Название: Flusenflug
Автор: Peter Maria Löw
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783955102395
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Da klopfte die Chefsekretärin bei uns an die Tür. Sie wolle uns eigentlich nur mitteilen, dass sie sich entschlossen habe oder jedenfalls darüber nachdächte, einen Betriebsrat zu gründen, und, ob wir ihr nicht dabei helfen könnten. Wir baten freundlich um eine kurze Bedenkzeit und nach nur zwei Minuten hatten wir die Kündigung für diese Dame verfertigt. Statt einen Betriebsrat zu gründen, wurde die Dame nun höflich, aber mit sofortiger Wirkung zur Tür begleitet. Danach begannen wir, alle verdächtigen Mitarbeiter konsequent zu entlassen. Eine Dame mit deutlich russischem Akzent erklärte uns, dass wir sie gar nicht entlassen könnten, denn sie wäre über das Arbeitsamt angestellt; dann eben nicht. Von den 52 Mitarbeitern der Gesellschaft blieben im Endeffekt nur 22. Einige Mitarbeiter, die wir im Übereifer entlassen hatten, holten wir nach und nach wieder zurück, sodass sich die Gesamtmitarbeiterzahl bei rund 35 einpendelte. Tatsächlich machte die Gesellschaft bereits im zweiten Monat, erstmals seit langem, wieder Gewinn. Kündigungsschutzklagen wurden aufgrund der kollektiven Untreuesituation, also aus Angst vor Strafverfolgung, gar nicht erst erhoben oder sie wurden abgewiesen.
Um die Finanzlage der brw schnell zu verbessern, gründeten wir eine eigene Leasinggesellschaft. Dieser übertrugen wir den gesamten Bestand an vermieteten, aber sonst unbelasteten Kopiergeräten zum gegenüber dem Verkehrswert in Höhe von ca. DM 3,5 Mio. deutlich niedrigeren Buchwert. Das waren dann DM 2,5 Mio. Unsere Leasinggesellschaft wiederum refinanzierte sich bei einem professionellen Leasingpartner, sodass ihr ebenjene DM 2,5 Mio. wieder zuflossen, die wir dann an die brw weiterleiteten. Da die brw durch diese Aktion keinen Gewinn machte – wir bewerteten die Leasingobjekte ja nur zu Buchwerten – mussten auch keine Steuern bezahlt werden. Wir hatten also bereits nach drei Monaten eine profitable Gesellschaft, die eigentlich kein Geld mehr brauchte, und DM 2,5 Mio. auf der hohen Kante. Da kam uns noch ein weiterer Umstand zupass. Die Gesellschaft verfügte über ein Einlagenkonto (EK 04) in Höhe von DM 3 Mio. Es handelte sich um Einlagen, die irgendwann einmal von irgendwelchen Vorgängern nicht auf das Stammkapital, sondern in die Rücklagen geleistet worden waren. Und aus diesem Konto konnte man damals noch steuerfrei in das Privatvermögen ausschütten, was wir auch taten. So hatten wir bereits nach kürzester Zeit DM 2,5 Mio. netto verdient und besaßen eine (noch schwach) profitable Gesellschaft. Auch das wollten wir nun ändern.
Wir führten das bereits bewährte Verkäuferstimulationsprogramm ein, erhöhten jedoch die Einbindung der Verkäufer in den gesamten Wertschöpfungsprozess. Sie sollten ihre Provision nun nicht mehr nur auf die erzielten Umsätze, sondern auf die erzielten Deckungsbeiträge erhalten, dafür zu einem höheren Prozentsatz. Im Gegenzug wurde ihnen nicht nur die Gestaltung der Verkaufspreise freigestellt, sondern sie erhielten die Befugnis, bei unserem Lieferanten Minolta im Einzelfall auch die Preise der bei Minolta zu erwerbenden Kopiergeräte zu verhandeln. Dies hatte einen sensationellen Effekt. Die Verkäufer feilschten nun nicht nur mit dem Kunden um jede einzelne Mark, sondern jetzt wurde auch über jedes einzelne Kopiergerät und dessen Einkaufspreis mit Minolta geschachert. Nachdem wir mit der A + L in Espelkamp, der brw in Kassel sowie inzwischen einem weiteren Büromaschinenhändler in Lemgo und Niederlassungen in Erfurt und Osnabrück zu Europas größtem Minolta-Händler aufgestiegen waren, musste Minolta dieses Prozedere hinnehmen. Ein eigener Mitarbeiter nur für unsere Vertriebsmitarbeiter wurde bei Minolta eingestellt. Minolta hatte schon von Anfang an unter unserer kostenbewussten Geschäftspolitik zu leiden gehabt. Da wir inzwischen eine strategische Größe für Minolta geworden waren, wollten wir diese Größeneffekte nunmehr auch in bare Münze umwandeln. Wir erklärten Minolta ultimativ, dass wir zu Canon, Ricoh oder zu einem anderen Hersteller wechseln würden, wenn wir nicht eine Art Gesamtumsatzrabatt bekämen, der dazu führen sollte, dass wir in Europa die niedrigsten Einkaufspreise bekämen. Darauf ließ sich Minolta in einer schriftlichen Abmachung zähneknirschend ein. Wie wenig dieses Papier wert war, musste insbesondere Martin feststellen, der auf seinen Akquisitionstouren immer wieder neue Targets ausfindig machte und beim Blick in deren Geschäftsunterlagen feststellen musste, dass Minolta wieder einmal eine als Top Secret eingestufte Kick-Back-Vereinbarung22 mit dem Händler getroffen hatte. Mit jeder Firma, die wir erwarben und die Minolta als Lieferanten hatte, hasste uns Minolta mehr und diese Abneigung war durchaus gegenseitig.
So fiel bei uns irgendwann der Entschluss, das Branchenkonzept Büromaschinenhandel nicht mehr fortzusetzen. Die von uns erreichten Größeneffekte ließen sich nicht erweitern. Im Gegenteil, wir waren inzwischen so groß geworden, dass Minolta ein virulentes Interesse daran hatte, dass wir keine weiteren Firmen kauften. Mit unseren Erwerbungen in Lemgo und Erfurt – diese noch für einen symbolischen Kaufpreis – hatte es sich inzwischen im Markt herumgesprochen, dass wir als Akquisiteure dabei waren, ein minoltabasiertes Branchenkonzept aufzustellen. Die Verkäufer wussten jetzt, dass wir, um weiter zu wachsen, auf diese Zukäufe angewiesen waren. So wurden auf einmal substantielle Kaufpreise aufgerufen. Da dies nicht in unserem Interesse lag, beschlossen wir, nachdem wir bereits die A + L Bürocenter mit einem Gewinn von DM 1 Mio. verkauft hatten, uns auch von allen anderen Kopier-Beteiligungen zu trennen.
Da kamen uns die beiden brw-Mitarbeiter, Herr Gerold23 und Herr Lüdenscheid24, gerade recht. Der eine war inzwischen in die Geschäftsführung der brw aufgestiegen und zuständig für Finanzen und Buchführung. Der andere war als Leiter des Vertriebs zuständig für die Expansion. Beide erklärten uns, sie wollten die inzwischen hochprofitable Firma samt allen Niederlassungen von uns erwerben. Beide waren aus familiären Gründen vermögend, sodass wir uns relativ schnell auf einen Kaufpreis von DM 4 Mio. einigen konnten, ein Kaufpreis, der im Hinblick auf die Akquisitionskosten von DM 1, den uns bereits bezahlten Geschäftsführergehältern von jeweils ca. DM 200 000 und einer ausgeschütteten Dividende von DM 2,5 Mio. einen passablen ROI25 darstellte. Nach nur 22 Monaten Geschäftsführertätigkeit hatten wir im August des Jahres 1995 jedenfalls weitere DM 6,5 Mio. erwirtschaftet, die wir in unsere Kriegskasse einlegen konnten. Damit sollte das Kapitel Büromaschinenhandel für uns abgeschlossen sein, fast jedenfalls.
22Unter einer Kick-Back-Vereinbarung versteht man eine Vereinbarung, nach der von einem vereinbarten (Listen-) Preis heimlich Teile wieder zurückgezahlt werden.
23Namen geändert.
24Namen geändert.
25ROI = return on investment; eine betriebswirtschaftliche Kennzahl zur Bestimmung der Rendite einer unternehmerischen Tätigkeit, gemessen am Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital, auch Kapitalrendite genannt.
Das 4. Abenteuer Betrug in Heidenheim
Ich hatte unsere Büromaschinenaktivitäten bereits gedanklich hinter mir gelassen, als Martin Mitte Juli 1995 doch noch mit einer weiteren Akquisitionsmöglichkeit um die Ecke kam. In Heidenheim gebe es einen Büromaschinenhändler mit DM 8 Mio. Umsatz, der ebenfalls einen beträchtlichen Bestand an Leasinggeräten habe, auch schlecht gemanagt sei und daher Verluste mache. Den Kaufpreis habe er bereits verhandelt. Es würde sich mal wieder um einen symbolischen Preis von DM 1 handeln. Signing und Closing solle am gleichen Tag erfolgen. Ich bräuchte nur noch genauso wie er dorthin zu fahren, den Vertrag zu unterzeichnen und schon würde uns diese Firma gehören. So stiegen wir in unsere schicken Autos und fuhren diesmal in die Gegend am Rande der Schwäbischen Alb nach Heidenheim. Dort trafen wir wieder einmal zwei Eigentümer, die als Geschäftsführer die Gesellschaft selbst geleitet hatten und nun aus allerlei Gründen, die mir alle nicht so recht einleuchteten, ihre Firma verkaufen bzw. besser gesagt loswerden wollten. Aber für DM 1 kann man nicht viel falsch machen, dachte ich jedenfalls, und so unterzeichneten wir den Kaufvertrag an einem Freitag. Das Wochenende nutzten wir in СКАЧАТЬ