Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Название: Deutsche Geschichte

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962817725

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СКАЧАТЬ Karls, wäh­rend sie, ein je­der an ei­nem be­son­de­ren Tisch, speis­ten, ge­gen Karl be­merkt: »Euer Chris­tus sagt, in den Ar­men wer­de er selbst auf­ge­nom­men. Mit wel­cher Stirn re­det denn ihr uns zu, dass wir un­se­re Na­cken beu­gen sol­len vor dem, wel­chen ihr so ver­ächt­lich be­han­delt und dem ihr nicht die ge­rings­te Ehr­er­bie­tung be­weist?« Der Kai­ser, so heißt es wei­ter, er­schrak und er­rö­te­te; denn die Ar­men sa­ßen de­mü­tig am Bo­den.

      Das Miss­ver­hält­nis zwi­schen Ide­al und Wirk­lich­keit, das im­mer be­steht, dräng­te sich si­cher ge­ra­de den Hei­den auf, die der neu­en Leh­re zwei­felnd ge­gen­über­stan­den. In­des­sen die Ar­men und Skla­ven wa­ren nur ein Teil des Vol­kes, und die Be­zie­hung zur Ar­mut ist nur ein Teil des Chris­ten­tums. Er­schüt­tert durch das un­ge­heu­re Er­leb­nis des mehr als drei­ßig­jäh­ri­gen Kamp­fes beug­ten sich die Be­sieg­ten, wie Wi­du­kind ge­tan hat­te, dem frem­den Gott, der sei­ne Über­macht an ih­nen be­wie­sen hat­te. Von ihm er­war­te­ten sie nun Sieg im Kamp­fe, Ge­dei­hen der Äcker, Glück und Ge­lin­gen in al­len An­ge­le­gen­hei­ten, be­reit, ihm da­für mit gren­zen­lo­ser Er­ge­ben­heit zu die­nen. Der alte Göt­ter­glau­be, ob er nun dem nor­di­schen ähn­lich war, wie er sich in der Edda dar­stellt, oder ob er bei den deut­schen Stäm­men sich an­ders ent­wi­ckelt hat­te, si­cher­lich hat­te er nicht mehr die quel­len­de Fri­sche ei­nes neu­en oder er­neu­er­ten Glau­bens. Man weiß aus den Kla­gen des Bo­ni­fa­ti­us, dass sich die Re­li­gio­si­tät der heid­nischen Deut­schen haupt­säch­lich in aber­gläu­bi­schen Bräu­chen und Be­schwö­run­gen äu­ßer­te, im Wäh­len glück­brin­gen­der Tage, im Los wer­fen, im Zwin­gen des Wet­ters oder mensch­li­chen Wil­lens; in sol­chen For­meln war der einst sinn­vol­le, le­ben­di­ge Glau­be er­starrt. An dem christ­lich ab­ge­wan­del­ten Aber­glau­ben fest­zu­hal­ten, ge­nüg­te dem re­li­gi­ösen Be­dürf­nis vie­ler. Wei­se Päps­te ord­ne­ten an, dass so viel wie mög­lich der christ­li­che Kult an heid­nische Fes­te, Ge­bräu­che, Ge­wohn­hei­ten an­ge­knüpft wer­de; so tra­ten denn Hei­li­ge an die Stel­le der Göt­ter, und die das Le­ben Chris­ti und der Hei­li­gen be­zeich­nen­den Fes­te an die Stel­le der heid­nischen, die den Son­nen­lauf, das Er­wa­chen und Hinster­ben der Na­tur be­glei­ten. Un­ter den Sach­sen und Frie­sen, den zu­letzt be­kehr­ten Stäm­men, wa­ren wohl vie­le Bau­ern, die, wenn sie sich auch an die neu­en Na­men ge­wöhn­ten, doch der Kir­che und den Pries­tern im Her­zen feind­lich blie­ben auf eine ver­bis­se­ne, schweig­sa­me, ge­fähr­li­che Art. Aber auch bei die­sen schwand die Erin­ne­rung an den al­ten Glau­ben, selbst wenn sich die al­ten Zau­ber­sprü­che im Ge­dächt­nis er­hiel­ten. Die, wel­che die Pfaf­fen hass­ten, fühl­ten sich trotz­dem als gute Chris­ten.

      Ein gan­zes Volk kann sich nicht plötz­lich we­sent­lich ver­än­dern. Für die große Men­ge än­der­ten sich zu­nächst nur die Na­men und die For­meln. Ein­zel­ne re­li­gi­ös Be­gab­te er­fuh­ren durch die Berüh­rung mit dem Chris­ten­tum ein er­schüt­tern­des Er­leb­nis und eine Wand­lung, und von sol­chen ging all­mäh­lich um­bil­den­der Ein­fluss auf das Volk aus. Es war nicht so, dass das Chris­ten­tum sei­ne Be­ken­ner so­fort auf eine hohe mo­ra­li­sche Stu­fe ge­ho­ben hät­te; aber das un­er­gründ­li­che Bi­bel­wort riss Schluch­ten in ih­rer See­le auf, aus de­nen her­aus sie glü­hen­der leb­ten. Al­tei­li­ge Vor­stel­lun­gen ver­schmol­zen mit dem neu­en Got­tes­bil­de. Je­ho­va war dem al­ten nor­di­schen Him­mels­gott ver­wandt; wie die­ser durch­stürm­te er die Nacht auf weißem Blitz, Dich­ter­wor­te, Zau­ber­wor­te auf den über­schweng­li­chen Lip­pen. Sie be­grif­fen ihn als den Herrn, die furcht­ba­re Ma­je­stät, un­nah­bar in ewi­ge Glut gehüllt, als den Ur­ton, der die Welt durch­summt. Sein Weg war un­er­reich­bar hoch, sein Wil­le un­er­forsch­lich, un­wi­der­steh­lich. Und die­ser All­mäch­ti­ge wur­de des Men­schen Freund, schloss einen Bund mit ihm, und aus ei­nes mensch­li­chen Mäd­chens Schoß zeug­te er wun­der­bar sein Eben­bild, den Früh­lings- und Lie­bes­gott, des­sen Tod Dun­kel und un­end­li­che Trau­er über die Erde aus­brei­tet. Den Mit­tel­punkt des Kul­tes und des Glau­bens bil­de­te das Sa­kra­ment des Abend­mahls. Man fei­er­te dar­in ein hei­li­ges Ge­heim­nis, die Ver­mäh­lung von Gott und Na­tur, die Ent­zün­dung des ele­men­ta­ren Stof­fes durch die Flam­me Gott. Das Zau­ber­wort des Ma­giers am Al­ta­re press­te die durch das Wel­tall er­gos­se­ne in einen elek­tri­schen Punkt zu­sam­men und lei­te­te sie zu Se­gen oder Fluch auf die Lip­pe des sterb­li­chen Men­schen. Die we­nigs­ten hat­ten das Be­dürf­nis, das Wun­der zu ver­ste­hen, da sie es er­leb­ten. Die Hos­tie war ne­ben den Re­li­qui­en der Mit­tel­punkt der Wun­der­sucht, das schau­er­lichs­te Mit­tel der Zau­be­rei. Die Ver­eh­rung der ir­di­schen Über­res­te von Hei­li­gen, ein ed­ler Brauch, ver­misch­te sich bald mit teils heid­nischen, teils welt­li­chen Vor­stel­lun­gen, die von we­ni­gen Hoch­ste­hen­den be­nutzt, von den meis­ten ge­teilt wur­den. Jahr­hun­der­te hin­durch wa­ren Re­li­qui­en ein Zau­ber­mit­tel, das von den Be­sit­zen­den ge­sam­melt, er­jagt, wenn es nicht an­ders ging, ge­stoh­len wur­de. Als im 14. Jahr­hun­dert Bi­schof Ger­hard von Hil­des­heim ge­gen meh­re­re mäch­ti­ge Fürs­ten in die Schlacht ging, ver­sprach er erst der Mut­ter Got­tes ein gol­de­nes Dach auf ihre Kir­che für den Fall sei­nes Sie­ges, wäh­rend sie sonst mit ei­nem Stroh­dach sich be­gnü­gen müs­se, au­ßer­dem steck­te er Re­li­qui­en in sei­nen Är­mel. »Leve Ke­rel, tru­ret nich, hie heb­be ek du­send Mann in mi­ner Mau­en«, rief er sei­nen Leu­ten zu, um sie ge­gen die Über­zahl be­herzt zu ma­chen, und er­rang einen ge­wal­ti­gen Sieg. Wenn sich viel Ab­ge­schmack­tes und Ro­heit in die Auf­fas­sung des Gött­li­chen misch­te: was wäre eine Re­li­gi­on, die nicht auch Ma­gie wäre? Teil­ha­ben an der Got­tes­kraft, das ist es doch, was alle Gläu­bi­gen wol­len, die einen um der ro­he­s­ten, an­de­re um der sub­lims­ten Zwe­cke wil­len. Bei al­ler der­ben Sinn­lich­keit ver­senk­ten sich die Deut­schen mit Lei­den­schaft in das Über­sinn­li­che. Die er­ha­be­ne Ge­walt­sam­keit, mit der das Chris­ten­tum den ei­gent­li­chen Schau­platz der Men­schen­ge­schich­te von der Erde hin­weg in ein jen­sei­ti­ges Geis­ter­reich ver­legt, ge­ra­de die­se Um­wäl­zung, die der Epo­che, die man Mit­tel­al­ter nennt, die gran­dio­se Span­nung, die ge­heim­nis­vol­le Tie­fe ver­lieh, das Le­ben in ein Him­mel und Erde über­brücken­des Dra­ma ver­wan­delt, ent­sprach ei­ner Geis­tes­kraft, die dem Deut­schen be­son­ders ei­gen ist, der Fan­ta­sie. Der Sinn für das Un­sicht­ba­re, der viel­leicht mit der Be­ga­bung des deut­schen Men­schen für Mu­sik zu­sam­men­hängt, öff­net sein Ohr den Stim­men von drü­ben. Li­ud­ger, der ers­te Bi­schof von Müns­ter, der, weil er selbst Frie­se war, leich­ter Zu­gang zu sei­nem Vol­ke fand als die frü­he­ren Mis­sio­na­re, be­kam einen wert­vol­len Ge­hil­fen in dem san­ges­kun­di­gen Bern­laf. Ihn hat­te die Schön­heit der Psal­men für das Chris­ten­tum ge­won­nen, und da er über­all be­liebt war, weil er von den Ta­ten der Vor­fah­ren sin­gen und sa­gen konn­te, wehr­te man ihm auch nicht, als er für sei­nen Glau­ben warb. Die­se Ge­sän­ge über­zeug­ten un­mit­tel­bar, auf Zau­ber­art. Nicht nur der frie­si­sche Sän­ger, nicht nur Mön­che, son­dern auch Kö­ni­ge wuss­ten vie­le Psal­men aus­wen­dig und führ­ten eine Psal­men­samm­lung auf Rei­sen mit sich. Karl der Gro­ße lieb­te die Mu­sik und pfleg­te in der Kir­che mit ge­dämpf­ter Stim­me die Psal­men mit­zu­sin­gen. Kei­ne Kunst ist so wie die Mu­sik Ver­kün­de­rin des Über­sinn­li­chen, dop­pelt so, wenn sie sich mit der Wir­kung der Archi­tek­tur ver­bin­det. СКАЧАТЬ