Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
isbn:
Tränen stürzten ihm aus den Augen und netzten die bleichen Wangen des gefallenen Freundes. Da gedachte er seines letzten Wunsches. Er zog ihm den Handschuh von der rechten Hand und streifte sanft den Ring mit dem blauen Vergißmeinnicht vom kleinen Finger. Er mußte ihn erst aufbiegen, da er sich fest zusammengekrampft hatte, und es war ihm einen Augenblick, als ob er ein Zucken der Hand fühlte. Aber er hatte sich getäuscht – der Körper lag leblos da.
Er richtete ihn ein wenig auf und lehnte ihn gegen den Schenkel des Pferdes, so daß der Kopf einen Halt hatte. Noch eine Weile saß er neben ihm und schaute ihm traurig ins liebe Gesicht. Den Ring steckte er an die eigene Hand. Er dachte an Maria, die Heinz geliebt hatte, und dann an ein anderes, beiden teures Wesen – an Waltrudis, und wie sie um den Verlorenen weinen würden.
Waltrudis! Da war's ihm, als ob ihm noch ein anderer Gedanke durch den Sinn ging. Der Kopf war ihm so dumpf und wüst, er konnte den Gedanken nicht gleich fassen und halten. Dann aber wurde es lichter und lichter in ihm. Ja, rief er, das ist deine nächste Pflicht! und sprang von der Erde auf. Noch einen Blick warf er auf den armen Freund, dann schwang er sich aufs Pferd und jagte davon, der scheidenden Sonne entgegen.
Es war die höchste Zeit gewesen. Ein Trupp Polen kam eben dahergeritten. Sie schickten ihm ein Dutzend Pfeile nach, aber keiner traf ihn.
Bald deckte ihn der Wald gegen weitere Nachstellung. Er ritt und ritt die ganze Nacht hindurch.
15. HEINRICH VON PLAUEN
Es war früh am Morgen, als Hans von der Buche die Türme der Burg Rheden sah. Er ritt auf die Brücke und rief dem Wächter zu: Sagt Eurem Herrn, daß die Schlacht verloren ist; er soll sein Haus vor den Polen hüten! Dann sprengte er weiter auf der Straße nach Buchwalde.
Am Hoftor brach das Pferd unter ihm zusammen. Er selbst hielt sich nach zwei durchwachten Nächten kaum auf den Füßen; aber er wußte, was davon abhing, daß er jetzt nicht schwach würde, und faßte alle seine Kräfte zusammen. Vor dem Stall fand er den Kämmerer, der nicht wenig verwundert war, ihn so unerwartet rasch wiederzusehen. Von ihm erfuhr er, daß das Herrenhaus leer stehe, da die Gutsfrau und deren Tochter bald nach dem Abzuge des Ritters nach Schloß Sczanowo abgereist seien.
Es war ihm eine Erleichterung, daß er für die Sicherheit der Frauen nicht zu sorgen hatte. Einer der Hofleute mußte sich sofort aufs Pferd werfen und zum Waldmeister eilen. Ein zweites Pferd für diesen wurde ihm mitgegeben. Der Alte sollte keinen Augenblick säumen, er habe Wichtiges mit ihm zu verabreden und könne diesmal nicht selbst zu ihm in den Wald hinaus. Der Kämmerer erhielt den Befehl, das stärkste und schnellste Pferd aus dem Herrenstall gut zu füttern und für ihn gesattelt zu halten. Dann erst ließ er sich Speise und Trank reichen, stärkte sich und streckte sich eine Weile auf seinem Bett aus. Sollte er einschlafen, so sei er sofort nach des Waldmeisters Ankunft zu wecken.
Aber bei aller Müdigkeit wollte doch der Schlaf nicht kommen: die Aufregung war zu groß gewesen. Sowie die Augenlider zufallen wollten, schreckte er wieder auf. Er hörte noch immer das Donnern der Kanonen, das Klirren der Eisenwaffen, das Splittern der Lanzen, das Wiehern der Streithengste, das Geschrei der Kämpfenden. Und dann war es ihm, als ob er auf dem Hofe den Hufschlag von Rossen vernähme; aber so schnell konnte der Waldmeister auch bei größter Eile nicht eintreffen.
Endlich kam Gundrat. Ihr habt mich rufen lassen, Junker, sagte er beim Eintreten mürrisch; was begehrt Ihr von mir?
Hans sprang auf und reichte ihm die Hand. Mein Vater ist tot, antwortete er, gefallen bei Tannenberg in der Schlacht mit vielen Tausenden.
Der Alte lüftete ein wenig die Kappe. So seid Ihr jetzt hier der Herr. Ich hoffe, Ihr werdet mich aus meiner Waldhütte nicht vertreiben wollen.
Sprecht nicht so, verwies der Junker. Ich glaubte, daß ich auf Eure Freundschaft rechnen dürfte – deshalb berief ich Euch. Ich habe nun die Sorge für Haus und Hof und muß doch noch in dieser Stunde fort. Das Ordensheer ist aufs Haupt geschlagen – nach aller Wahrscheinlichkeit wird König Jagello mit seinen siegreichen Scharen das Land überschwemmen und die Burgen angreifen. Buchwalde ist in Gefahr. Von der Verteidigung des alten Hauses kann nicht die Rede sein; aber die fahrende Habe läßt sich retten. Es ist hier niemand, dem ich so viel Vertrauen schenke als Euch. Wollt Ihr mir helfen, so setze ich Euch über alle meine Leute und gebe ihnen Befehl, Euch in allem gehorsam zu sein wie dem Gutsherrn selbst. Ihr kennt die Schlupfwinkel in den Wäldern am Melno-See. Schafft von unseren Vorräten, soviel Ihr für gut haltet, in den Heidenwall, versteckt dort unsere beweglichen Wirtschaftssachen, Wagen, Pflüge, Eggen und was sich sonst fortbringen läßt. Pferde und Vieh treibt in die Wälder. Der Feind mag dann die leeren Ställe und Speicher finden. Wollt Ihr das für mich tun?
Gundrat besann sich. Ich stehe nicht gern im Herrendienst, sagte er dann mürrisch, weiß auch auf solchem Hof schlecht Bescheid. Ihr habt Eure Kämmerer und Hofmannen, übertragt's denen. Im Walde will ich ihnen die sicheren Stellen anzeigen, aber die Verantwortlichkeit für Euer Hab und Gut kann ich nicht übernehmen.
Das sollt Ihr auch nicht, versicherte der Junker, das vermag in so unsicherer Zeit niemand. Aber es ist ein Unterschied, ob die Leute sich selbst überlassen sind, oder ob sie unter Aufsicht eines Mannes stehen, den sie als streng und gerecht kennen. Ich weiß, daß Ihr am liebsten wie ein Einsiedler lebt. Aber die Dinge haben nun einmal einen solchen Verlauf genommen, daß wir alle tun und meiden müssen, was uns nicht gefällt. Darum handelt freundschaftlich an mir und tretet hier an meine Stelle, bis ich selbst mich wieder des Meinigen annehmen kann. Ich will's Euch danken.
In des Teufels Namen denn! rief der Alte. Aber wenn's blutige Köpfe gibt, so nehmt mich deshalb nicht ins Gericht. Ich bin heftiger Art und schlage rasch zu, wenn man nicht aufs Wort hört. Sagt das den Leuten im voraus.
Ich werde ihnen vorstellen, wie ihre eigene Sicherheit davon abhängt, daß sie Euch in allem gehorchen, entgegnete der junge Gutsherr. Ist aber einer unverständig, den bringt zur Ordnung, wie im Kriege der Hauptmann einen aufrüherischen Gesellen zur Ordnung bringt – es soll Euer Recht sein, und ich will Euch vertreten bei dem Komtur. Jetzt aber folgt mir. Ich habe noch etwas Geheimes auf dem Herzen, das ich nur Eurer Treue anvertrauen kann und wovon niemand sonst wissen darf.
Er führte ihn nach dem alten Hause und die Treppe im Turm hinauf. Zum erstenmal betrete ich dieses Gemach, sagte er, das Schloß öffnend. Es bewahrt die Heimlichkeiten der Eidechsen.
Die dicken Mauern umschlossen nur einen engen Raum, den schmale, mit Holzladen versetzte Fenster mäßig erhellten. Darüber wölbte sich eine Decke, in deren Schlußstein eine Eidechse eingemeißelt war. Auf dem mit Steinfliesen belegten Fußboden stand in der Mitte ein runder Tisch, umgeben von einfachen СКАЧАТЬ