Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Название: Deutsche Geschichte

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962817725

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СКАЧАТЬ für den Kampf des Le­bens zu schwach wa­ren, die in­fol­ge ge­stör­ten Gleich­ge­wichts der Kräf­te, in­fol­ge ir­gend­wel­cher kör­per­li­cher oder geis­ti­ger Ge­bre­chen drau­ßen im rück­sichts­lo­sen Wett­kampf der Ar­beit und des Ehr­gei­zes schei­tern muss­ten, alle die un­schein­ba­ren, all­zu zar­ten Pflan­zen, die von acht­lo­sen Fü­ßen zer­tre­ten wer­den, aber un­ter ver­ständ­nis­vol­ler Pfle­ge er­blü­hen und Früch­te tra­gen kön­nen. Sie wa­ren Ge­fäng­nis­se, wo der Schuld­be­la­de­ne ver­hin­dert wur­de zu scha­den, wo er aber nicht aus der Ge­sell­schaft der Gu­ten und Ge­sun­den aus­ge­sto­ßen war, wo er Stra­fe er­litt, aber auch Zu­spruch, Läu­te­rung und Er­he­bung fin­den konn­te. Der edle Bi­schof Otto von Bam­berg sag­te ein­mal, als je­mand mein­te, es gebe schon zu viel Klös­ter, er sol­le nicht neue grün­den: die Welt sei für den Men­schen die Frem­de, dar­um müs­se es Her­ber­gen ge­ben, und sol­che Her­ber­gen sei­en die Klös­ter. Sie sei­en nicht für die­je­ni­gen da, die sich auf Er­den hei­misch fühl­ten, son­dern für die Frem­den. Den Fremd­lin­gen auf Er­den öff­ne­te sich die gast­li­che Pfor­te als ein Vor­hof der ewi­gen Ruhe.

      Die al­ten Klös­ter mit ih­ren Kir­chen und Kreuz­gän­gen sind im Lauf der Jahr­hun­der­te ent­we­der ganz zer­stört oder um­ge­baut wor­den. Die Ab­tei Prüm in der Ei­fel, die Karl Mar­tells Schwes­ter Ber­tra­da zu An­fang des 8. Jahr­hun­derts stif­te­te, stammt in ih­rer jet­zi­gen Ge­stalt aus dem 18. Jahr­hun­dert, Ful­da ist vom Ba­rock be­herrscht, Sankt Gal­len vom Ro­ko­ko, eben­so fast alle bay­ri­schen und ös­ter­rei­chi­schen Klös­ter, im säch­si­schen Kor­vey, wo der Mönch Wi­du­kind die Ge­schich­ten sei­nes Vol­kes schrieb, muss man die ro­ma­ni­schen Über­bleib­sel des al­ten Baus auf­su­chen. Aber wenn man die In­sel Rei­chenau be­tritt, dann wird man in die Zeit der Erst­lin­ge des Glau­bens ent­rückt. Hier ist al­les fest um­grenzt, al­les schlicht ge­formt, al­les Sym­bol und Ge­heim­nis. Die Häu­ser sind klein, selbst die Kir­chen nied­rig, und den­noch, mit ih­ren di­cken Mau­ern, ih­ren fla­chen De­cken und kur­z­en Säu­len er­schei­nen sie ge­wal­tig und hau­chen über­ir­di­sche Schau­er aus. Die Göt­ter­ge­stalt Chris­ti, die wir von den halb­zer­stör­ten Wand­ge­mäl­den ab­le­sen, wie sie Kran­ke heilt und Tote er­weckt, steigt aus bo­den­lo­sen Ab­grün­den her­vor, Füh­rer durch Blut und Trä­nen in ein Reich jen­seits der Ster­ne. Er­drückend wäre die Hei­lig­keit die­ser Räu­me, wenn sie nicht Na­tur hold um­gä­be: um die Ge­mäu­er singt die Wel­le, flüs­tert das Schilf, blüht und rauscht die Lin­de. Der Gott, der hier an­ge­be­tet wird, liebt die Na­tur, sie ist sei­ne Toch­ter und at­met dicht an sei­nem Her­zen. An den Spa­lie­ren rei­fen Äp­fel und Bir­nen, Pfir­si­che und Trau­ben, nicht nur durch die Gü­ter, die Schif­fe ihr von weit­her zu­füh­ren, ist die­se Aue reich, son­dern durch das, was sie selbst her­vor­bringt. Hier sind alle Men­schen, die ho­hen und die nie­de­ren, die Her­ren und die Bett­ler, Kin­der der Erde, ein Volk von Bau­ern, ge­nüg­sam in sei­nen An­for­de­run­gen an das Ir­di­sche, maß­los in sei­nen Ah­nun­gen des Ewi­gen. Ihre Hei­mat ist eine In­sel, ums­aust von Stür­men, um­bran­det von Wel­len, aber hoch oben rol­len die Ster­ne aus der Hand des Herrn als ein Band, das die Erde und ihre klei­ne Hei­mat mit dem Him­mel ver­bin­det – A­do­re­mus Glo­rio­sis­si­mum.

      Die Edda er­zählt, dass Heim­dall, ei­ner der Asen, als er einst am Stran­de des Mee­res sich er­ging, auf mensch­li­che Woh­nun­gen stieß, dort ein­kehr­te und in drei Näch­ten mit drei ver­schie­de­nen Frau­en Kin­der zeug­te. Der Sohn der ge­rings­ten wur­de ein Skla­ve, der Sohn der mit­tel­mä­ßig Be­gü­ter­ten wur­de ein Bau­er, der Sohn der vor­neh­men Frau ein Jarl oder Ada­ling. Der Skla­ve oder Thräl hat­te schwar­ze Haa­re, krum­men Rücken, gelb­li­che Haut, der Jarl, des­sen Mut­ter wei­ßer als rei­ner Schnee glänz­te, war blond­haa­rig, hat­te schö­ne Wan­gen und blit­zen­de Au­gen. Wenn auch lang­dau­ern­de schwe­re Ar­beit und gro­be Er­näh­rung den Rücken beu­gen und die Haut här­ten kann, so möch­te man doch aus die­ser Sage schlie­ßen, dass die Skla­ven der Ger­ma­nen An­ge­hö­ri­ge un­ter­wor­fe­ner Völ­ker wa­ren, als Frem­de nie­de­rer Art ge­ring­ge­schätzt. Alle ger­ma­ni­schen Stäm­me au­ßer den Frie­sen un­ter­schie­den einen Adel, Freie von ver­schie­de­ner Ab­stu­fung und Hö­ri­ge, die gleich­falls in ver­schie­de­ner Be­zie­hung zu ih­ren Her­ren stan­den. Der Adel war durch das dop­pel­te Wer­geld der Frei­en aus­ge­zeich­net, üb­ri­gens stan­den die Rech­te der Frei­zü­gig­keit, Schild­bür­tig­keit, das Feh­de­recht, das Recht ech­tes Ei­gen­tum zu be­sit­zen, das Recht nur von sei­nes­glei­chen ge­rich­tet zu wer­den, dem frei­en Man­ne eben­so wie dem Ad­li­gen zu. Der Ur­sprung des Adels ver­liert sich im Dun­kel der An­fän­ge; viel­leicht ent­stand er da­durch, dass ge­wis­se Fa­mi­li­en, die sich im Krie­ge, im öf­fent­li­chen Le­ben und etwa auch durch Schön­heit aus­zeich­ne­ten, mit den Göt­tern ver­knüpft ge­dacht wur­den. Es ist auf­fal­lend, wie die Ge­schichts­schrei­ber die Schön­heit der Per­so­nen, von de­nen sie er­zäh­len, aus­führ­lich be­schrei­ben; be­son­ders von den Kai­sern wird der hohe Wuchs, die edle Hal­tung, das blon­de Ge­lock, der feu­ri­ge Blick ge­rühmt, au­gen­schein­lich nicht nur als et­was dem Auge Wohl­ge­fäl­li­ges, son­dern auch als Wahr­zei­chen ed­ler Ge­burt. Von Otto IV., der sich durch geis­ti­ge Ga­ben nicht her­vor­tat, wur­de an­ge­nom­men, dass er die fürst­li­chen Wäh­ler durch sei­ne schö­ne große Ge­stalt be­sto­chen habe. Auch an den Mön­chen wur­de Schön­heit als et­was Preis­wür­di­ges her­vor­ge­ho­ben, und mit Stau­nen wur­de ver­merkt, wenn ge­ra­de im un­an­sehn­li­chen oder ent­stell­ten Kör­per ein ho­her Geist wohn­te, wie das bei Her­man­nus Kon­trak­tus, bei Wal­afried Stra­bo in so ho­hem Maße der Fall war. Noch jetzt fin­den sich in Nie­der­sach­sen hoch­ge­wach­se­ne Men­schen mit lich­tem blon­dem Haar und ei­gen­tüm­li­chem, Raum und Kör­per durch­boh­ren­dem See­manns­blick der blau­en Au­gen; viel­leicht sah so der säch­si­sche Adel in wohl­ge­lun­ge­nen Exem­pla­ren aus. Von Adal­hard, ei­nem Vet­ter Karls des Gro­ßen, der eine säch­si­sche Mut­ter hat­te, sag­ten sei­ne Schü­ler, dass sie vor dem furcht­ba­ren Flam­men­blick sei­ner Au­gen ge­zit­tert hät­ten. Un­ter den Fran­ken fiel die Ei­gen­art des Man­nes auf, der schweig­sam und gern al­lein, un­beug­sam fest in sei­nen Über­zeu­gun­gen war und Zu­ver­läs­sig­keit als höchs­te Tu­gend schätz­te. Der Stolz war bei den Sach­sen noch mehr aus­ge­prägt als bei den an­de­ren deut­schen Stäm­men: sie wa­ren stolz auf ihre Hei­mat, stolz auf ihre Ge­schich­te, stolz auf ihre Ab­kunft. Das Chris­ten­tum hat die­sen Stolz nicht aus­ge­trie­ben. Die we­gen ih­rer Fröm­mig­keit ei­ner Hei­li­gen gleich ge­ach­te­te Kö­ni­gin Mat­hil­de be­rief in das Stift zu Qued­lin­burg, das sie grün­de­te, nur Per­so­nen aus dem höchs­ten frei­en Stan­de, weil sie, wie die An­na­len be­rich­ten, dar­an fest­hielt, dass eine Wohl­ge­bo­re­ne sel­ten und nur aus schwe­ren Grün­den ent­ar­te. Alle äl­te­ren Klös­ter wur­den nur mit Ad­li­gen be­setzt, die Äbte und Äb­tis­sin­nen ge­hör­ten oft dem Reichs­fürs­ten­stan­de an. Man wuss­te wohl, dass Pe­trus, ein Fi­scher, ge­sagt hat­te: Bei Gott gilt kein An­se­hen der Per­son, und be­kannt wa­ren die Wor­te, die Pau­lus an die Gala­ter rich­te­te: »Denn die­je­ni­gen, die in Chris­tus ge­tauft sind, ha­ben Chris­tus an­ge­zo­gen. Da ist nicht Jude oder Grie­che, da ist nicht Skla­ve oder Frei­er, nicht Mann oder Frau, ihr seid alle ei­nes in Je­sus Chris­tus«, aber man dach­te nicht dar­an, die­se Ge­sin­nung zu ver­wirk­li­chen. СКАЧАТЬ