Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Название: Deutsche Geschichte

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962817725

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СКАЧАТЬ in ei­ner Ein­öde zwi­schen dem Stein­hu­der Meer und der We­ser Klos­ter Loc­cum. Er­klärt auch der wirt­schaft­li­che Nut­zen, den die Zis­ter­zi­enser­k­lös­ter brach­ten, ihre ra­sche Auf­nah­me, so war doch fast in je­dem ein­zel­nen Fall ein re­li­gi­öses Ge­fühl der An­trieb der Stif­tung, Reue über ver­gos­se­nes Blut, Ein­sicht in die Flüch­tig­keit ir­di­scher Gü­ter oder auch nur die Mei­nung, dass ein wir­kungs­vol­ler Akt der Fröm­mig­keit zur Vollen­dung ei­nes christ­li­chen Ed­len ge­hö­re.

      Die enge Ver­bin­dung des krie­ge­ri­schen Adels mit der Kir­che wird erst recht ver­ständ­lich, wenn man be­denkt, dass die früh­mit­tel­al­ter­li­che Kir­che einen heid­nischen Cha­rak­ter hat­te. Sie hat­te ihn nicht nur, weil ihre Glie­der zum großen Teil erst kürz­lich be­kehr­te Hei­den wa­ren, nicht nur, weil zahl­rei­che Ele­men­te des Hei­den­glau­bens in die Kir­che auf­ge­nom­men und über­ge­gan­gen wa­ren. Chris­tus kam in eine er­starr­te Welt, die er das Ster­ben lehr­te. Er ist der Gott des To­des, dar­um wa­ren sei­nem Ant­litz von An­fang an Züge tiefs­ter Trau­er ein­ge­gra­ben. Vi­el­leicht er­leb­te in ihm die Mensch­heit zum ers­ten Male be­wusst den Tod. Das jun­ge Ger­ma­nen­volk war noch nicht er­starrt, sein Da­sein voll­zog sich jen­seits von Gut und Böse, zwi­schen sei­nen strö­men­den Kräf­ten des Has­ses und der Lie­be, des Fre­vels und der Reue konn­te die Selbst­sucht nicht zu hem­men­der Schran­ke ge­rin­nen. Der spä­te­re Mensch sieht mit Stau­nen, wie in der mit­tel­al­ter­li­chen Welt ent­setz­li­cher Blut­durst und zar­te Him­mels­sehn­sucht, Hoch­mut und De­mut sich kreu­zen, wie schwers­te Ver­bre­chen durch ein ge­lin­des Pries­ter­wort ge­sühnt wer­den, wie hohe Kir­chen­fürs­ten ihre ir­di­schen Lei­den­schaf­ten aus­to­ben, ohne sich da­durch be­schwert zu füh­len. Blut­ro­te Sün­de wusch eine Trä­ne ab. Die­se jun­ge Welt, in der der Tod nicht schmerz­te, weil sie so voll Le­ben war, dass der Tod nur ein Über­strö­men in neu­es Le­ben be­deu­te­te, er­leb­te das Chris­ten­tum an­ders als die an­ti­ke Welt, die ver­ges­sen hat­te, dass nichts auf­er­ste­hen kann, was nicht zu­vor ge­stor­ben ist. Dement­spre­chend muss­te die Kir­che sich wan­deln.

      Das Gu­drun­lied er­zählt, wie nach der blu­ti­gen Schlacht auf dem Wül­pen­san­de die über­le­ben­den Hel­den die To­ten zu be­stat­ten be­schlie­ßen, nicht nur die Freun­de, son­dern auch die Fein­de, da­mit sie nicht den Ra­ben und Wöl­fen zur Spei­se wer­den. Da­mit ih­res tap­fe­ren En­des ewig ge­dacht wer­de, stif­ten sie ein Klos­ter mit ei­nem Ho­spi­tal, zu des­sen Guns­ten die Ver­wand­ten der Ge­fal­le­nen Ga­ben bei­steu­ern. Auch der Ar­men wird ge­dacht: ih­nen soll der Er­lös aus den Pfer­den, Rüs­tun­gen und Ge­wän­dern der Ge­fal­le­nen zu­gu­te kom­men. Eine An­zahl von Pfaf­fen, die dem Klos­ter zu­ge­wie­sen wur­de, soll be­tend und sin­gend die See­len der Er­schla­ge­nen Gott emp­feh­len. Vor der Schlacht hat­ten sie, weil es ih­nen an Schif­fen fehl­te, ei­ner Pil­ger­schar, die auf der In­sel ge­lan­det war, ihre Schif­fe weg­ge­nom­men; die­sem Fre­vel schrie­ben sie den un­glück­li­chen Aus­gang des Tref­fens zu, und da­mit sie beim nächs­ten Ge­fecht bes­se­res Glück hät­ten, be­eil­ten sie sich nun, den Scha­den zu er­set­zen. Dann se­gel­ten sie heim, das Herz er­füllt von Ra­che­ge­dan­ken, un­ge­dul­dig ge­spannt auf neu­es Blut­ver­gie­ßen. So war das Chris­ten­tum der Ed­len: zu­wei­len wur­de ein hä­re­nes Ge­wand über den strah­len­den Har­nisch ge­zo­gen, dann, nach­dem es wie­der im Ge­päck ver­sorgt war, schlug das wil­de heid­nische Herz, ganz eins mit sich, dem nächs­ten Tur­nier, der nächs­ten Feh­de, neu­en Ta­ten und Un­ta­ten ent­ge­gen. Die Kir­che war mit die­sen Söh­nen zu­frie­den, und es ist an­zu­neh­men, dass Gott es auch war.

      Die Fa­mi­lie der Ar­nul­fin­ger, die rasch in leuch­ten­den Stu­fen zu ih­rem Gip­fel auf­ge­stie­gen war, ver­fiel so­fort nach dem Tode des größ­ten, wenn sie auch noch lan­ge nicht er­losch, als hät­te das weit­hin we­cken­de Licht, das von ihm aus­ging, vom Ho­ri­zon­te sich nicht lö­sen mö­gen und in ei­nem lan­gen Aben­d­ro­te dem Un­ter­gan­ge nach­ge­glüht. Trotz der Tei­lung un­ter die Söh­ne Lud­wigs des From­men er­hielt sich noch das Be­wusst­sein des Zu­sam­men­han­ges der west- und ost­frän­ki­schen Reichs­hälf­ten durch die Dy­nas­tie, wie sie denn auch un­ter Karl dem Di­cken noch ein­mal ver­ei­nigt wur­den. Im­mer­hin, ob­wohl das häu­fi­ge Vor­kom­men ger­ma­ni­scher Na­men im 9. Jahr­hun­dert der west­frän­ki­schen Hälf­te noch ein ger­ma­ni­sches Ge­prä­ge gab, be­wei­sen die Eide, die bei Ge­le­gen­heit der Ver­trä­ge von Ver­dun und Mer­sen über die Tren­nung ge­leis­tet wur­den, dass im west­frän­ki­schen Rei­che Fran­zö­sisch, im ost­frän­ki­schen Deutsch ge­spro­chen wur­de.

      Die end­gül­ti­ge Tren­nung der deut­sch­re­den­den Stäm­me vom West­fran­ken­reich wur­de of­fen­bar, als im Jah­re 911 der letz­te ost­frän­ki­sche Kö­nig, Lud­wig das Kind, starb. Die Deut­schen dach­ten nicht dar­an, sich nun wie­der dem west­frän­ki­schen Ka­ro­lin­ger an­zu­schlie­ßen, son­dern ein Teil wähl­te Kon­rad zum Kö­nig, der als Her­zog von Fran­ken und An­ver­wand­ter der ka­ro­lin­gi­schen Fa­mi­lie der ge­eig­ne­te Nach­fol­ger zu sein schi­en. Wäh­rend sei­ner kur­z­en Re­gie­rung be­müh­te sich Kon­rad ver­geb­lich um den An­schluss al­ler Stäm­me; au­ßer in Fran­ken und Schwa­ben wur­de er nir­gends an­er­kannt. Sei­ne edle Ge­sin­nung be­wies er da­durch, dass er ster­bend sei­nem Bru­der Eber­hard emp­fahl, auf die Nach­fol­ge zu ver­zich­ten und die Kro­ne sei­nem bis­he­ri­gen Geg­ner, dem Sach­sen­her­zog Hein­rich, an­zu­bie­ten.

      Als mit dem Tode Karls des Gro­ßen der Mit­tel­punkt er­schlaff­te, in dem die Reichs­glie­der zu­sam­men­ge­fasst wa­ren, wur­de das Grund­we­sen der Ger­ma­nen wie­der wirk­sam, de­nen we­ni­ger der Trieb nach Ein­heit im Blu­te liegt als der Drang des ein­zel­nen oder der Grup­pe nach Selbst­stän­dig­keit und Un­ab­hän­gig­keit. Der ro­ma­ni­sche Staat be­tont die Ver­tre­tung des Gan­zen, schafft einen Be­am­ten­ap­pa­rat, der vom Mit­tel­punkt aus­ge­hend die Glie­der von oben nach un­ten er­fasst und be­wegt, wo­durch für die­sen die Mög­lich­keit ent­steht, sich der be­herrsch­ten Tei­le zu be­die­nen, sie mit großer Kraft nach au­ßen zu ver­wen­den, sie aus­zu­beu­ten. Der ger­ma­ni­sche Staat geht von den ein­fa­chen un­te­ren Glie­dern, der Fa­mi­lie, der Sip­pe, der Ge­mein­de aus und be­geg­net all­mäh­lich der von oben­her be­herr­schen­den Ver­tre­tung des Gan­zen. Die Ent­fal­tungs­mög­lich­keit und Frei­heit des In­di­vi­du­ums ist dem Ger­ma­nen un­end­lich wich­tig, und er op­fert da­von nur so viel wie nö­tig ist, da­mit ein Gan­zes über­haupt sich bil­den kann, wäh­rend nach ro­ma­ni­scher Auf­fas­sung der Staat im Be­sitz der All­ge­walt ist und dem ein­zel­nen an Be­fug­nis­sen mög­lichst we­nig über­lässt. Die Vor­tei­le des zen­tra­li­sier­ten Staa­tes sind Straff­heit, Ord­nung, Mög­lich­keit der Machtent­fal­tung nach au­ßen, die des ge­glie­der­ten Staa­tes Man­nig­fal­tig­keit, Reich­tum an ei­gen­ar­ti­gen In­di­vi­dua­li­tä­ten, Fül­le der Na­tur, des schöp­fe­ri­schen Le­bens. Im Hin­blick auf den Be­am­ten­ap­pa­rat kann man den zen­tra­li­sier­ten Staat auch den me­cha­ni­schen nen­nen, wor­auf der häu­fig ge­brauch­te Aus­druck Staats­ma­schi­ne­rie oder Staats­ma­schi­ne hin­weist, wäh­rend der or­ga­ni­sche von in­nen her­aus wächst und sich ver­zweigt. Zu Karls des Gro­ßen Zeit konn­te al­ler­dings von СКАЧАТЬ