhalb der nächsten 24 Stunden komplett zurücknähmen, würden wir einen Konkursantrag stellen und ein strafrechtliches Verfahren wegen Untreue, Konkursverschleppung und Betrugs einleiten. Wir verwiesen auf den nicht unerheblichen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe27. Diese doch sehr sachlich gehaltenen Informationen verfehlten ihre Wirkung nicht. Bereits am nächsten Tag trafen wir ihren Anwalt beim Notar, der unter Übernahme sämtlicher Kosten die Firma für die beiden Herren wieder zurückerwarb. »Es habe wohl ein paar Missverständnisse gegeben.«
Damit war unser Ausflug in das Reich der Büromaschinenhändler nun wirklich ein für alle Mal beendet. Mit ausreichend Geld in unserer Kriegskasse wollten wir uns nun nach anderen Objekten umsehen. Es war immer noch Sommer 1995.
26Die FlowTex Technologie GmbH & Co. KG war ein Unternehmen, das von 1994 bis 1999 in betrügerischer Weise mit nicht vorhandenen Horizontalbohrmaschinen handelte und vor allem durch Mehrfachbuchungen einen Schaden in Höhe von DM 4,2 Mrd. verursachte.
27s. z. B. §263 Abs. 1 StGB.
Das 5. Abenteuer Das erste Sabbatjahr 28
Doch zuvor beschloss ich ein sogenanntes Sabbatjahr einzulegen. Ein bisschen Abwechslung sollte mir guttun und wer hat schon etwas gegen einen längeren Urlaub? Es war meine erste derartige Auszeit, sollte aber nicht meine letzte bleiben. In der Zukunft würde ich immer wieder ein solches mehr oder weniger langes Sabbatjahr einlegen.
Wenn Abschnitte meines wirtschaftlichen Lebens abgeschlossen waren, große Veränderungen anstanden oder eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft geplant werden musste, war der Einschub eines Sabbatjahres ein sehr probates Mittel. Es ist eben eine typische Eigenschaft des Menschen, dass er im Vertrauten unbedingt verharren will und jegliche Abweichung erst einmal ablehnt. Jeder Wechsel wäre mit einer Veränderung der lieb gewonnen Gewohnheiten, der Denkschemata und des Umfeldes verbunden, drei Dinge, die dem Menschen eine vermeintliche Sicherheit vorgaukeln. So verharren die meisten bis zu ihrem Lebensende oder bis zum Ende ihrer beruflichen Laufbahn in denselben Tätigkeiten und Abläufen, machen immer das Gleiche und wollen es um keinen Preis aufgeben.
Da ich jedoch nicht so enden wollte, brachten mir diese Auszeiten nicht nur viele neue Erlebnisse und damit auch viel Spaß, sondern sie boten mir die Gelegenheit, über das Vergangene nachzudenken, es zu analysieren, gemachte Fehler festzustellen und konzeptionelle Schwächen aufzudecken. Indem ich in einem Reflexionsprozess alles in Frage stellte, vermochte ich aus diesen Versatzstücken etwas Neues zu schaffen. Ich habe später, nach den positiven Erfahrungen meines ersten Sabbaticals, ungefähr alle fünf Jahre ein solches Sabbatjahr eingelegt, auch wenn es nicht immer ein ganzes Jahr dauern sollte. Irgendwann hatte ich erkannt, dass mir der Wandel immer dann besonders gut gelang, wenn ich mich zuvor bewusst möglichst weit aus den Lebenswirklichkeiten des gewohnten Alltagslebens entfernt hatte. Dies bedeutete, dass ich gezielt Dinge unternahm, die meinem sonstigen Lebensablauf diametral entgegenstanden.
So sollte ich den Kilimandscharo besteigen, in diversen Klöstern der Benediktiner und Zisterzienser jeweils einige Wochen in Klausur verbringen, mehrfach auf Athos mit orthodoxen Mönchen diskutieren, in buddhistischen Klöstern in Nordindien meditieren, auf dem Motorrad zahlreiche Extremtouren wagen – zum Beispiel die Wüste Namib und die Etosha-Pfanne durchqueren –, von München nach Jerusalem über Syrien und Jordanien ins Heilige Land pilgern oder, von der chilenischen Küste kommend, in die Anden preschen, dort Cuzco, Machu Picchu und den Titicacasee in fast luftleerer Höhe ansteuern, in Ladakh im Himalaya auf 5500 Metern Höhe den höchsten befahrbaren Pass der Erde mit meiner Royal Enfield Bullet überqueren, einige Bücher schreiben, einige Marathonläufe absolvieren29, in Thailand, Israel und Myanmar mit den dortigen Marines gemeinsame Fallschirmeinsätze durchführen usw.
Im August 1995 sollte also mein erstes Sabbatical beginnen. Zunächst vertrödelte ich meine Zeit noch etwas orientierungslos, ich ging auf Gletschern Skifahren, besuchte alle möglichen Freunde, die ich lange nicht gesehen hatte, las mehrere erbauliche Bücher und brachte meinen Körper durch vermehrten Sport wieder einigermaßen in Form. Dann absolvierte ich noch eine Wehrübung bei der Bundeswehr, sprang dort ein wenig mit dem Fallschirm, nahm an einer Militärübung in Frankreich teil und kehrte nach zwei Monaten im Oktober 1995 fit und gut gelaunt zurück.
Doch es drängte mich zu mehr. Irgendetwas Ausgefallenes wollte ich noch anhängen. Da ich einen Pilotenschein aus der Zeit meines Rechtsreferendariats in den USA besaß, dachte ich, es wäre vielleicht eine schöne Sache, nach Australien zu gehen, mir ein Flugzeug zu mieten und dort ein wenig herumzufliegen. Man könnte ja vielleicht auch noch ein Boot chartern und das Great Barrier Reef erkunden, ein toller Plan, der zu einem Sabbatical gut passen würde. So rief ich also meinen Freund Ralf Schläpfer an. Er war der Einzige, dem ich zutraute, mich auf einer solch unkonventionellen Tour, und das auch noch kurzfristig, zu begleiten. Ich kannte Ralf bereits aus meiner Zeit bei INSEAD. Wir beide waren im gleichen Jahrgang und hatten auch sonst viele gemeinsame Interessen. Ralf war ebenfalls Offizier, nur in der Schweizer Armee, und er erläuterte mir gerne, welche Verteidigungsstrategien er und die Schweizer Armee hätten, wenn die Deutschen sie einmal angreifen würden. Schläpferli, wie ich ihn immer nannte, hatte ebenfalls ein Jurastudium absolviert, hatte ebenfalls als Jurist promoviert und das Ganze ebenso mit einem MBA bei INSEAD abgeschlossen. Ähnlich wie ich war er dann zu einer Unternehmensberatung gegangen, allerdings einer mit Sitz in der Schweiz. Dort war Schläpferli zu dieser Zeit immer noch und irgendwie wurmte es ihn offenbar zu sehen, dass ich mit meinen unternehmerischen Aktivitäten tatsächlich erfolgreich gewesen war. Und so bekam ich von ihm doch häufiger die ewig gleiche Geschichte zu hören.
Ralf und ich hatten nämlich beide am renommierten Negotiationkurs an unserer MBA-Schule teilgenommen. Dort mussten circa 300 Studenten in fünfzehn »Negotiation Battles« immer one on one gegeneinander antreten. Nachdem es zwei Gruppen gab, die die jeweiligen identischen Verhandlungsseiten repräsentierten, wurde dann innerhalb dieser Gruppen ein Ranking ermittelt. Es gab also nach jedem Battle eine Rankingliste30, auf der sich die Teilnehmer, sortiert von den besten zu den schlechtesten, wiederfanden. Aus diesen fünfzehn Listen wurde am Ende des Terms eine konsolidierte Gesamtliste ermittelt, auf der sich dann die Endsieger befanden. In diesem Wettbewerb hatte es dann Ralf Schläpfer tatsächlich geschafft, sich nicht nur gegen alle anderen »Mitspieler« durchzusetzen, sondern auch mich zu schlagen, da ich nur auf dem zweiten Platz der 300 Teilnehmer gelandet war. Und dieser Umstand wurde und wird mir nun gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit vorgehalten, bis heute! Das Leben scheint sich hier auf den Negotiationkurs zu reduzieren.
Jedenfalls war meine Einschätzung richtig. Ralf sagte sofort zu und wir landeten irgendwann Ende Oktober 1995 in Sydney. Dort war es gerade Sommeranfang, das Wetter also für deutsche Verhältnisse sehr schön.
Die erste Herausforderung stellte sich für uns schon am Mietwagenstand. Denn wir wollten zunächst einmal den Südosten Australiens per Auto erkunden. Aus München, СКАЧАТЬ